Abschied von Havanna. Paul Baldauf
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Drei Tage vergehen, in denen ich immer noch nicht alle Souvenirs beisammen habe und in denen ich – mit wem? – weitere Gespräche führe.«
Und wenn sie tatsächlich Zwillinge sind? Aber selbst wenn es so ist, vielleicht gibt Lorena sich dann dennoch als Fabiola aus und Fabiola als Lorena?»
Die ungeklärte Frage löst beim Reisenden ein Gefühl aus, wie es jemand empfinden mag, der zu lange Karussell gefahren ist.
Am Tag vor der Abreise erinnere ich mich plötzlich an ein verräterisches Detail. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen? Lorena trägt Ohrringe!
Ein neuer Tag bricht an, und mich überkommt ein nostalgisches Gefühl. Bevor ich den Weg zum Bahnhof einschlage, will ich meine neuen Bekannten noch einmal besuchen. Ich betrete den Souvenirladen, der meinem Hotel näher liegt und begrüße Lorena:
„Hallo! Ich fahre heute nach Hause.“
„Wir schreiben dir!“
Ein Blick auf die Uhr, die Zeit drängt!
„Ich will mich noch von Fabiola verabschieden“ und schon öffne ich die Tür. Ich habe bereits einen Fuß auf die Schwelle gesetzt, als mich ihre Stimme erreicht.
„Wie bitte? Von F a b i o l a? Wie soll das gehen, wo ich doch Fabiola bin!“
Genug gescherzt, denke ich, der ich nun meine Beobachtungsgabe mit Hinweis auf die Ohrringe an den Tag lege. So ähnlich wird sich ein Kartenspieler fühlen, der auf einmal ein Ass hervorzaubert und es siegessicher auf den Tisch knallt.
„Ach, so! Manchmal zieht Lorena sie an, manchmal ich“, gibt sie lächelnd zurück.
Tage danach: Wieder in Deutschland, trifft eine Nachricht bei mir ein, die mir spanisch vorkommt:
«Erinnerst du dich noch an uns? Meine Schwester und ich senden dir viele liebe Grüße! Mit Zuneigung, Lorena.»
Lorena? In der Erinnerung steht sie wieder vor mir, die junge Mexikanerin, die ich zuerst traf…Oder war sie vielleicht doch Fabiola?
ABSCHIED VON HAVANNA
Kapitel 1
Er schaute noch einmal hinaus auf das Meer und in die Ferne, zur Festungsanlage «Castillo del Morro» und dem aus ihr herausragenden Leuchtturm. Dann sah er dem Spiel der Wellen zu, wie sie langsam, aber unaufhaltsam heranrollten, sich an Felsen brachen, hell aufschäumten. Ein letztes Mal am «Malecón».
Noch blieb etwas Zeit. Er ließ seinen Blick über die Ufermauer aus Stein, die sich scheinbar endlos hinziehende Uferstraße wandern, die die Altstadt von Havanna mit dem Stadtteil Vedado verbindet.
Menschen, vermutlich Einheimische, saßen behaglich zurückgelehnt auf der Mauer, ließen die Beine baumeln und vermittelten, ins Gespräch vertieft, den Eindruck, als hätten sie alle Zeit der Welt. Ein Paar schlenderte vorbei und ließ mit kubanischem Akzent spanische Laute hören, während – in akustischer Reichweite – jemand die Seiten einer Gitarre zum Klingen brachte.
Langsam brach über Havanna Dunkelheit herein, der Abendhimmel veränderte sich zusehends. Nur noch wenige hellere Flächen waren am Himmel zu sehen, während dunklere Wolken sich in den Vordergrund schoben: Ein Spiel von Farben und Formen, auf seine Art nicht weniger imposant als das Spiel der Wellen.
Am Straßenrand stand ein Fahrrad-Taxi. Es dauerte nicht lange und ein hagerer Mann tauchte auf und bewegte sich auf sein Gefährt zu. Er nahm auf dem Fahrersitz Platz, trommelte mit den Fingern und hielt nach Kundschaft Ausschau, die sich nicht einstellen wollte.
In einem weiten, sich bis in die Ferne hinstreckenden Oval, erhellte Licht von zahlreichen, in kurzen Abständen hintereinander aufgereihten Straßenlampen Geh- und Fahrwege, Häuserfassaden und die ganze Szenerie. Alte Fahrzeuge fuhren vorbei, Scheinwerferlicht flammte auf, während ein dunkelhäutiger Sänger seine Stimme erschallen ließ und zum Mittelpunkt einer sich bald rhythmisch bewegenden Gruppe wurde.
Abschied von Havanna: Für wie lange, für immer? Nachher mit dem Taxi zurück in die in der Altstadt, in «Habana Vieja», gelegene «Casa Particular», der Inhaberin der Pension ein kleines Abschiedsgeschenk aushändigen und dann – wieder mit dem Taxi – zum Flughafen. Sicher, so dachte er, werde ich wieder viel zu früh dort sein. Aber, gar nicht auszudenken, wenn der Taxifahrer sich verspäten würde oder gar nicht käme. Nein, bloß nicht auf die letzte Minute, lieber in der Flughafenhalle länger warten, keine unnötige Aufregung.
Er erinnerte sich an Suramis, die so freundlich gewesen war, ihm vor der Anreise beim Buchen einer Pension zu helfen, an die Geschwister Maytee und Alejandro, mit denen er in der beliebten «Eisdiele Coppelia», an einem Tisch sitzend, ins Gespräch gekommen war, an erstaunlich große Portionen Eis und an vergnügte Gesichter dunkelhäutiger, Eis löffelnder Kinder am Nachbartisch.
Kapitel 2
Fünfzehn Tage in Havanna, Ausflüge in die nähere Umgebung, lagen hinter ihm und zogen nun – in einer bunten Abfolge von Szenen und Bildern – an seinem inneren Auge vorüber:
Der skeptisch-prüfende Blick einer Angestellten, mit dem sie – bei seiner Einreise – Angaben auf seiner Touristenkarte überprüfte, um ihn dann, mit einer die Richtung andeutenden Kopfbewegung wortlos durchzuwinken; herrlich entspannende kubanische Musik im Taxi auf der Fahrt nach Havanna; eine Schar von Schülerinnen, die in malerischen Schüleruniformen an einer Straßenecke auftauchten und auf einen Bus warteten; der Aufmarsch von Männern in traditioneller Soldatenuniform auf dem Gelände des Castillo del Morro, ohrenbetäubende Kanonenschüsse als krönender Abschluss einer Parade; Schlendern über den Vorplatz der Kathedrale an einem herrlich warmen Tag; Gottesdienst mit lebhaft-mitreißendem Gesang.
Ein erneuter Blick auf die Uhr – Zeit zu gehen.
In der Pension angekommen, standen Koffer und Umhängetasche bereits zwischen zwei großen Pflanzen im gefliesten Eingangsbereich. Die Tür zu seinem Zimmer stand offen. Es dauerte nicht lange und die Wirtin – mit einem Besen bewaffnet und einen Papierkorb in der anderen Hand – tauchte auf. Ihre Worte sprudelten nur so hervor. Dann wechselte sie zur Zeichensprache, um zum Abschluss mit einer Hand die Flugrichtung eines startenden Flugzeuges darzustellen.
Ein Jammer sei es, wie schnell die Zeit vergehe, schon heute Abend – madre mia! – würde ich wieder die Heimreise antreten, nicht wahr? Aber vielleicht käme ich ja wieder zurück? Für alle Fälle würde sie mir eine Visitenkarte mitgeben, man wisse ja nie. Sie hoffe doch sehr, es habe mir gefallen in Havanna und in ihrer bescheidenen Pension?
Sie stellte den Besen ab, stemmte einen kräftigen Arm in die Hüfte und rieb sich, scherzhaft Tränen andeutend, über ein Auge. Dies erlebe sie oft, sprach sie: Gäste kommen und gehen, aber wenn sie länger als nur zwei, drei Tage bleiben, so gewöhne man sich an sie und wenn sie dann wieder fahren…
Dann stellte sie auch den Papierkorb ab, trennte sich von ihrer Schürze und bat, der Gast möge doch bitte nochmals im Zimmer, auch im Schrank, nachsehen, ob er noch etwas einpacken müsse. In der Zwischenzeit bereite sie einen Pfefferminztee mit einem Schuß Rum zu.
Eine Viertelstunde später öffnete sie eine Zigarrenschachtel, das Abschiedsgeschenk,