Unter Freunden. Udo Staber
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„Ganz einfach, ich bin auf ihn zugegangen und hab gesagt, Ja hallo, sind Sie nicht Herr Himmelreiter? Sigmund Himmelreiter?“
„Sehr schön! Man kann bei ihm nicht direkt genug sein. Und was passierte dann?“
„Du hättest sehen sollen, wie er zusammenzuckte. Als hätte der Blitz ihn getroffen. Ich wusste nicht, war er erschrocken, dass jemand ihn ansprach, oder war er entsetzt, weil ich seinen Namen kannte.“
„Oder du hast ihn an seinen Namen erinnert. Es ist schon mal passiert, dass er seinen Namen vergessen hat. Er sollte beim Zahnarzt ein Formular ausfüllen und er fragte mich, ob er Sigmund oder Siegfried hinschreiben soll. Kein Witz.“
Irgendwie erinnert mich das an meine dritte Frau, die, bei der ich fast ersoffen wäre. Sie konnte sich bis zu unserer Trennung nicht entscheiden, ob sie Ritter heißen will, ihren Geburtsnamen behalten soll oder einen Doppelnamen führen will, und wenn es ein Doppelname sein muss, ob ihr Geburtsname am Anfang oder hinten stehen soll. „Ich wollte eigentlich nur etwas Smalltalk machen“, sage ich zu Regine, „aber er machte keinerlei Anstalten, mit mir ein Gespräch anzufangen, obwohl ich mich artig vorgestellt hatte.“
„Wie, artig? Wie hast du dich denn vorgestellt?“
„Ich sagte, ich bin Hermann Ritter, ich bin mit Regine zusammen. Ich gab ihm meinen vollen Namen, weil ich dachte, er hätte ihn vielleicht schon mal gehört, von euren Nachbarn vielleicht.“
„Du meinst, von den Oesterles? Gut möglich. Die waren schon immer wahnsinnig neugierig, was bei uns so alles abgeht. Und wie hat er reagiert? Was hat er zu dir gesagt?“
„Ach du grüne Neune!“
Jetzt habe ich sie doch zum Lachen gebracht. „Sonst nichts? Hat er nach mir gefragt?“
„Nein, aber ich fragte ihn, ob er mir bei der Blumenauswahl helfen könne. Ich sei auf der Suche nach Blumen für dich, er sei in diesen Dingen doch bestimmt Fachmann. Regine, das sagte ich nur, um die Atmosphäre etwas aufzulockern. Aber er gab mir keine Antwort, nicht mal eine zum Spaß. Stattdessen machte er Anstalten zu gehen.“
„Ja, das ist Siggi. Du hast ihn genauso erlebt, wie er ist. Wenn’s für ihn ungemütlich wird, packt er seine Sachen und haut ab. Und wie ging’s dann weiter?“
„Also ich denke, jeder normale Mensch würde an dieser Stelle aufgeben, sich entschuldigen und sich dann zurückziehen. Aber wahrscheinlich bin ich nicht normal. Ich sah das als eine Gelegenheit, mich ihm vorzustellen. Ich dachte, wenn wir hier ein paar Worte wechseln, wird unser Abendessen heute nicht so steif sein. Und wenn ich mich ihm gegenüber locker zeige, dürfte ihm ein kleines Gespräch doch nichts ausmachen. Fehlanzeige. Ich glaube, er hätte mich doch glatt stehen lassen, wenn ich ihm nicht die Hand hingestreckt hätte.“ Regine grinst hämisch. Ich bin ihm ins Messer gerannt, soll das heißen. „Ich sagte zu ihm, so ein Zufall, dass wir uns hier treffen. Kommen Sie oft in dieses Geschäft? Statt einer Antwort, stammelte er irgendetwas von Irrtum und Zeitdruck. Ich sagte, die Auswahl an Blumen hier ist ja wirklich überwältigend. Da weiß man gar nicht, was man kaufen soll. Ach ja, dann lass ich Sie mal gehen, war seine Antwort. Dann drehte er sich weg. Ich ließ aber nicht locker. Ich hätte schon etwas Zeit, sagte ich. Ich bin nicht in Eile, ich will mich nur mal umsehen, was die hier so haben, bevor ich mich für etwas entscheide. Also, dann verabschiede ich mich schon mal, sagte er. Aber ich ging gar nicht darauf ein, sondern sagte, ist doch nett, dass wir uns auf diese Weise kennenlernen. Ja, ja, war seine Antwort. Ist doch interessant, was Zufälle so alles bringen, sagte ich. Daraufhin er: Ja, stimmt. Ich: Wir sind beide im gleichen Laden, um vielleicht das Gleiche zu kaufen. Ist das nicht witzig? Er: Wenn Sie meinen. Ich: Unsere Wege hätten sich doch auch woanders kreuzen können. Er: Vielleicht. Regine, so ging das eine Weile hin und her. Egal was ich sagte, er wollte partout keine Unterhaltung mit mir führen. Und er wurde auch immer zappeliger.“
„Ja, der Mann ist furchtbar hektisch. Das ist sein Naturzustand. Was hättest du denn gern, das er zu dir gesagt hätte?“
„Nun ja, er hätte mich zum Beispiel fragen können, welche Sorte Blumen ich für dich suche.“
„Nein, nicht Siggi. Das hätte er dich nie gefragt, nie und nimmer.“
„Hat er dir denn nie Blumen geschenkt?“ Das hab ich meinen Ex-Frauen übrigens auch nicht, aus verschiedenen Gründen. Die erste war Studentin und hat sich schnell in einen anderen verliebt, auch ohne dass er ihr Blumen schenkte. Und die zweite hat sich selber Blumen geschenkt. Sie traute mir wohl nicht, dass ich ihren Geschmack erwische. An meine letzte Ex will ich gar nicht denken. Der hätte ich Kakteen mit zehn Zentimeter langen Stacheln ans Bett stellen sollen. Sie hatte ein ganzes Gewächshaus im Wohnzimmer stehen und hat dem Grünzeug morgens und abends eine halbe Stunde lang gut zugeredet, weil sie glaubte, die Pflanzen würden dann besser miteinander auskommen. Warum müssen Frauen immer Blumen bekommen? Es heißt, das hat etwas mit dem Schenken von Beachtung zu tun. Sie wollen Aufmerksamkeit, und sie wollen, dass der Mann das weiß. Aber warum kann man Blumen nicht an einem xbeliebigen Tag schenken, warum muss es immer nur der Geburtstag oder Valentines sein? Alles so gekünstelt, finde ich, so mechanisch. Das wirkt dann so unehrlich. Und man kann doch auch etwas anderes als Blumen schenken. Ein Buch zum Beispiel. Das kann sogar noch persönlicher sein als irgendwelche Blumen von der Stange, von denen es sowieso nur eine begrenzte Anzahl an Sorten gibt, Blumen, die praktisch jeder auf dieser Welt kauft, und immer nur die für einen bestimmten Anlass vorgegebene Sorte. Und ein Buch verwelkt wenigstens nicht. Man muss es nicht dauernd gießen und man braucht auch keinen speziellen Platz dafür, außer es ist ein künstlerisch aufgemachter Bildband oder der Museumskatalog einer weltweit einmaligen Ausstellung, den man auf dem Couchtisch präsentiert, damit die Gäste sehen, wie ungemein gebildet man ist, ohne dass man dafür den Mund aufmachen muss. Für Blumen braucht man immer eine passende Vase, und sündhaft teuer sind sie auch noch, für die wenigen paar Tage, die sie halten.
„Willst du jetzt nicht wissen, für wen er Blumen kaufen wollte?“, frage ich sie. „Würde es dich ärgern, wenn er sagen würde, er kauft Blumen für Gundula? Wäre das schlimm für dich?“ Wenn ich wüsste, dass meine Ex einen Neuen hat, der ihr ein Blumengeschenk macht, würde mich das kalt lassen. Der Neue geht mich nichts an, er kann mit ihr machen was er will. Ich bin ja schon froh, wenn sie einen Neuen hat. Dann habe ich sie endgültig vom Hals, und ich muss auch keine Angst haben, dass sie sich an Regine ranmacht.
Sie beantwortet meine Frage nicht, sie zuckt nur mit der Schulter. Ich bin gespannt, wie das heute Abend mit den beiden ablaufen wird, in einem offenbar edlen Restaurant, zusammen mit einigen ihrer engsten gemeinsamen Freunde. Ein lustiges Klassentreffen, zu dem jeder seinen alten oder neuen Anhang mitbringt, wird es sicherlich nicht werden. Eher eine Art Themenparty, eine Zusammenkunft zum Thema, die Alte trifft die Neue des Alten, der bei dieser Gelegenheit dem Neuen seiner Alten begegnet. Wer von diesen Leuten kam überhaupt auf die Idee, dieses Treffen zu veranstalten? Nicht dass mich das stört. Nein, überhaupt nicht. Ich finde es nur merkwürdig, in einem Land, in dem geschiedene Leute normalerweise auf Abstand gehen. Den Kontakt abbrechen, sich aus den Augen verlieren, den Ex vor dessen Freunden schlecht machen, ihn abgrenzen und ausschließen, das ist, was man hier normal nennt und was von allen erwartet wird. Ich kann dein Gesicht nicht mehr sehen, ich pfeif auf dich, ruf nie wieder an, das hört man hier die Ex zum Ex sagen. Die Amerikaner sind in solchen Dingen viel lockerer. Wenn sie zum zweiten Mal heiraten, geschieht das oft im gleichen Bekanntenkreis. Kreuz und quer geht das in vielen Familien. Eigentlich ganz praktisch, finde ich. Man kennt sich bereits, man bekommt passable Empfehlungen und man muss nicht immer ganz von vorne anfangen. In Deutschland läuft das anders. Hier wird streng getrennt, wie beim Müll. Hier herrscht Ordnung.
„Ich bin gespannt, ob dein Siggi heute Abend mit Blumen daherkommt“, sage ich zu Regine, „und für