Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung. Alfred Bekker

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Kurze Morde, kurzer Prozess: Krimisammlung - Alfred Bekker

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Moment lang beschäftigte mich die Frage, wie unbeliebt ich hier eigentlich sein mochte, wo man mich doch nur selten zu Gesicht bekam. Ich musterte die alte Dame finster. Miss Mackleworth zog fröstelnd ihr Nachthemd fester um den ausgedörrten Leib.

      „Diesen Streuner wird sicherlich niemand vermissen, Miss Mackleworth. Und Leute, die ihm nachtrauern und sich mit ihm solidarisch erklären, könnte leicht ein ähnliches Schicksal treffen – was meinen Sie?“ Ich sah die alte Lady lauernd an.

      Doch entweder hielt sie von meiner Drohung nichts, oder sie war schon dermaßen verkalkt, dass sie sie gar nicht verstand.

      „Mr. Gordon war in der ganzen Straße beliebt“, spann sie ihren Faden fort. „Und er war alles andere als ein Streuner oder was immer Sie von ihm denken mochten, Mr. Hornig. Er war sauber, gepflegt und führte ein geregeltes Leben.“

      Geregelt nannte sie das, meiner armen Annie den Kopf zu verdrehen!° Was sollte ich bloß mit der hartnäckigen Alten machen? Wie konnte ich das Problem nur lösen? Vielleicht hatte sie schon zu viel gesehen, vielleicht konnte ich die Geschichte aber auch noch hinbiegen.

      „Sie müssen mir glauben, Miss Mackleworth“, beschwor ich sie deshalb, „es war ein Unfall! Niemand wollte Mr. Gordon etwas antun. Es war lediglich eine Verkettung unglücklicher Umstände. Ich war früher als beabsichtigt nachhause gekommen.“ Weil ich seit einiger Zeit einen gewissen Verdacht hegte! „Meine liebe Annie hatte sich schon schlafen gelegt.“ Weil ich ihr nämlich ein kleines Schlafpülverchen in den Abendtrunk gemixt hatte! „Plötzlich hörte ich ein Geräusch vor dem Haus. Ich muss die Haustür wohl etwas zu heftig aufgestoßen haben, und da…“

      Ach, sollte die Alte doch glauben, was sie wollte. Und man sah ihr an, dass sie meine Geschichte nicht glaubte. Ich setzte eine mitleiderregende Miene und fügte ganz unschuldsvoll hinzu: „Sie haben doch nicht etwa vor, die Sache der Polizei zu melden, Miss Mackleworth?“

      Sie blickte grimmig drein und nickte mehrmals mit ihren dünnen Vogelkopf. „Und ob ich das tun werde, Sie haben ihn ja auf dem Gewissen. Eine Anzeige ist da nur recht und billig!“

      Anzeige sagte sie, und lebenslänglich hörte ich heraus. Und auch sonst schien es bei uns mit der Kommunikation nicht so recht zu klappen. Meine Stirn war jetzt ebenso trocken wie meine Kehle. Und eiskalt noch dazu.

      Irgendwas musste jetzt geschehen. Und ich wusste mit einem Male auch, was. Ich griff zu meinem Spaten und stieg ganz langsam aus der Grube…

      Ich war gerade dabei, den Komposthaufen wieder über dem zugeschaufelten Doppelgrab aufzuschichten, in dem nun der Vorstadtcasanova neben der allzu neugierigen Lady seine letzte Ruhe gefunden hatte, als ich plötzlich ein Geräusch, so etwas wie ein Husten oder Krächzen hörte. Erschrocken fuhr ich herum und glaubte fast, dass mich der Schlag rühren müsste, denn: In ihr weißes Nachthemd gehüllt, mit Haarnetz und funkelnder Nickelbrille, stand die soeben beerdigte Miss Mackleworth erneut zwischen den Zypressensträuchern.

      „Aber… Sie sind doch… ich habe Sie doch eben...Miss Mackleworth?!“ stammelte ich heiser und fühlte mich von Grauen und Wahnsinn gleichermaßen gepackt.

      „Mrs. Walter, bitte!“ belehrte mich die geisterhafte Erscheinung kühl. „Ich bin Emilys… Miss Mackleworths Schwester!“

      Mir war in der Aufregung ganz entfallen, dass Miss Mackleworth nebenan ja nicht alleine wohnte. Kraftlos fiel mir der Spaten aus der Hand. Noch eine?! Nein, das ging über meine Kräfte. Das war ja eine eben so fatale wie verworrene Situation. Mir wollte im Moment nichts einfallen, deshalb fragte ich sie fast automatisch: „Was… was treiben Sie denn um diese Zeit in meinem Garten?“

      „Der Sergeant von der Polizeistation sagte, ich sollte Sie so lange beobachten, bis eine Streife hier eingetroffen sei… und das tat ich dann auch…“

      „Ihre Schwester… dann haben Sie also gesehen, wie…“

      Sie schien meine Bemerkung gar nicht wahrgenommen zu haben, denn sie fuhr fort: „Emily ging von uns beiden zuerst los, um Mr. Gordon zu suchen, der sonst immer spätestens um Mitternacht zurückkommt, weil er dann durstig ist und noch einmal seine Milch bekommt. Ich weiß nicht, wo Emily sich jetzt befindet, aber sie wird sicherlich wieder auftauchen. Mr. Gordon allerdings wird nicht mehr zurückkommen, denn Sie Scheusal von einem Nachbarn haben das arme Tier umgebracht und genau hier im Garten vergraben.“

      „Mr. Gordon ist – Ihr Kater?“ Mir klappte der Unterkiefer herunter. Mir wurde schwindlig, und das das Blut sauste in meinen Ohren.

      „Ganz recht, Mr. Hornig!“ hörte ich wie durch Watte.

      „Mr. Gordon ist unser Kater. Die ganze Freude unseres Alters. Aber ich wusste schon immer, dass Sie ihn nicht leiden konnten!“

      „Und Sie meinen, die Polizei wird hier graben, weil sie unter dem Komposthaufen Ihre Katze vermutet? - Aber hier liegt keine tote Katze, Mrs. Walter!“ schrie ich plötzlich laut durch die stille Nacht.

      „Das wird sich ja zeigen“, meinte sie ungerührt. „Um so besser für Sie, wenn da keine liegt.“

      Sie musste es ja wissen. In der Ferne heulte eine Polizeisirene. Mir war plötzlich hundeelend zumute.

      „Diesmal sind Sie zu weit gegangen, Mr. Hornig, auch wenn es nur eine Katze war. Töten ist strafbar, und sie war unser Eigentum. Die Polizei wird sie als Beweisstück benötigen. Lassen Sie also den Spaten besser gleich hier…“

      ENDE

      Kleiner Druckfehler

      Reiner Frank Hornig

      „United States of Amelica?“

      Erneut hob ich die Zehn-Dollar-Scheine gegen das Licht und betrachtete sie ungläubig. In meiner Stellung als Empfangschef des ‚Royal Hotel‘ hatte ich im Laufe der Jahre schon so manche Blüte in die Hand gedrückt bekommen. Aber diese hier übertraf sogar fast eine 4 1/2-Dollar-Münze.

      „Ja, Amelica“, nickte mir Larry Koenig zu, der damit gerade seine tägliche Getränkerechnung bezahlen wollte. „Kleiner Druckfehler“, fügte er dann erklärend hinzu und war sehr bemüht, einen unschuldigen Gesichtsausdruck zu mimen. „Die im staatlichen Münzamt müssen wohl neuerdings einen Chinesen eingestellt haben! Sie wissen ja, Hornig, wie diese Gastarbeiter langsam überhand nehmen, dabei ist das nicht einmal so verwunderlich.“

      Hier machte er eine kurze Pause und zwinkerte einer gerade vorbeikommenden blonden Schönheit zu. „Bedauerlicherweise kommen immer mehr und mehr Amerikaner vom Ideal einer anständigen und geregelten Arbeit ab.“

      Mein Kompliment! Irgendwie brachte er es fertig, bei soviel Selbstironie keine Spur von rot zu werden.

      „Aber bei der heutigen galoppierenden Inflation stört sich längst kein Mensch mehr an solchen Schönheitsfehlern“, schloss er mit einem kurzen Nicken auf die Banknoten in meinen Händen.

      „Hier in New York schon gar nicht. Und solange wenigstens das Wasserzeichen okay ist… Ich bin mir ganz sicher, dass Sie damit auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen werden, Hornig.“

      Womit er natürlich meinte, ich würde die dreißig Dollars wohl oder übel aus meiner eigenen Börse ersetzen müssen. Unser Hauptkassierer war da genau. Mit einem öligen Lächeln auf den Lippen nickte er mir ein letztes Mal zu und verschwand dann im Fahrstuhl.

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