Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane. A. F. Morland
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Keine Antwort.
Aber er musste da sein, denn sein Auto war da, und wenn ich ihn nicht völlig falsch einschätzte, gehörte er zu der Sorte, die das Auto sogar benutzen würde, um zum Klo zu kommen, vorausgesetzt, der Wagen passte in ihre Wohnung.
Ich fühlte in meinen Taschen nach, aber es war nichts Geeignetes darin, um die Tür aufzumachen. Außerdem verstand ich auch zu wenig davon, als dass diese Möglichkeit Erfolg versprechend gewesen wäre.
Aufgeben wollte ich aber auch nicht. Und ein Gefühl sagte mir, dass ich ganz nahe an der Lösung dieser Sache dran war.
Ich ging also in die Nachbarwohnung.
Es roch nach Zement. Die Wohnungen hatten alle einen Balkon. Auch diese. Ich ging durch die gläserne Hebetür, deren Thermopenglas schon von innen beschlagen war, warf einen Blick in die Tiefe und dann einen zum Nachbarbalkon, der zu Lescheks Wohnung gehören musste. Die Distanz war nicht allzu groß.
Ich ging kurz zurück, nahm mir eine der herumliegenden Verschalungsbohlen und machte daraus eine Art Brücke zwischen den Balkonen.
Drei Minuten später war ich auf der anderen Seite. In die Wohnung zu kommen, war kein Problem, denn ein Fenster war abgeklappt. Ich versuchte zwar, einigermaßen leise zu sein, aber ein Profi-Einbrecher bin ich natürlich nicht.
Eigentlich hätte mich Leschek hören müssen. Tat er aber nicht. Ich sollte bald merken, warum.
Das Wohnzimmer, in das ich eingestiegen war, schien völlig verwüstet. Jemand hatte etwas gesucht. Es erinnerte mich fatal an den Anblick, den meine eigene Wohnung noch immer bot, denn zum Aufräumen war ich noch nicht gekommen.
Leschek fand ich dann in der Küche.
Ich erkannte ihn gleich wieder, trotz des Zustandes, in dem er sich befand.
Er lag auf dem Fußboden. Sein Oberkörper war eine einzige blutige Fläche. Da schien jemand ein ganzes Pistolenmagazin abgefeuert zu haben.
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Ich stand vielleicht eine halbe Minute einfach nur da und war wie vor den Kopf gestoßen.
Wenn ich jetzt die Polizei rief, war das für Rehfeld ein gefundenes Fressen.
Und mir fiel Wernecks gehetztes Gesicht ein. Er war aus diesem Flur, vielleicht auch aus dieser Wohnung gekommen, daran biss keine Maus einen Faden ab. Die ganze Sache war eine Erpressungsgeschichte, das hatte sogar Rehfeld inzwischen erkannt.
Ich fragte mich, welche Rolle Werneck darin am besten stand − abgesehen von der Tatsache, dass er wahrscheinlich Leschek auf dem Gewissen hatte.
Er ist das Erpressungsopfer, wurde mir klar. Er und nicht sein Sohn Hartmut, wie ich zuerst vermutet hatte. Ein Mann wie Dr. Werneck ging über Leichen, das hatte ich jetzt ja hautnah mitbekommen. Aber eigentlich traute ich ihm nicht genug Altruismus zu, um für andere zu morden.
Auch für seinen Sohn nicht, zumal sein Verhältnis zu ihm ja wohl ohnehin nicht das Beste war.
Außerdem gab es kein dankbareres Erpressungsopfer als einen aufstrebenden Politiker.
Da brauchte man nicht einmal nach strafrechtlich relevanten Dingen zu suchen. Es musste nur irgendetwas sein, das seinem öffentlich zur Schau gestellten Image so deutlich widersprach, dass es ihn ruinieren konnte. Zum Beispiel, wenn ein Law-and-Order-Mann beim Zocken erwischt worden war oder sich herausstellte, dass ein konservativer Familienpolitiker ab und zu in einem Schwulen-Lokal Urlaub von seiner bürgerlichen Idylle machte.
Ich fragte mich, was da im Fall von Dr. Werneck in Frage kam, und bereute jetzt, dass ich mich nicht mehr für Kommunalpolitik interessiert hatte.
Aber ich hatte jetzt keine Zeit, um diesen Fehler wieder gut zu machen. Wenn ich Glück hatte, konnte ich noch ein Leben retten. Das von Mike Grossmann nämlich.
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Ich fand Grossmanns neue Adresse in einem Telefonregister, das auf dem Fußboden im Flur lag. Interessanterweise war aus diesem Register der Buchstabe W herausgerissen.
W wie Werneck.
Sorgfältig war er offenbar nicht nur, wenn es darum ging, eine politische Karriere zu planen.
Ich setzte mich hinter das Steuer meines Fiat und raste los. Ich konnte nur hoffen, dass mich unterwegs niemand anhielt und ins Röhrchen blasen ließ.
Grossmann wohnte in einem Vorort. Es war das Erdgeschoss eines Reihenhauses, und jetzt verstand ich auch, warum er die andere Wohnung aufgegeben hatte. Diese hier war wirklich um einige Klassen besser − aber die Miete musste dreimal so hoch sein. Mindestens.
Grossmann schien vor drei Monaten irgendwie zu Geld oder einem Job oder beidem gekommen zu sein. Bei einer Frau war er jedenfalls nicht untergekrochen, denn an der Tür stand sein Name und sonst nichts.
Bevor ich mich an die Wohnung heranwagte, sah ich mich erst in der Umgebung um und musterte die Wagen, die in der Umgebung parkten. In der Zeitung hatte gestanden, dass Werneck einen Mercedes und einen Jaguar besaß.
Von einem Jaguar sah ich nichts, und der einzige Daimler, der in der Straße stand, war mindestens fünfzehn Jahre alt und sah aus, als habe der Besitzer mal zu testen versucht, wie geländegängig diese deutsche Wertarbeit war. Und wer mit einem Jaguar zum Morden fuhr, der musste verrückt sein.
Vielleicht war Werneck also noch gar nicht hier. Möglich, dass er zwischendurch noch was anderes zu tun hatte. Zwischen zwei Morden schnell etwas Verwaltungsarbeit erledigen. So lobt man sich doch einen verantwortungsbewussten und effizienten Chef einer deutschen Kommune!
Die andere Möglichkeit war natürlich, dass ich völlig auf dem Holzweg war mit dem, was ich mir in meinem Kopf zurechtgelegt hatte.
Ich klingelte an der Tür.
In der nächsten Sekunde ging sie auf, und ich blickte in Grossmanns stumpfsinniges Gesicht. "Du?", fragte er.
"Ja, ich."
Er runzelte die Stirn, was ihm einen unerwartet intellektuellen Zug gab. "Was willst du?", knurrte er.
"Vielleicht gehen wir erst einmal rein und unterhalten uns ein bisschen."
Er grinste. "Was hätte ich davon? Das mit dir war ein Irrtum. Da waren wir auf dem Holzweg. Nochmal Sorry dafür. Und nun verpiss dich!"
Er wollte mir die Tür vor der Nase zuschlagen, aber ich stellte den Fuß dazwischen.
Grossmann grunzte etwas Unfreundliches in meine Richtung und packte mich dann mit seiner Gorilla-Pranke am Kragen.
"Ich will dir das Leben retten, aber du scheinst nicht interessiert", sagte ich, noch ehe er einen Laut hervorbrachte. Er ließ mich los. Sein Gesicht veränderte sich.
Er schien sich nicht so ganz schlüssig darüber zu sein, was er jetzt mit mir anfangen sollte. "Wovon redest du?", fragte er.
"Von