Superorgan Mikrobiom. Dr. Nicole Schaenzler

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Superorgan Mikrobiom - Dr. Nicole Schaenzler

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Mikrobiom-Darm-Gehirn-Achse ist die Wissenschaft erst vor Kurzem auf die Spur gekommen. Seitdem wurden spektakuläre Hinweise gefunden, dass die Darmbakterien über diese Verbindung auch an der Entstehung von Erkrankungen beteiligt sein könnten, die wie Parkinson, Autismus oder multiple Sklerose bis dahin ausschließlich dem Gehirn zugeordnet wurden.

      Essenziell sind die Bewohner unseres Darms – und die Substanzen, die sie bei der Zerlegung der Nahrungsbestandteile bilden – für den Stoffwechsel. Ob wir schlank bleiben oder dick werden, ob wir an Typ-2-Diabetes oder an einem metabolischen Syndrom erkranken, könnte davon abhängen, welche Bakterienarten in unserem Darm das Sagen haben.

      Die Erkenntnisse und Empfehlungen, die wir Ihnen näherbringen möchten, beruhen auf wissenschaftlichen Studien von renommierten Forschungseinrichtungen. Allerdings: Der endgül-tige Beweis, die Langzeiterfahrung oder auch der Sprung vom Tierexperiment zur Studie mit Menschen stehen mitunter noch aus. Ebenso schwingt immer mal wieder die Henne-Ei-Frage mit: Was war zuerst da, die Veränderung im Darmmikrobiom, die zur Erkrankung geführt hat? Oder hat umgekehrt die Erkrankung unser Darmmikrobiom aus der Balance gebracht?

      Fest steht jedoch: Wer wie wir in einem Industriestaat lebt, muss sich besonders gut um das heterogene Völkchen in seinem Darm kümmern. Denn unsere typisch westliche Lebens- und Ernährungsweise schadet dem Darmmikrobiom – das ist inzwischen wissenschaftlich belegt.

      Was Sie tun können, um Ihre Darmbakterien zu stärken und zu schützen, erfahren Sie im letzten Kapitel dieses Buches. Etwas mehr Fürsorge für die Winzlinge lohnt sich – wir hoffen, Ihnen das mit diesem Buch deutlich zu machen. Ist Ihr Darmmikrobiom nämlich mit Ihnen im Einklang, ergibt sich jener Zustand, den wir Gesundheit nennen.

      Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!

      Nicole Schaenzler Florian Beigel

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      Der Mensch und sein Mikrobiom: Die perfekte Symbiose

      Der Mensch ist ein Individuum. Oder doch nicht? Fakt ist: Wir werden besiedelt. Unsere Mitbewohner sind jedoch so winzig, dass sie nur mit dem Mikroskop zu erkennen sind. Sie tummeln sich auf uns und in uns und pflegen rege symbiotische Beziehungen – nicht nur untereinander, sondern auch mit uns, ihrem Wirt und Lebensraum. Das heißt, wir sind alle aufeinander angewiesen. Für die moderne Mikrobiologie sind wir deshalb ein Meta-organismus, ein wandelndes Universum im Universum.

      DAS UNIVERSUM IM UNIVERSUM

      Auf jedem Quadratmillimeter der Haut und der Schleimhaut in Mund, Vagina und noch tiefer in uns drinnen, in Lunge oder Darm – überall wuseln Mikroben, allen voran Bakterien, aber auch Viren, Pilze und Archaeen, die auch »Urbakterien« genannt werden, weil sie den Bakterien ähnlich sind. Je nachdem, wo die Mikroben angesiedelt sind, bilden sie ihr eigenes Völkchen. Die Gemeinschaft im Mund ist also eine andere als die in der Achselhöhle, in der Nase oder im Magen.

      Wie eklig, werden Sie jetzt vielleicht denken. Aber nein! Unser Mikrobenreich ist existenziell wichtig für uns und unser Überleben! Diese Erkenntnis ist erst wenige Jahre alt. Und sie hat die medizinische Fachwelt schier überwältigt.

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      SIND WIR ALLE HOLOBIONTEN?

      Seitdem fest steht, dass wir Menschen – ebenso wie Tiere, Pflanzen und überhaupt alle Mehrzeller – mit unserer Mikroben-Gemeinschaft eine Einheit bilden, wird darüber diskutiert, was man künftig anstelle von »Individuum« sagen könnte. Die größten Chancen, sich durchzusetzen, scheint der Begriff »Holobiont« zu haben. Geprägt wurde er 1991 von der amerikanischen Biologin Lynn Margulis (1938–2011), die sich für ihre Neuschöpfung vom griechischen hólos (= ganz, vollständig) und bios (= Leben) inspirieren ließ.

      Überraschend ist es schon, dass wir erst jetzt davon erfahren. Wir wissen fast alles über die Erde und kennen so gut wie jedes ihrer Ökosysteme; wir haben den Mond besucht und den Mars besuchen lassen, wir versuchen seit Jahren herauszufinden, ob es auch auf anderen Planeten Leben gibt … Aber dass wir selbst optimale Lebensbedingungen für eine Vielzahl an winzigen Organismen bieten, haben wir übersehen. Jetzt jedoch bemühen sich Wissenschaftler auf der ganzen Welt fieberhaft, das Versäumte nachzuholen und die Wissenslücke zu schließen.

      Das körpereigene Ökosystem – ein Mikrobenreich

      Es gibt im Moment fast nichts, was unserer mikrobiellen Gemeinschaft nicht an Superlativen zugetraut wird. So hieß es zum Beispiel eine Zeit lang, dass mehr als 100 Billionen Mikroorganismen rund 30 Billionen Körperzellen gegenüberstehen. Die Zahlen gehen vermutlich auf eine Schätzung des Mikrobiologen Thomas Luckey in den 1970er-Jahren zurück; der Amerikaner ging sogar davon aus, dass es zehnmal mehr Mikroorganismen gibt als eigene Körperzellen. Inzwischen weiß man, dass das Verhältnis deutlich weniger spektakulär ausfällt, ja sogar mit 30 Billionen weitgehend ausgeglichen ist, wie die 2016 publizierte Neuberechnung einer israelisch-kanadischen Forschergruppe nahelegt.

      Imposant ist die Anzahl der von uns beherbergten Einzeller allemal, wobei längst noch nicht alle identifiziert sind. Aber es wird fieberhaft daran gearbeitet. Vor allem in den Labors der forschenden Biologen (Mikrobiologen, Molekularbiologen, Evolutionsbiologen …) und Mediziner (Immunologen, Gastroenterologen, Neurogastroenterologen …) ist gerade Gewaltiges im Gange. Und wirklich finden die Wissenschaftler fast jeden Tag neue Hinweise darauf, dass ein gutes Einvernehmen zwischen uns und unseren winzigen Mitbewohnern jenen Zustand ergibt, den wir Gesundheit nennen und der langes Leben verheißt.

      Wofür sind die Mikroben wichtig?

      Wie lebt es sich denn mit der Mikrobenschar? Tja, wie wohl? Vermutlich wissen Sie es nicht. Was unsere Mitbewohner genau für uns tun – und wie sie es tun –, bekommen wir eigentlich nicht mit. Eigentlich. In Wahrheit ist es nämlich so: Es gibt praktisch keinen Prozess in unserem Organismus, an dem die Winzlinge nicht in irgendeiner Form beteiligt sind. Es spricht sogar vieles dafür, dass sie nicht nur unseren Körper, sondern auch unser Seelenheil beeinflussen – zumindest die mikrobielle Gemeinschaft, die sich in unserem Darm tummelt. Vielleicht ist es ja, wie manche Wissenschaftler meinen, angemessen, von den Kleinst-lebewesen in und auf unserem Körper als einem Organ zu sprechen, das wie Herz oder Leber lebenswichtige Aufgaben erfüllt – und ohne das wir keine Minute lang lebensfähig wären.

      Man muss allerdings sagen: Das Ganze steckt noch in den Kinderschuhen. Es ist ja auch kaum länger als ein Jahrzehnt her, dass mithilfe neu entwickelter Analysemethoden erste Details über unsere Mitbewohner bekannt wurden – und so fast nebenbei der Weg für eine ganz neue Forschungsrichtung geebnet wurde. Das ist für den eher behäbigen Wissenschaftsbetrieb ein extrem kurzer Zeitraum. Und dies erklärt, weshalb vieles noch im Dunkeln oder zumindest im Halbdunkeln liegt – bis hin zu Antworten auf Grundsatzfragen wie: Sind all unsere wuselnden Untermieter gleichermaßen wichtig für uns? Wer von ihnen hält uns gesund, wer macht uns krank? Wie kommen wir überhaupt zu unseren Mikroben? Und vor allem: Lässt sich die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft von außen – und wenn ja, wie genau – zu unseren Gunsten beeinflussen?

      Hauptwohnsitz Darm

      Manches musste bereits widerrufen oder zumindest korrigiert werden. Anderes wie besagte Idee, dass wir mehr Mikroben beherbergen als Körperzellen, hält sich dagegen trotz des überzeugenden Widerspruchs weiterhin hartnäckig. Als sicher

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