Abschied von Havanna. Paul Baldauf

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Abschied von Havanna - Paul Baldauf

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       Paul Baldauf

       Abschied von Havanna

       Erzählungen

      © 2020 Paul Baldauf

      Umschlag: Paul Baldauf

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

      Paperback 978-3-347-14158-2

      Hardcover 978-3-347-14159-9

      e-Book 978-3-347-14160-5

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

      Inhalt

       MEXIKANISCHES VERWIRRSPIEL

       ABSCHIED VON HAVANNA

       PASTA ODER ADENAUER?

       KOMM SCHON, FRANCESCO

       STILLE TAGE IN PADUA – ODER: 14,

       SENKRECHT

       SCHWERHÖRIG?

       FRANZISKUS TRIFFT FRANZISKUS

       Über den Autor

       MEXIKANISCHES VERWIRRSPIEL

       Kapitel 1

      Es war an einem Tag im November.

      Während ich mich, inmitten des historischen Zentrums von Santiago de Compostela, dem «Hotel Real» nähere, regnet es. Diana, die Rezeptionistin, begrüßt den neuen Gast, wirft einen Blick nach draußen und erklärt:

      «Hier ist der Regen ein beinahe dauerhaftes Phänomen.»

      Sie sollte recht behalten: Die ganze Woche hindurch sehe ich so viele mit Regenschirm ausgerüstete Menschen, dass mir scheint, beschirmt unterwegs zu sein, muss hier eine Art Volkssport sein. Das unverwechselbare Geräusch des Regens, der auf Gassen, Straßen und Plätze, auf windschiefe, graue Schieferdächer und prächtige Bauten niedergeht, begleitet mich, als ich mich zu späterer Stunde der Kathedrale annähere und in Gassen dem Gemurmel von Leuten lausche, die Restaurants und Cafés verlassen. Regen fällt und fällt und scheint sich mit dem Klang keltischer Musik zu vermischen, die in der Nähe von Souvenirläden zu hören ist. Die Fülle der ausgestellten Waren, Tücher, filigranen Fächer, des vielgestaltigen Kunsthandwerkes, erschwert die Auswahl. Da lugt auf einmal eine junge Frau hinter der Ladentheke hervor und fragt mit sanfter Stimme:

      „Suchst du etwas Bestimmtes?“

      Was für ein reizender Akzent, denke ich, während ich ihrem Tonfall, dem Klang ihrer sich daran anschließenden Worte lausche. Ob sie Mexikanerin ist?

      Sie heiße Lorena, verrät sie und stamme aus der Stadt Zitácuaro in Michoacán. Ich bemühe mich vergeblich um geografisch stimmige Einordnung, sichere ihr jedoch zu, dass ich zurückkehren werde. Von dem Überangebot an Souvenirs leicht verwirrt, muss ich zunächst meine Gedanken sortieren.

      Als ich am nächsten Tag durch das Labyrinth der Gassen streife, finde ich den Laden wieder.

      „Hallo, Lorena!“

      Sie schütttelt freundlich, aber bestimmt den Kopf.

      „Ich bin nicht Lorena. Ich heiße Fabiola!“

      Beliebt sie zu scherzen? Ich erinnere mich genau, sie heißt Lorena! Ich spreche dies im Brustton unerschütterlicher Überzeugung aus. Mein Gegenüber lächelt und schüttelt ihren von dunklem, langem Haar umrahmten Kopf.

      „Nein, das ist mein Schwesterherz, Lorena! Ich bin Fabiola! Hat sie dir nicht von mir erzählt?“

      Das ist unmöglich: Die gleiche Figur, Kleidung, Stimme, Form und Farbe der Haare und schließlich legt sie dieselbe liebenswürdige Art an den Tag. Ich will gerade protestieren, als sie ausruft:

      „Wir sind Zwillinge!“

      Ich werfe einen prüfenden Blick auf sie. Will sie ein Spiel mit mir treiben, mich in die Irre führen, sich auf meine Kosten lustig machen? Nach einer Weile beginne ich ihr zu glauben, scheint mir doch, sie spreche etwas schneller als die junge Frau, mit der ich zuerst sprach. Oder vielleicht doch nicht?

      Wieder lässt sie ihre melodisch-zarte Stimme hören:

      „Es ist ganz einfach: Meine Schwester arbeitet in dem Souvenirshop da drüben, dort, an der Straßenecke und ich, ich arbeite hier.

      Sie begleitet mich einige Schritte und gibt mir noch einen Fingerzeig mit auf den Weg.

      Morgen, so denke ich, nachdem ich mich – von wem nun? – verabschiedet habe, muss ich endlich noch einige Souvenirs kaufen.

       Kapitel 2

      Am folgenden Tag kann ich mich zu meiner Bestürzung kaum noch erinnern, wo die Gasse zu finden ist, in der Fabiola arbeitet. Warum habe ich mir den Straßennamen nicht notiert, die Lage im Stadtplan nicht markiert? Ich irre umher, biege hoffnungsvoll in Gassen ein und verlasse sie wieder enttäuscht, bis mir endlich ein Licht aufgeht: Da drüben, das muss es sein! Ich trete beschwingt in den Laden und rufe mit triumphierender Stimme:

      „Hallo, Fabiola! Wie geht es dir?“

      Sie schüttelt den Kopf und sagt:

      „Ich heiße nicht Fabiola! Ich bin Lorena. Erinnerst du dich nicht an mich?“

      Nun scheint es, als lege sich ein dezenter Schleier der Enttäuschung über ihr – Fabiolas? Lorenas? – Gesicht.

      In mir steigt leichter Argwohn auf. Empfindet sie etwa Vergnügen dabei, mich an der Nase herumzuführen? Schnellere Sprechweise? Das läßt sich ohne weiteres künstlich herbeiführen. Die Kleidung, die Statur sind auf Anhieb nicht unterscheidbar. Wer steht vor mir? Aber sie sprach doch von «zwei Läden». Halt mal…

      Ich sehe mich rasch um, aber die Läden sehen sich alle ähnlich. Wer auch immer sie ist, sie macht ihre Rechnung ohne den Orientierungssinn eines potentiellen Kunden, der nun Einspruch erhebt.

      „Das ist nicht möglich, du bist Fabiola! Gestern habe ich dir von meiner Heimatstadt erzählt. Erinnerst du dich nicht?!“

      Ich lasse einige Sekunden verstreichen, wobei ich mir vorstelle, was für eine reumütigverschämte Miene die überführte Fabiola beim Geständnis eines fehlgeschlagenen Streiches gleich aufsetzen

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