Sommermordsgrauen: 7 Krimis in einem Band. Earl Warren
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Sommermordsgrauen: 7 Krimis in einem Band - Earl Warren страница 24
Er blickte zu Boden. Das Foyer war mit Parkett ausgelegt, das verblasst und abgeschabt war. Aber die Linien waren deutlich zu sehen. Anselmo konnte den Blick nicht von ihnen lassen. Er drehte sich fast wie mechanisch um und folgte den Linien, bis er in der Mitte des Foyers befand. Dann fand er eine Linie, die zur Tür führte, ging mit gesenktem Kopf auf sie zu und anschließend ins Freie, ohne noch ein Wort zu sagen.
31
Anselmo stoppte den Wagen auf einer Asphaltfläche, die zu einer Industriebrache zwischen Seaway Trail und dem Erie-See gehörte. Lagerhallen und Hafenanlage rosteten hier vor sich hin.
Inzwischen war die Dunkelheit hereingebrochen. Ein fahler Vollmond stand hoch über dem Lake Erie, auf dem sich eine Dunstschicht aufbaute, die langsam, auf die Küste zu kroch.
Anselmo schlug den Kragen seiner Jacke hoch. Ihn fröstelte. Er stieg aus, sah sich um. Seine Rechte überprüfte den Sitz der Pistole, die er bei sich trug. Außerdem war er mit einem Elektro-Schocker ausgerüstet. Sicher war sicher. Leuten wie Norinsky traute er nicht über den Weg.
Sollte dieser Kerl ihn vielleicht nicht ernst nehmen?
Eigentlich hatte Anselmo erwartet, dass Norinsky pünktlich war. Ich sollte ihm etwas Feuer unter dem Hintern machen!, dachte Anselmo. Er griff zum Handy, aktivierte es und drückte auf die Kurzwahltaste, unter der er die Nummer von Norinskys Prepaid-Handy gespeichert hatte.
Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar, sagte eine ziemlich kühl klingende weibliche Stimme.
Anselmo schaltete das Gerät wieder aus und steckte es ein.
Na warte!, dachte er! Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du dich tot stellst!
In diesem Moment ließen ihn die Motorengeräusche mehrerer Fahrzeuge herumfahren. Zwei Limousinen, eine davon im Stretch-Format. Dazu noch ein Van.
Die Türen des Van öffneten sich. Mehrere Männer mit Maschinenpistolen im Anschlag sprangen heraus und richteten ihre Waffen auf Anselmo.
Als die Leibwächter die Lage als unbedenklich eingestuft hatten, wurden die Türen der Limousinen geöffnet.
Anselmo bemerkte Sumner.
Aber die beherrschende Gestalt, auf die die Augen aller gerichtet waren, glich einer Kugel. Brad Norinsky war Ende vierzig und kaum ein Meter siebzig groß – allerdings wirkte er fast genauso breit. Er wog schätzungsweise hundertzwanzig Kilo. Dass sein Anzug trotzdem perfekt saß, lag daran, dass er ausschließlich Maßanfertigungen trug.
Anselmo verzog das Gesicht. „Oh, großes Aufgebot! Welche Ehre!“
„Wir haben einiges zu besprechen“, sagte Norinsky.
Anselmo grinste. „Ja, das denke ich auch!“
Norinsky machte ein Zeichen.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung wahr. Etwas schoss durch die Luft. Einer der Männer aus Norinskys Gefolge hatte einen Taser abgeschossen. Die Pfeile mit den Elektroden trafen Anselmo im Rücken. Er wollte nach seiner eigenen Waffe greifen, aber der Stromschlag ließ ihn zusammenkrampfen, dass er im nächsten Moment vollkommen bewegungsunfähig war.
Roy Anselmo brach zusammen und blieb auf dem feuchten Asphalt liegen.
Norinsky trat an ihn heran. Mit der Fußspitze drehte er den hilflosen Anselmo herum. „Niemand tanzt mir auf der Nase herum!“, zischte der korpulente Mann. „Und schon gar nicht so ein Stück Dreck wie du!“
Anselmo war unfähig, etwas zu erwidern.
Er stöhnte nur auf.
Norinsky machte eine ausholende Handbewegung. „Bringt ihn in die Lagerhalle. Und dann werden wir uns mal eingehend darüber mit ihm unterhalten, was er wirklich weiß…“ Der große Boss verzog das Gesicht zu einer grausamen Maske. „Deine Schreie wird hier draußen niemand hören, du Narr!“ Dann kicherte er in sich hinein.
32
Roy Anselmo fand sich tatsächlich in den Kriminaldateien der Kollegen aus Quebec. Es gab mehrere Haftbefehle gegen ihn, einer davon wegen Totschlag. Dazu kamen noch ein paar kleinere Vergehen, darunter Körperverletzung und Nötigung. Unter anderem hatte er eine junge Frau ziemlich übel zugerichtet. Leider war aus den Unterlagen nicht ersichtlich, ob diese Frau rote Haare hatte.
Roy Anselmo war als Jean Marquanteur in Quebec geboren worden. Nachdem frühen Alkohol-Tod seiner Mutter war er in einem Heim gelandet und bald wegen psychischer Auffälligkeiten und einem Hang zur Gewalttätigkeit in Erscheinung getreten. Um der Strafverfolgung zu entgehen war der Mann, den wir bisher als Roy Anselmo kannten, untergetaucht. Man hatte in Kanada nie wieder etwas von Jean Marquanteur gehört.
Das musste wohl die Geburtsstunde einer anderen Identität gewesen sein.
Er wurde in die Fahndung eingegeben.
„Der Mann hat es gelernt, sofort zu verschwinden, wenn der Verfolgungsdruck zu groß wird“, analysierte Dr. Franklin Martin. „Ich nehme an, dass er sich nicht zum ersten Mal eine neue Identität zulegt.“
„Aber diesmal werden wir dafür sorgen, dass es schwieriger für ihn wird“, kündigte Captain Josephson an. „Wir werden Fotos an die Medien geben.“
„Die Fahndungsfotos der Kollegen aus Kanada sind allerdings deutlich veraltet“, stellte Milo fest. „Darauf wird ihn niemand wieder erkennen.“
„Man müsste ihn künstlich altern lassen“, stellte ich fest.
„Kein Problem“, erklärte Josephson. Er grinste. „Wir haben hier vielleicht nicht eine ganz so perfekte Ausstattung, wie Sie es vom FBI her gewohnt sind, aber so etwas können wir auch.“
Ein Pizza-Service brachte für uns alle etwas zu essen. Es war klar, dass unser Einsatz noch etwas länger dauern konnte und wir eine lange Nacht vor uns hatten. Wenn wir es nicht schafften, Anselmo alias Marquanteur einigermaßen schnell zu fassen, bestand die Gefahr, dass wir ihn völlig verloren.
Er hatte schließlich ausreichend Erfahrung darin, sich unsichtbar zu machen.
Der Kaffee im Headquarter war stark genug, schmeckte aber etwas bitter. Immerhin sorgte er dafür, die Müdigkeit zu vertreiben. Ich kaute auf einem Stück Pizza herum und machte mir Gedanken darüber, welches Netz man auslegen konnte, um diesen Täter in die Falle laufen zu lassen.
Milo schien meine Gedanken zu erraten.
„Er ist uns einfach einen Schritt voraus gewesen“, meinte er.
Dann meldete sich plötzlich eine Kollegin aus dem Innendienst zu Wort.
„Anselmo hat sein Handy für etwa eine halbe Minute aktiviert“, meldete sie. „Jetzt ist das Signal wieder weg.“
„Reicht das, um seinen Aufenthaltsort zu bestimmen?“, fragte ich.
„Es reicht“, nickte die Kollegin. „Anselmo – oder vielleicht auch nur sein Handy – hält sich