Blickwinkel - die etwas andere Biografie. Roswitha Schreiner
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immer noch wie ein blinder Passagier,
der nicht entdeckt werden will.
Und sie spürt heute noch das kalte Metall der Klinke und das Gewicht der schweren Eisentür, durch die sie alle schreiten,
um dann mitten drin zu stehen.
Mitten drin?
Oder mitten drauf? Die große Bühne!
Leer,
gehüllt in dumpfer Stille,
Staubkörner tanzen im Scheinwerferlicht,
schwarze Vorhänge, die 20 Meter in die Höhe ragen,
gesäumt von rotem schwerem Samt an beiden Seiten.
Sie spürt die Anwesenheit von wispernden Geistern.
Längst verstorbene Schauspieler, die einst hier auf den Brettern standen.
Ihr ist, als würden diese sie in dem Moment auf ewig verzaubern. Hier gehört sie hin, das soll ihre Welt werden.
Mit der größten Selbstverständlichkeit der Welt,
von der sie kurz zuvor nichts geahnt hat,
verschluckt sie die Gewissheit, dass sie hier doch richtig ist.
Hier und nirgendwo sonst.
Sie beschließt Schauspielerin zu werden und ist es geworden.
4. Januar 2012
Wieder klappert Metall,
wieder fühle ich Eisen,
das des kalten Gestells des Bettes, in dem ich ausgeliefert liege.
Zum zweiten Mal in meinem Leben, soll auch dies der Auftakt zu etwas werden, wovon ich zuvor nicht die geringste Ahnung hatte. Der Chirurg bereitet den Eingriff vor.
Eine halbe Stunde später, erwischt mich wieder das selbe Gefühl, dass in meinem Leben etwas geschehen ist,
etwas, das mich irreversibel und neu bestimmen wird.
Für den Rest meines Lebens.
Umwerfend,
intensiv.
Glück pur.
Und ganz tief in meinem Herzen:
wieder diese Gewissheit, dass alles richtig ist!
So wie es ist.
Ich werde euch zwei immer lieben.
Man starrt auf die Zukunft und hofft,
dass sie besser wird.
Erst im Nachhinein erkennt man, dass
sogar im Schrecklichen noch Gutes lag.
Denn man hatte noch ein Stück
Lebenszeit vor sich.
C
Chance
Es gibt Chancen im Leben, die ergreift man.
Und die, die man verpasst, weil man versagt.
Und genau diese sind unwiederbringlich.
Gestern musste ich erneut wegen meiner Mutter weinen.
Der Rettungswagen nach Saarow fuhr an mir vorbei.
Schmerz ist abrufbar.
Die Sirene des Krankenwagens hat alle Erinnerungen wachgerufen.
Ich sehe mich wieder durch die Gänge des Krankenhauses laufen.
Ich suche die Intensivstation.
Meine Zwillinge im Buggy.
Sie sind gerade ein halbes Jahr alt und können im Buggy kaum sitzen.
Da wir aber in Indonesien keinen Kinderwagen brauchten, besitzen wir auch keinen.
Noch ahnen wir nicht, wie lange wir hier bleiben werden.
Die Kinder müssen vor der Tür warten.
Während ich in einen grünen Kittel steige und mich desinfiziere.
Aber es gab sie noch!
Meine Mutter.
Oder das, was mir der Tod noch nicht entrissen hatte.
Ihre glücklichen Augen, als sie mich sah.
Die Liebe zu mir war immer da.
Ihre ersten Schreibversuche nach dem Schlaganfall waren mein Name!
All das Wenige, war besser als das Nichts nach ihrem Tod. Und doch war es nur eine klägliche Verlängerung dessen, was längst vorbei war.
Ich war blind dafür.
Zwei Jahre lang dachte ich,
es könnte wieder aufwärts gehen, wenn man nur will.
Trotz aller Rückschläge.
Oberschenkelhalsbruch.
Offenes Bein.
Gefäßverengung.
Ich hoffte, alles würde wieder so wie früher.
Meine Mutter würde wieder durch ihren Garten laufen und Obst und Gemüse ernten und Herrin über ihre Wohnung und ihr Leben sein.
Die Amputation blockte ich ab und die Gefäßerweiterung glückte. Wieder Hoffnung.
Wieder war ich blind für die Möglichkeit, es könnte die Reise in den Abschied sein.
Mit dem Bewusstsein der Endlichkeit, die vor der Tür stand, hätte ich die Zeit anders genutzt.
1000 Fragen hätte ich noch gestellt.
Wie jemand, der einen anderen zum Zug begleitet
und weiß, derjenige wird gleich einsteigen und für immer fortfahren.
Nun ist es zu spät.
Diese Chance habe ich verpasst.
Stattdessen habe ich die Möglichkeit, meine Mutter könnte sterben, verdrängt.
Wieso