Mit 10 Weinproben zum Kenner. Beat Koelliker
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Viele Weinliebhaber neigen zudem zur Übertreibung: Weißweine werden zu kalt serviert, ihr Duft kann sich dann nicht entfalten, sie bleiben stumm und verschlossen. Rotweinen blüht häufig das Umgekehrte: Zu warm ausgeschenkt, verlieren sie ihre Frische, wirken schwerfällig, alkoholisch und tanninbitter.
Orientieren Sie sich an der nebenstehenden Tabelle. Mit zunehmender Erfahrung werden Sie ein gutes Gespür für die richtige Temperatur entwickeln.
Serviertemperatur und Trinktemperatur
Unsere Räume sind meist auf Temperaturen zwischen 20–22 °C geheizt. Sind viele Leute beisammen, können es schnell 25 °C werden. Genauso warm sind dann auch die Gläser. Schenken Sie nun einen perfekt auf 8–10 °C gekühlten Wein ein, erwärmt er sich durch das Glas sofort um 1–2 °C oder mehr. Die Serviertemperatur muss also immer um diese Spanne tiefer liegen. Die nebenstehende Tabelle gibt die Trinktemperatur an. Die Serviertemperatur eines schweren Rotweins sollte also bei etwa 14–16 °C liegen deutlich niedriger als die Raumtemperatur!
Temperatur prüfen
Um ihm eine gute Ausgangstemperatur zu geben, kommt Weißwein zwei bis drei Stunden vor dem Genuss in den Kühlschrank. Beim Rotwein ist es etwas komplizierter: Wer einen kühlen, also ungeheizten Keller hat, holt den Wein etwa zwei Stunden vor dem Trinken nach oben – am besten in einen kühlen Raum, etwa das Schlafzimmer. Moderne temperierte Keller hingegen liegen in etwa in dem Bereich, den man früher als Zimmertemperatur bezeichnet hat. Weine aus diesen Kellern können direkt serviert werden.
Dann erst geht es an die Feinarbeit: Bis man sich selbst etwas mehr Sicherheit im Umgang mit den Temperaturen erworben hat, können Thermometer eine nützliche Hilfe sein. Es gibt zwei Systeme: Entweder man misst die Temperatur von außen mit einer Manschette. So kann die Flasche verschlossen bleiben, man misst aber nicht exakt im Wein selbst. Bei der anderen Methode hängt das Thermometer direkt im Wein. Man erfährt die exakte Temperatur, muss die Flasche aber vorher öffnen.
Wein rasch kühlen
Im Eiskübel kann man einen Wein (selbst einen zu warmen Rotwein) in relativ kurzer Zeit deutlich herunterkühlen (pro Minute um 0,5–1 °C). Wichtig: Die Flasche sollte bis zum Hals im Eis stehen. Und das Eis muss in Wasser schwimmen, denn dieses erst leitet die Kälte zur Flasche.
Kühlmanschetten sind praktisch, weil sie nicht tropfen, meist aber ein ästhetischer Graus. Thermosbehälter funktionieren wie Thermosflaschen mit einem Vakuum zwischen den Wänden. Sie kühlen nicht, halten aber die Temperatur über längere Zeit konstant.
Die Kapsel wird deutlich unterhalb der Flaschenmündung abgeschnitten.
Entkorken, dekantieren, einschenken
Wie bekomme ich den Korken aus der Flasche, und auf welchen Wegen kommt der Wein ins Glas?
Entkorken
Wir nähern uns der letzten Station auf dem langen Weg des Weins vom Weinberg bis in unser Glas. Wir machen das behutsam und mit Respekt. Und ein bisschen Feierlichkeit darf schon sein!
Stellen Sie die Flasche gerade auf den Tisch, so vermeiden Sie, dass sie geschüttelt wird. Wenn sie alt und staubig ist, stellen Sie sie auf einen Teller und legen sich ein Tuch zurecht, um sich die Hände abzuwischen. Schneiden Sie mit einem Messer oder Kapselschneider die Kapsel deutlich unterhalb der Flaschenmündung ab, damit der Wein beim Einschenken nicht mit dem Kapselrest in Berührung kommt. Bevor Sie den Korken ziehen, reinigen Sie ihn und den Flaschenhals mit einem Tuch.
Jetzt kommt der Korkenzieher zum Einsatz. Es gibt unendlich viele, wirklich brauchbar sind eigentlich nur zwei: der Sommelier-Korkenzieher und der Screwpull. Wichtig ist, dass die Spindel (die Spirale) einen breiten Durchmesser hat und lang genug ist. So zerschneidet sie den Korken nicht, sondern fasst ihn auf einer breiten Fläche – und sie gelangt auch bei langen Korken bis an ihr Ende. Ziehen Sie den Korken möglichst gerade aus der Flasche, lange Korken können sonst leicht brechen.
Was tun, wenn …
… der Korken abbricht
Ist noch ein größerer Rest im Flaschenhals, versuchen Sie den Korkenzieher im schrägen Winkel nochmals in den Korken zu bohren, oft bekommt man ihn so noch zu fassen. Wenn alles nichts hilft: Korken vorsichtig (!) mit einem Löffelstiel in die Flasche drücken und den Wein dekantieren – falls zu viele Brösel in den Wein gefallen sind, durch ein Sieb oder Baumwolltuch.
… der Korken in die Flasche fällt
Es gibt eigens entwickelte Krallen, um den Korken herauszufischen. Einfacher: den Wein dekantieren.
… der Korken zu fest sitzt
Vor allem bei Champagner kann das passieren. Erwärmen Sie den Flaschenhals kurz mit einem heißen Tuch oder über einer Kerzenflamme. Die Wärme weitet das Glas und macht gleichzeitig den Korken geschmeidiger.
Champagner entkorken
Stellen Sie die Gläser bereit, bevor Sie anfangen, es könnte nachher plötzlich pressieren. Reißen Sie die Folie unterhalb des Drahtkorbs auf, meist geht das mit einem Bändchen oder einer Perforierung. Drehen Sie den Verschluss des Drahtkorbs auf und entfernen ihn. Halten Sie den Korken mit dem Daumen, damit er sich nicht selbstständig macht. Nun drehen Sie mit einer Hand die Flasche und halten mit der anderen den Korken fest. Der Korken sollte sanft und ohne Knall aus der Flasche steigen. Sitzt er zu fest, erwärmen Sie wie links beschrieben kurz den Flaschenhals. Es gibt für diesen Fall auch spezielle Zangen, doch selbst ein Nussknacker aus Metall kann helfen.
Sobald der Drahtkorb gelöst ist, muss der Korken gehalten werden.
Dekantieren
Bei alten Rotweinen
Alte Rotweine bilden oft ein Depot in der Flasche. Beim vorsichtigen, sprich langsamen Umgießen des Weins in eine Karaffe können Sie ihn davon trennen. Stellen Sie eine Kerze unter den Flaschenhals, so sehen Sie genau, wann die Trübung kommt. Die Karaffe sollte eher schlank sein, denn zu viel Luftkontakt kann dem Wein schaden.
Bei jungen Rotweinen und bei Weißweinen
Junge Rotweine können durch Lüften entscheidend gewinnen. Hier ist daher eine eher weite Karaffe angezeigt. Auch dürfen diese Weine zwei bis drei