Abschied von Havanna. Paul Baldauf

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Abschied von Havanna - Paul Baldauf

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beruhige sie einfach, aber natürlich, bei den Preisen, könne sie sich das auch nicht immer leisten, zum Glück arbeite eine Nichte von ihr in einer Zigarrenfabrik. Vielen, vielen Dank, muchas gracias, mijo! De verdad!

      Die ältere Dame, eine Mulattin, die um ihre Stirn stets ein kunstvoll gefaltetes, weißes Tuch gebunden trug, wirkte gerührt. Ihr Gast – seine sieben Sachen in Türnähe aufgetürmt – wollte gerade das Stichwort TAXI fallen lassen, als sie ihm zuvor kam. Sie beförderte die Teetassen auf ein Silbertablett und meinte:

      „Ach, übrigens, der Nachbar kommt in fünf Minuten!“

      Dabei deutete sie auf das Gepäck.

      „Der Nachbar?“

      „Sí!“

      Sie legte eine kleine Denkpause ein und fügte hinzu:

      „Ja, der Nachbar von Gegenüber, ein freundlicher Mann. Er fährt dich zum Flughafen.“

      „Ist er Taxifahrer?“

      Sie zögerte.

      „Nein, nicht direkt, das heißt: Ja, irgendwo schon.“

      Sie lachte und wiegelte mit einer, fächerartig hin- und herschwingenden Handbewegung ab. Dann trat sie mit Verschwörermiene näher und sprach leise:

      „Nicht offiziell. Er bringt auf seinem alten Schlitten natürlich kein Schild TAXI an! Das wäre ja auch verboten. Aber“ – und hier kam sie einem möglichen Einwand zuvor – „keine Sorge! In der Dunkelheit, bis zum Flughafen ist es nicht sehr weit und er fährt zügig. Kein Problem, mein Sohn! No es problema, mijo! Und außerdem, du wirst verstehen: Die Einkommen sind hier nicht hoch. Wenn du ihm ein Trinkgeld gibst. Er kann es genauso brauchen, wie die offiziell registrierten Taxifahrer. Verstehst du? Entiendes?“

      Sie wartete ab, ob sich auf der Miene ihres Gastes eine Veränderung abzeichne, die auf Verständnis schließen lasse.

      „Also: Gib ihm das Geld am besten vorher, nur für alle Fälle. Und dann beim Aussteigen: Ruck, zuck, du verstehst?“

      „Aber“

      Sie tat als habe sie nichts gehört und zeigte zur Wanduhr:

      „Oh, jetzt wird es aber Zeit, buen viaje, mijo! Gute Reise, mein Sohn! Ich glaube, da kommt er schon. Warte, ich helfe dir mit dem Gepäck. Vielleicht kommst du ja nächstes Jahr wieder. Mein Haus ist dein Haus, meine Adresse hast du ja.“

       Kapitel 3

      Der Nachbar − sportliche Figur, Schnauzer, ausdruckslose Miene, die Ärmel hochgekrempelt − nickte kurz als Begrüßung. Dann schnappte er sich, mit kräftig zupackenden Händen, die Gepäckstücke, sah sich verstohlen um, öffnete den Kofferraum und ließ alles verschwinden. Ein hastiger Gruß an die Pensionsbesitzerin – „nos vemos!“ – und schon gab er, mit Nachdruck, das Signal zum Einsteigen.

      Als der Wagen die ersten Meter zurücklegte, kramte der Abreisende 10 Euro hervor und steckte sie dem Fahrer zu. Dieser quittierte dies mit einem sich rasch aufhellenden Prüferblick, murmelte „gracias“ und ließ den Schein in einer kleinen Schublade verschwinden.

      „Zum Flughafen, nicht wahr?“

      Ja, wäre sinnvoll, dachte der Reisende. Aber es gab wahrlich keinen Grund zur Aufregung. Noch über drei Stunden bis zum Abflug. Da wäre selbst eine kleine Reifenpanne vermutlich nicht tragisch.

      „Sí,sí, al aeropuerto.“

      Der Fahrer, um dessen Hals eine Kette baumelte, blickte erst in den Rückspiegel, danach nach der anderen Seite, aus dem Fenster. Dann drückte er auf das Gaspedal und überholte ein Auto. Sein Blick, wie ein Scheibenwischer, wechselte die Seiten.

      „Du kommst aus Deutschland?“

      Er registrierte ein Kopfnicken und wechselte auf einmal die Tonart. Seine Stimme wurde überraschend laut und klang heftig.

      „Reisen, bis zu uns, in die Karibik! REISEN. Davon können wir nur träumen! Für uns ist das, wie sagt man: Science Fiction! Nicht, dass wir euch das nicht gönnen, verstehe mich richtig: Aber wir, wir sitzen hier fest, können nirgendswo hin! Wir sitzen hier auf der Insel, wie in einem riesigen Freiluft…Nun, lassen wir das besser, führt zu nichts.“

      Frustration und Wut schienen sich in seinem Gesicht zu spiegeln. Sein Mitfahrer suchte vergeblich nach passenden Worten. Der Fahrer schlug mit einer Hand mit Wucht gegen das Lenkrad, während er sich zugleich nach allen Seiten umsah. Es schien, als habe er nochmals das Tempo beschleunigt. Er überholte erneut ein Auto, leichter Regen fiel.

      „Wenn ich ein großer Sportler wäre, könnte ich auch mal weg: Internationale Wettkämpfe, Meisterschaften, Olympia und so weiter, verstehst du? Aber ich bin Mechaniker: Wohin und wozu sollte die Regierung mich exportieren?“

      Er lachte sarkastisch und stellte den Scheibenwischer ein.

      „Wie lange fliegst du?“

      „Hm, weiß nicht genau, so 8 bis 10 Stunden? Je nach Rückenwind.“

      Er nahm eine Hand vom Steuer und zwirbelte seinen Schnurrbart.

      „Wenn du ankommst, liege ich im Bett.“

      Er lachte, aber es klang nicht sehr überzeugend.

      „Nachher müssen wir uns beeilen, bin dann gleich weg. Zum Glück verstehst du Spanisch. Früher habe ich mal einen Schweden zum Flughafen gefahren. Er verstand kein Wort Spanisch und hätte mich mit seiner Umstandskrämerei beim Aussteigen fast noch in Schwierigkeiten gebracht. Ich transportiere dich ja sozusagen inoffiziell: Ich hoffe, meine Nachbarin hat dir erklärt, was das bedeutet?“

      Seine Stirn war in Falten gelegt. Sein Mitfahrer nickte, das Gelände des Flughafens kam langsam in Sichtweite.

      Kaum hielt der Wagen an, stieg der Fahrer aus und holte die Gepäckstücke so schnell wie möglich aus dem Kofferraum.

      „So, hier hast du alles, muss jetzt schnell los, buen viaje, gute Reise!“

      Er sah sich hastig um, ein fester Händedruck und schon stieg er wieder ein.

      Der Reisende ergriff seine Gepäckstücke und bemerkte, dass der Regen stärker wurde. Er hätte schon etwas näher an den Eingang heranfahren können, dachte er unter Kopfschütteln und machte sich mit seinem schweren Gepäck auf den Weg.

      In der Eingangshalle angekommen, sah er sich nach allen Seiten um. Wohin jetzt? Er kramte sein Flugticket hervor und überprüfte die Angaben. Vermutlich muss ich erst einmal die Flughafensteuer bezahlen. Doch, wo? Er verstaute das Flugticket sorgsam, blieb erst einmal stehen und sah sich in aller Ruhe um.

      Als er sich gerade wieder in Bewegung setzen wollte, sah er, wie sich, am anderen Ende der Halle, zwei Männer langsam, aber zielsicher, auf ihn zubewegten. Er erkannte bestürzt, dass sie Polizeiuniform trugen. In Sekunden fuhr dem Reisenden ein Trommelfeuer von Gedanken durch den Kopf:

      Sicher haben sie uns gesehen, ihn erwischt, Leugnen wird nicht helfen, macht alles vielleicht eher noch schlimmer, was tun? Gleich reagieren, Zögern wirkt bestimmt verdächtig.

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