Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens
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So sprach der Förster; die Försterin sagte gerührt: »Ja, Kinder, das wollen wir! Das schöne Gemälde, das Anton uns schickte, ist das schönste Weihnachtsgeschenk, das Anton oder irgend ein Mensch – ja selbst ein Fürst! – uns hätte machen können. Die Andacht, mit der Ihr die frommen Bemerkungen eures Vaters angehört habt, ist die schönste Weihnachtsfeier, mit der wir den heiligen Abend feiern können. Wir wollen das Heil, das und Gott durch den neugebornen Heiland bereitete, dankbar annehmen. Dann ist der Geburtstag des Erlösers auch der Geburtstag unsers Heils.«
Siebentes Kapitel
Widerwärtige Schicksale
des Försters
Der treffliche Förster hatte mit den Seinigen seit Antons Abreise mehrere Jahre in Ruhe und Zufriedenheit verlebt. Seine Kinder waren erwachsen; der Sohn ein rüstiger junger Mann, die Töchter blühende Jungfrauen; alle sehr gut erzogen und von untadelhafter Aufführung. Allmählich empfand der gute Vater aber die Beschwerden des herannahenden Alters. Er ward darauf bedacht, seinen Dienst dem Sohne abzutreten. Der Fürst des Landes besuchte jährlich im Herbste auf einige Tage das fürstliche Jagdschloß Felseck; denn die Jagd war ihm bei seinen vielen Geschäften immer einige Erholung. Er war ein sehr leutseliger Herr; jeden seiner Untertanen, auch den geringsten, hörte er liebreich an und redete freundlich mit ihm. Als der Fürst wieder auf dem Jagdschlosse angekommen, und die Jagd in dem Walde des alten Försters besonders gut ausgefallen war, näherte sich ihm der Fürst, klopfte ihm sehr zufrieden auf die Schulter und sagte: »Nun wie geht’s, mein lieber Förster?«
»Eure Durchlaucht«, sprach der Förster, »diesen alten Schultern will die Last des Tages zu schwer werden; ich wünsche sie jüngern Schultern übertragen zu dürfen.« »Nun«, sprach der Fürst, »doch wohl Eurem Sohne, dem Christian dort? Er ist ein braver Jäger, und, was ich ohne Vergleich mehr schätze, ein sehr guter Forstmann. Die Waldungen sind, wie ich auf der Jagd gar wohl bemerkte, im besten Zustande. Verlaßt Euch darauf, kein anderer bekommt den Dienst. Er mag ihn auch einstweilen versehen. Indes ist mir’s lieb, wenn Ihr noch eine Zeit die Oberaufsicht und den Förstertitel beibehaltet. Auch die besten jungen Leute werden leicht übermütig und nachlässig, wenn ihr Rockkragen zu frühe mit goldenen Börtchen verbrämt wird. Es ist mein und euer Vorteil, wenn Ihr noch eine Zeit Förster bleibt.«
Der Förster bezeigte dem Fürsten für die gnädige Zusicherung seinen Dank, und sagte dann: »Es ist aber noch ein anderer Umstand dabei. Mein Sohn könnte sich eben jetzt gut verheiraten – mit der Tochter meines Jugendfreundes, des längst verstorbenen Försters Busch. Das Mädchen hat erst kürzlich auch ihre Mutter verloren und weiß nun nicht wohin. Sie ist arm – aber sehr fromm, fleißig und die lautere Unschuld, Güte und Bescheidenheit.« »Nun wohl«, sprach der Fürst; »ich lobe es sehr, daß ein braver Mann bei seiner Wahl mehr auf Unschuld und Tugend, als Geld und Gut sehe. Ich gebe ihm die Erlaubnis zu heiraten mit Vergnügen – und die Anwartschaft auf den Försterdienst dazu. Ich werde sogleich Befehl geben, damit das Dekret ausgefertigt werde.«
Der Förstersohn, der voll banger Erwartung in einiger Entfernung stand, kam auf den Wink seines Vaters herbei, und dankte dem Fürsten. Die Heirat kam zu stande. Mit der jungen sanften Frau kam neuer Segen in das Haus; Friede und Eintracht wohnten unter dem Dache des guten Försters. Dem alten Manne wurde noch die Freude, seine Enkel auf seinem Schoße zu sehen, und die alte Försterin wurde wie verjüngt, nun ihre kleinen Enkel pflegen und tragen zu können. Die Töchter des Hauses lebten mit der jungen Försterin wie mit einer Schwester. Alle waren sehr glücklich.
Allein bald kam über dieses glückliche Haus eine große Widerwärtigkeit. Sie entspann sich aus einer alten Geschichte, die der alte Förster beinahe vergessen hatte. Jener junge Herr von Schilf, der ehemals mit dem Förster auf die Jagd gegangen war, hatte bald darauf sich herausgenommen, allein und ohne Erlaubnis des Försters in den Wald zu gehen, und alles, was ihm zu Gesicht kam, ohne Erbarmen niederzuschießen. Der Förster traf ihn im Walde und sagte: »Das Wildschießen ist sehr strenge verboten. Haben Sie, mein lieber junger Herr, Lust zur Jagd, so kommen Sie, wie bisher, zu mir. Ich nehme Sie dann gern mit mir, und weise Ihnen die besten Plätze an, wo Sie dann nach Herzenslust schießen können. Allein das darf ich nicht zugeben, daß Sie eigenmächtig in dem mir anvertrauten Forste schalten und walten.«
Wer aber nach wie vor auf die Jagd ging, war der junge Herr. Der Förster traf ihn wieder, nahm ihm das Gewehr und sagte: »Gott weiß es, ich tu’ es ungern. Allein ich muß. Die Befehle sind streng; ich kann nicht anders. Wenn ich Sie nochmals treffe, muß ich weitere Anzeige machen, und dann – geht es Ihnen nicht gut.« Der brave Förster ging überdies noch zu dem alten Herrn von Schilf und bat ihn, dem jungen Herrn das Jagen zu verbieten. Der alte Herr ließ zwar sonst seinem Sohne alles hingehen. Allein diesesmal ward er doch sehr aufgebracht; er fürchtete die fürstliche Ungnade. Er drohte seinem Sohne mit der Enterbung, wenn er noch ein einziges Mal auf die Jagd gehen würde; es sei denn, der Förster gehe mit ihm. Allein der junge Herr war es schon gewohnt, seinem Vater nicht zu gehorchen. Bald darauf hörte der Förster einen Schuß, eilte hin und traf den jungen Herrn bei einem erlegten Hirsch. Der Förster machte die Anzeige. Der alte Herr von Schilf reiste selbst zum Fürsten und flehte um Gnade. Der Fürst sagte: »Nach den Gesetzen sollte der junge Herr in das Zuchthaus wandern. Ich will ihn zwar begnadigen; allein läßt er sich noch einmal treffen, so schicke ich ihn sicher dahin – und da begreifen Sie wohl, daß ich mir einmal keinen Rat oder andern Diener aus dem Zuchthause nehmen kann.« Die Sache wurde so beigelegt. Der junge Herr von Schilf faßte aber einen grimmigen Haß gegen den ehrlichen Förster und glühte, wiewohl indes viele Jahre verflossen waren, noch immer von Rache gegen ihn. Jetzt starb nach einer Krankheit von wenigen Tagen der Fürst; der Erbprinz war noch minderjährig und befand sich eben auf Reisen. Es wurde eine Vormundschaft angeordnet, und in dem Lande ging manche Veränderung vor. Der junge Herr von Schilf, der sehr reich war und angesehene Verwandte hatte, wurde Oberförster. Mit großer Pracht zog er in das fürstliche Jagdschloß Felseck ein, von dem ihm ein Teil zur Wohnung angewiesen wurde. Er war nunmehr der Vorgesetzte des guten Försters, und quälte den alten Mann unsäglich. Des Tadelns war kein Ende. Der Förster konnte ihm nichts recht machen.
Der Erbprinz hatte zwar kürzlich die Regierung angetreten. Allein der Oberförster von Schilf, der sehr abgeschliffen, gewandt und beredt war, wußte den obersten Forstmeister, der bei dem neuen Fürsten sehr viel galt, ganz für sich einzunehmen, und ward nun gegen den guten Förster noch übermütiger und feindseliger, als zuvor. »Ihr taugt nicht mehr zum Dienste«, sagte er einmal zu ihm; »ich werde darauf antragen, einen brauchbareren Mann für den schönen Forst zu bekommen.« Der Förster sagte: »Herzlich gern lege ich mein Amt nieder. Ich hätte es schon längst getan, wenn der hochselige Fürst es zugegeben hätte. Es ist also mein Sohn Förster.« »Das wäre«, sagte Herr von Schilf höhnisch lächelnd. »Da müßte ich auch etwas davon wissen.« Der Förster berief sich auf jenes fürstliche Dekret, dem zufolge sein Sohn geheiratet hatte. »Pah«, rief Herr von Schilf, »ich kenne es wohl.« Er wußte es sehr künstlich auszulegen. »Es ist«, sagte er, »bloß ein Versprechen auf Wohlverhalten; nichts weiter. Der Junge taugt aber nichts. Ich werde meinen Mann besser zu wählen wissen.«
Der alte, graue Förster bemühte sich vergebens, eine Träne zu verhehlen und sagte: »Seien Sie nicht ungerecht, Herr Oberförster! Sie glaubten sich einmal von mir beleidigt. Deshalb sollten Sie sich zweifach in acht nehmen, mir wehe zu tun.« »Was«, rief Herr von Schilf, und seine Augen funkelten von Zorn: »Ihr selbst erinnert mich an Eure Grobheiten; Ihr selbst mahnt mich daran, daß Ihr mir mein einziges Jugendvergnügen geraubt und mich bei Hofe angeschwärzt habt. Ihr seid ein ungeschliffener, übermütiger Kerl. Von jeher hattet Ihr keine Achtung für höhere Stände, und hieltet Euch nur an Bettelgesindel. Eurem Sohne habt Ihr gestattet, ein Mädchen ohne Heller und Pfennig, eine wahre Bettlerin zum Weibe zu nehmen. Euer hübsches Vermögen habt Ihr an den Bettelbuben, den Anton, weggeworfen. Ihr wußtet Euer eignes Vermögen nicht zu verwalten, wie solltet Ihr fremdes Eigentum und das Interesse des Fürsten gut besorgen? Geht, geht, mit Euch ist nichts anzufangen. Ich hoffe, wir