Den Staub der Väter abstreifen. Hermann Grabher

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Den Staub der Väter abstreifen - Hermann Grabher

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wegen. Der Bund hat klar gemacht, dass es jetzt keine organisierten Rückholflüge mehr geben wird. Und Länder können von heute auf morgen auf die Quarantäneliste gesetzt werden. Das bedeutet, dass Ferienrückkehrer erst zehn Tage in Quarantäne absitzen müssen, was insbesondere Firmenchefs wenig freuen dürfte. Die Folge ist ein gedämpftes Flugreiseverhalten, was die Umwelt freut, die Touristik- und Reisebranche andererseits empfindlich trifft. Auch vernehmen wir, dass die Partyszene erwacht ist und anscheinend gefährliche Akzente im Hinblick eines möglichen neuen Aufflackerns von Covid 19 oder gar einer zweiten Welle setzt. Der Aufruf an unsere lieben jungen und jung gebliebenen Zeitgenossen ist ernst gemeint: Sie sollten jetzt wirklich keine Fehler machen und den positiven Trend durch Undiszipliniertheit und Egoismus aufs Spiel setzen!

      Derweil gibt es harsche Proteste rund um den Erdball, weil in den USA ein Afroamerikaner von der Polizei schändlich misshandelt wurde, sodass er zu Tode kam. Es ist ein genereller Aufschrei gegen Polizeigewalt, welcher auf ein seit Jahrzehnten schwelendes Problem aufmerksam macht. Andernorts – in Deutschland, ganz in unserer Nähe – demolierten junge Männer eine Innenstadt, wie es hiess, ohne dass ein Motiv dafür erkennbar sei. Wirklich? Vielleicht ist der Hintergrund mit jenem von Holligans in der Fussballszene zu vergleichen, die ebenfalls dafür bekannt sind in Wut und unter Einfluss von Alkohol eine Schneise der Verwüstung zu hinterlassen, nicht unähnlich der eines Tornados. Der Hintergrund dort ist – wie man weiss - weder mit einem Sieg noch mit einer Niederlage der eigenen Mannschaft in Verbindung zu bringen. Sondern es ist offensichtlich allein Übermut, ein Überschuss an Energie, ein Schub an Testosteron und Adrelanin, ein gemeinsames gegenseitiges Aufplustern junger Menschen in einem fehlgeleiteten Gemeinschaftsgefühl, welches mit Exzessen dieser Art abgebaut wird. Unter den Tätern gibt es anscheinend nicht nur Steinklopfer, sondern auch Juristen und Ärzte (immerhin keine Priester, wie man versichert). In einem anderen Fall gerieten arabische Clans in Deutschland in tödlicher Mission aneinander – anscheinend nicht anders als man das in billigen Streifen zu sehen bekommt. Hallo, Freunde, wo leben wir? Wir würden hier gerne so existieren, wie es sich für zivilisierte Leute gehört! Dies sind nicht mehr Flausen junger Leute, sondern das ist organisierte Clankriminalität! Da ist kompromissloses, radikales Aufräumen durch den Rechtsstaat explizit von Nöten!

       2. Der Club der 100-Jährigen

      In der Schweiz gibt es – Stand 2018 - 1‘572 Menschen, die 100-jährig oder älter sind. Achtzig Prozent sind Frauen. Natürlich existiert kein Club der 100-Jährigen, denn Menschen in diesem Alter haben andere Sorgen und Bedürfnisse als einem solchen Club beizutreten oder gar einen solchen zu gründen. Bei ihnen geht es wohl vor allem darum, jegliche Kraft zu sparen, um auf Sparflamme zu überleben, Woche um Woche, Tag um Tag. Doch obige Meldung wurde noch ergänzt durch eine weitere Information, die eigentlich weit interessanter ist: Die Geriatrieforschung prophezeit, dass von den Mädchen, die heuer geboren werden, eine von vier hundertjährig wird und von den Buben wird einer von sechs dieses Alter erreichen. Ich bin verunsichert, weiss nicht so recht, ob ich diese Nachricht als eine positive einordnen soll oder ob sie wohl eher zu Sorge Anlass gibt. Denn zwei kapitale Fragen stellen sich:

      1) Wie soll die Rente dieser dannzumal Alten generiert werden, wenn sie in ihrem Leben etwa gleich viele Jahre in die Pensionskasse einzahlen, wie sie später Rente beziehen werden.

      2) Ein grösserer Teil der 100-Jährigen dürften auch dannzumal Pflegfälle sein. Wird es genug Fachleute geben, welche die vielen Alten pflegen? Und wie bitte soll diese Pflege finanziert werden?

      Eine unlängst erfolgte Befragung einer grossen Krankenversicherungsorganisation zeitigte Erstaunliches: Die Frage, was wäre ihr Wunschalter, das sie erreichen möchten, ergab als Durchschnitt einen Wert von 98.4 Jahre! Natürlich ist diese Zahl uninteressant für die Wissenschaft, schon nur aus dem Grund, weil sie nicht repräsentativ ist. Doch sie hat dennoch eine Aussage, nämlich dass erstaunlich viele Menschen offensichtlich ein langes Leben schätzen würden. Vielen erscheint ihr eigenes, ihr persönliches Leben anscheinend genug leicht, wertvoll, attraktiv, dass sie es gerne möglichst lange fortsetzen würden. Menschen in Armut oder mit Krankheiten geschlagen, dürften diesbezüglich wohl eine etwas andere Meinung haben. Allerdings könnte man dahinter auch noch eine andere Interpretation erahnen, nämlich dass der Mensch Angst vor dem Sterben hat oder Angst vor dem Tod, was keinesfalls dasselbe ist. Angst vor dem Tod meint in vielen Fällen wohl auch, dass der Mensch unsicher ist, was nach seinem Verlassen unserer Erde folgen wird und deshalb dieses radikale, dieses absolute Ereignis möglichst weit nach hinten schieben möchte. Die Frage aller Fragen lautet: Was kommt danach? Ist danach alles fertig? Oder geht es nachher erst richtig los, nämlich das ewige Leben, in dem uns jenes vergolten werden soll, wofür wir während unseres Erdendaseins eventuell einigen Aufwand betrieben? Jedenfalls verheissen verschiedene Religionen und Philosophien ihren Gläubigen und Anhängern diesen Preis.

      Ein Fluch der Moderne ist, dass für jedes Jahr ein möglichst hohes Wirtschaftswachstum gefordert ist. Wirtschaftswachstum ist notwendig, um den allgemeinen Lebensstandard zumindest halten oder tendenziell ausbauen zu können. Es ist ein Wert, der – ist es positiv - jedermann zugutekommt. Wirtschaftswachstum wird unter anderem durch eine höhere Effizienz in der Produktion erreicht. Immer rationellere Arbeitsabläufe, immer höher entwickelte, leistungsfähigere Maschinen und Geräte sind in der Lage immer mehr zu günstigeren Kosten zu produzieren. Damit können sich die Bewohner der Nationen der Habenden leisten, immer weniger Stunden zu arbeiten und dennoch in Summe mehr zu produzieren und somit auch mehr zu verdienen. Andererseits tritt die Welt der reichen Nationen damit gleichzeitig auch gegen die Welt der Minderbemittelten an. Die hiermit entstehende Kluft öffnet sich immer breiter und animiert zu Migration. Handarbeit selbst zu niedrigster Entlohnung kann immer weniger konkurrieren gegen Power von Maschinen und die Macht des Geldes. Es besteht zunehmend die Gefahr, dass die Armen dauerhaft arm bleiben, statt dass die Reichen die Benachteiligten mit nach oben ziehen. Zwar leisten die reichen Nationen Entwicklungshilfe in grossem Umfang. Oft gelangen diese Gelder jedoch nicht zu den Bedürftigen, werden nicht mit dem prioritären Fokus auf Nachhaltigkeit eingesetzt, sondern werden zu oft für sinnlose Prestigeobjekte missbraucht. Sinnvoller würde wirken, wenn man den grösseren Teil der Entwicklungsgelder in das Vermitteln von Wissen und Knowhow stecken würde. Denn mit fachlich gut ausgebildeten Menschen könnten auch Entwicklungsländer erfolgreich nach oben streben. Bedenklich ist ausserdem die immer grössere Einflussnahme Chinas in Afrika und Asien, was ohne ethische Rücksichtnahme durchgezogen wird. Je mehr sich Europäer und Amerikaner als (ehemalige) Kolonisatoren zurückziehen, umso intensiver nützen die Chinesen das Vakuum und sichern sich Nutzungsrechte zur Gewinnung wertvoller Stoffe aus dem Boden. Dies geschieht oft gegen ein viel zu niedriges Entgelt. Dabei stellen die neuen Herren in der Regel nicht mal mehr einheimisches Personal ein, sondern bringen ihre eigene Mannschaft mit. Begründung: Die dort ansässige heimische Bevölkerung sei zu wenig gut ausgebildet, arbeite somit zu wenig professionell.

      Vielleicht ist es wirklich so, dass die Natur spürt, dass es langsam genug Alte auf unserem Globus gibt und sie uns deshalb Corona sandte. Nun ja, wir werden wissen mit Disziplin dagegen zu halten. Irgendwann werden wir uns impfen lassen. Aber wer weiss schon, wann wir den nächsten Überfall eines anderen Winzlings zu überstehen haben! Irgendwann wird sich die Natur diese Überforderung, wie sie heute leider breitflächig geschieht, vielleicht endgültig nicht mehr gefallen lassen. Ich bin weiss Gott kein Liebhaber von Weltuntergangsszenarien und auch kein Freund von Verschwörungstheorien – ganz im Gegenteil. Nichtsdestotrotz ist es vielleicht Zeit, dass uns ein Licht aufgeht und wir uns über einen Marschhalt Gedanken machen sollten. Dass wir darüber nachdenken sollten, unser Leben etwas genügsamer zu gestalten. Viele Jugendliche geben uns einen Fingerzeig indem sie Demonstrieren.

      Es gibt nicht wenige Menschen, welche die Zwangspause der Coronazeit als Wohltat wahrgenommen haben: Weniger Verkehr und Hektik auf den Strassen. Weniger Leute in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Keine Flugzeuge am Himmel. Mehr Zeit füreinander innerhalb der Familien im Guten und im weniger Guten. Denn natürlich gibt es hin und wieder auch Knatsch, wenn man gezwungen ist während einer längeren Periode nahe aufeinander geklebt zu leben. Es sind aussagekräftige Testphasen für die Beziehungen

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