Wem gehört die Zukunft?. Jaron Lanier

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Wem gehört die Zukunft? - Jaron Lanier

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von Personen Daten ergibt, die es einem Roboter ermöglichen, wie ein natürlicher Gesprächspartner zu wirken, oder man Informationen erhält, die bei einem Wahlkampf dafür sorgen, den Wählern die richtigen Botschaften zu übermitteln, dann sollte die Nutzung dieser wertvollen Daten den Urhebern – also Ihnen – auch Geld einbringen. Schließlich gäbe es diese Daten ohne Sie gar nicht.

      Die Vorstellung, dass die Informationen der Menschheit kostenlos sein sollten, ist idealistisch und verständlicherweise auch populär, aber wenn niemand verarmen soll, muss man für Informationen bezahlen. Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Software und Netzwerken können wir entweder weiterhin an kostenlosen Informationen festhalten, was jedoch mit finanzieller Unsicherheit für fast alle verbunden wäre, oder aber für Informationen bezahlen und auf diese Weise die Mittelschicht stärken. Die erste Möglichkeit mag vielen als ein Ideal erscheinen, das man ungern aufgibt, doch die zweite bietet eine realistische Aussicht auf eine beständige Demokratie und ein Leben in Würde.

      Eine erstaunliche Anzahl Menschen produziert über Netzwerke eine erstaunliche Menge an Wert. Doch der Löwenanteil des Vermögens geht heute an diejenigen, die diese Daten sammeln und kanalisieren, anstatt an jene, die den »Rohstoff« liefern. Wenn wir uns von der Vorstellung der »kostenlosen Informationen« verabschieden und stattdessen ein universales System der Mikrozahlungen aufbauen, könnten eine neue Form der Mittelschicht und eine ehrlichere Informationsökonomie entstehen. Womöglich wären wir sogar in der Lage, die Freiheit des Einzelnen und die Selbstbestimmung zu stärken, auch wenn die Maschinen immer besser werden.

      In diesem Buch geht es um futuristische Wirtschaftsformen, im Grunde aber darum, wie wir Menschen bleiben können, wenn unsere Maschinen so hochentwickelt sind, dass sie quasi autonom werden. Dieses Buch ist damit gewissermaßen Science-Fiction in Form eines Sachbuchs. Man könnte es auch eine Art spekulative Streitschrift nennen. Ich werde argumentieren, dass die Art, wie wir unsere Welt bisher um digitale Netzwerke herum organisiert haben, nicht nachhaltig ist und dass es mindestens eine nachhaltigere Alternative dazu gibt.

      Das Moore’sche Gesetz verändert die Bewertung der Menschen

      Unter den Technologen ist das Denken über die Zukunft seit der Jahrtausendwende hauptsächlich von der Erfahrung mit digitalen Netzwerken beeinflusst, die mit Hilfe der Unterhaltungselektronik genutzt werden. Ein junger Mensch muss heute nur noch ein paar Jahre und nicht mehr ein ganzes Leben lang warten, bis sich Veränderungen im Sinne des Moore’schen Gesetzes vollziehen.

      Das Moore’sche Gesetz ist das Leitprinzip und wahre Grundgesetz des Silicon Valley. Es besagt, dass die Leistungsfähigkeit von Computerchips immer schneller wächst. Diese Verbesserungen türmen sich nicht einfach auf wie bei einem Steinhaufen, der immer höher wird, wenn man mehr Steine hinzufügt. Anstatt sich zu summieren, vervielfachen sich die Verbesserungen. Offensichtlich verdoppelt sich die Leistung der Technologie etwa alle zwei Jahre. Das bedeutet, dass die Leistung von Mikroprozessoren nach vierzig Jahren um das Millionenfache gesteigert wurde. Niemand weiß, wie lange sich dieser Prozess fortsetzen lässt. Auch darüber, warum das Moore’sche Gesetz und ähnliche Muster existieren, ist man sich nicht einig. Handelt es sich um eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, also quasi um Autosuggestion, oder um eine unvermeidliche, wesentliche Eigenschaft der Technologie? Was auch immer da vor sich geht, der Rausch des sich beschleunigenden Wandels ruft in manchen einflussreichen Technologiekreisen geradezu religiöse Ehrfurcht hervor.

      Das Moore’sche Gesetz bedeutet, dass man immer mehr kostenlos erledigen könnte, wenn da nicht die Leute wären, die bezahlt werden wollen. Der Mensch ist beim Moore’schen Gesetz quasi der Haken an der Sache. Wenn der Betrieb von Maschinen unglaublich billig wird, wirken Menschen vergleichsweise teuer. Früher waren Druckmaschinen teuer, daher schien es ganz selbstverständlich, Journalisten angemessen dafür zu bezahlen, dass sie die Zeitung füllten. Erst als die ersten Gratiszeitungen auftauchten, schien es mit einem Mal unvernünftig, Leute überhaupt noch zu bezahlen. Durch das Moore’sche Gesetz können Löhne und Gehälter – ebenso wie das soziale Netz – plötzlich wie ungerechtfertigter Luxus wirken.

      Unsere direkte Erfahrung mit dem Moore’schen Gesetz bestand bislang vor allem darin, dass es uns billige Waren bescherte. Die gestern noch unerschwingliche Kamera ist heute eine von vielen Funktionen an unserem Mobiltelefon, das wir schon bald wieder gegen ein neues austauschen. Mit der millionenfachen Leistungssteigerung in der Informationstechnologie wurden sämtliche Einsatzmöglichkeiten ebendieser Technologie immer billiger. Daher erwartet man heute, dass Online-Dienste (und nicht nur Nachrichten, sondern auch zeitgemäße Erscheinungen wie Suchdienste oder soziale Netzwerke) kostenlos sind, wobei »kostenlos« in dem Fall bedeutet, dass wir im Gegenzug stillschweigend einwilligen, uns ausspionieren zu lassen.

      Unverzichtbar, aber wertlos

      Während Sie dies lesen, sind Tausende Computer irgendwo auf der Welt damit beschäftigt, heimlich erstellte Datenmodelle von Ihnen zu verfeinern. Was ist so interessant an Ihnen, dass man sich die Mühe macht, Sie auszuspionieren?

      Die Cloud wird von Statistiken gesteuert, und selbst die unwissendsten, langweiligsten, trägsten und unbedeutendsten Personen liefern der Cloud heutzutage Informationen. Diese Daten könnte man als echten Mehrwert betrachten, aber das stimmt nicht. Stattdessen führen unsere Blindheit und die Art, wie wir diesen Wert berechnen, zum allmählichen Zusammenbruch des Kapitalismus.

      Bei diesem System gibt es langfristig betrachtet keinen Unterschied zwischen einem schlecht ausgebildeten und einem gut ausgebildeten Menschen. Im Moment führen viele gut ausgebildete Menschen noch ein angenehmes Leben in unserer softwarevermittelten Welt, doch wenn sich nichts ändert, werden diejenigen, denen die besten Rechner und größten Rechenzentren gehören, mit der Zeit als die einzige Elite übrig bleiben. Um das zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die Chirurgie, weil die technologische Entwicklung bei den Operationstechniken ähnliche Folgen haben könnte wie die Digitalisierung etwa in der Musikindustrie.

      Die Aufnahme von Musik war früher ein mechanischer Vorgang, doch heute läuft alles digital, weshalb Musik zu einer Netzwerkdienstleistung wurde. Früher wurden in den Presswerken Schallplatten oder CDs produziert und von Lastwagen an die Läden ausgeliefert, wo sie dann vom Verkaufspersonal verkauft wurden. Dieses System wurde zwar nicht völlig zerstört, dennoch ist es heute üblich, dass man Musik einfach sofort über ein Netzwerk bezieht. Ein beträchtlicher Anteil der Mittelschicht lebte früher von der Musikindustrie, aber das ist vorbei. Die Nutznießer des digitalen Musikgeschäfts sind in erster Linie die Betreiber der Netzwerkdienste, die Musik im Austausch gegen Daten kostenlos zur Verfügung stellen, um ihre Dossiers und Datenmodelle über jeden einzelnen Nutzer zu vervollständigen.

      Eine ähnliche Entwicklung könnte sich in der Chirurgie vollziehen. Nanoroboter und die holografische Endoskopie oder einfach Roboter, die heute noch Endoskope steuern, könnten eines Tages eine Herzoperation durchführen. Diese Geräte hätten wirtschaftlich ähnliche Auswirkungen wie die MP3-Player und Smartphones für den Musikkonsum. Unabhängig von den Details würde man die Chirurgie als Informationsdienst betrachten. Allerdings ist die Rolle der menschlichen Chirurgen in diesem Fall nicht von vornherein festgelegt. Sie werden unverzichtbar bleiben, weil sich die Technologie auf Daten stützt, die von Menschen kommen, aber noch ist nicht entschieden, ob ihre Arbeit dann noch in dem Maße geschätzt wird, dass sie auch gut bezahlt wird.

      Allgemeinärzte in den USA klagen über eine neue Form von Konkurrenz, weil sie nicht an den Netzwerken partizipieren, die zur Vermittlung von medizinischen Leistungen entstanden sind. Versicherungen und Pharmakonzerne, Klinikketten und verschiedene andere clevere Netzwerkprofiteure waren da klüger. Niemand, nicht einmal ein Herzchirurg, sollte so tun, als ob er völlig immun gegen diese Entwicklung wäre.

      Es wird immer Menschen geben, viele Menschen, die Daten liefern, um eine beliebige Technologie

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