Gesammelte Weihnachtsgeschichten. Charles Dickens
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Die Eltern und Großeltern dankten nun dem Anton für die viele Freude, die er ihren Kindern und Enkeln gemacht hatte. »Es ist eine Kleinigkeit«, sagte er, »die nicht der Rede wert ist. Indes muß ich Sie bitten, daß auch Sie einige kleine Weihnachtsgeschenke von mir nicht verschmähen.« Er schloß seinen Koffer auf, der in einer Ecke der Stube stand. »Diesen Koffer«, sagte er, »haben Sie mir einst reichlich gefüllt mit auf die Reise gegeben, es ist nicht mehr als billig, daß Sie ihn nicht ganz leere wieder zurück erhalten.« Er überreichte der alten Försterin kostbares Pelzwerk und Seidenzeug. »Es ist ja die Pflicht guter Kinder«, sagte er, »ihre alten Eltern bei der rauhen Jahreszeit warm zu erhalten.« Der jungen Frau und den zwei Jungfrauen gab er grünen Taft zu Kleidern, seidene Halstücher aus Mailand und andern Frauenzimmerputz. Der junge Förster bekam eine vortreffliche Doppelflinte, deren Schaft von Nußbaumholz sehr schön mit Silber eingelegt war. »Sie liebster Vater«, sagte Anton zu dem alten Förster, »müssen nun nicht mehr auf die Jagd gehen; Sie müssen nun von Ihren vielen Beschwerden ausruhen. Sie brauchen Stärkung in Ihren alten Tagen. Der Korb dort ist mit Flaschen vom besten alten Rheinwein gefüllt. Und hier ist ein Becher dazu.« Anton überreichte ihm einen silbernen Becher, der innen prächtig vergoldet war. Außen auf dem Becher waren in einem Kranze von Eichenlaub die Worte eingegraben: »Meinem lieben Vater Friedrich Grünewald zur Erinnerung an den Weihnachtsabend 1740, überreicht am Weihnachtsfeste 1760 von dessen dankbarem Sohne Anton Kroner.« Der alte Förster umarmte Anton mit Tränen in den Augen. Allein Anton übergab ihm überdies noch eine Rolle Gold. »Sie, liebster Vater«, sagte er, »haben große Summen auf mich verwendet. Es wäre nicht recht, wenn Ihre übrigen Kinder und Ihre Enkel dadurch sollten verkürzt werden.« Der edle Greis erstaunte und wollte das Geschenk nicht nehmen. Allein Anton sagte: »Es ist nichts weniger als ein Geschenk von mir. Der gnädigste Fürst hat mich so reichlich beschenkt, und sein Geschenk freute mich zweifach, weil ich dadurch instandgesetzt wurde, Ihnen an einer alten Schuld, die ich nie werde bezahlen können, wenigstens einiges abzutragen.« Alle Umstehenden waren höchst erstaunt. Die alte Försterin aber sagte: »Ach Anton, wie hätten wir an jenem Weihnachtsabende, an dem du das erste Mal in unser Haus kamst, denken können, daß du uns dereinst einen so fröhlichen Weihnachtsabend bereiten, uns durch die Verwendung bei Seiner fürstlichen Durchlaucht aus so großer Not retten und uns alles, was wir an dir taten, so reichlich vergelten würdest!« »Das hat Gott getan«, sprach Anton. »Er führte mich in Ihr Haus, um Sie und mich reichlich zu segnen. Sein Name sei gepriesen.«
»Doch«, sprach jetzt Anton, »erlauben Sie nun, daß ich sogleich abreise.« »Was, wie, warum?« riefen alle. Allein Anton sagte: »Ich fahre jetzt zu Herrn Riedinger. Ich hoffe dort noch dem Gottesdienste beiwohnen zu können, meinem vortrefflichen Lehrmeister durch meinen Besuch eine unerwartete Freude zu machen, und ihn morgen abends hieher zu bringen. Dann wollen wir die übrigen Weihnachtsfeiertage, ja alle Tage des noch übrigen Jahres recht fröhlich beschließen.« Alle begleiteten Anton an die Kutsche. Am Abende des andern Tages kam Anton mit seinem Lehrmeister an, und das alte Försterhaus in dem düstern Walde beherbergte in diesen Tagen so selige Menschen, als je auf Erden gelebt haben.
Was von Antons Geschichte noch weiter bemerkt zu werden verdiente, ist kurz dieses. Anton bat den alten Förster und dessen Hausfrau, ihm ihre Tochter Luise zur Ehe zu geben. Beide bewilligten es mit Freuden. »Ach Luise«, sprach die alte Großmutter, »damals, als du dem Anton jenes Äpfelein zum Weihnachtsgeschenke gegeben hast, dachte ich wohl nicht daran, daß er dich dereinst als seine Braut zum Altare führe würde.« Das Hochzeitsfest war ein so freudiges Fest, als je eines in dem Försterhause gefeiert wurde. Anton aber kaufte sich in der Residenz ein eigenes Haus, hatte als ein sehr geschätzter Maler immer sehr viel zu malen, und lebte mit Luise in der seligsten Eintracht.
Im folgenden Frühlinge kam der Fürst ganz unerwartet auf dem fürstlichen Jagdschlosse Felseck an, und brachte den alten Forstrat Müller und einen auswärtigen forstverständigen Mann mit sich. Der Oberförster war sehr bestürzt und versprach sich von diesem gnädigen Besuche wenig Gutes. »Sie haben meine Befehle überschritten«, sagte der Fürst zu ihm. »Ich hatte zwar, durch Ihre Berichte verleitet, den alten Förster seiner Geschäfte überhoben, und war Willens, den jungen Förster auf einen sehr geringen Försterdienst zu versetzen; allein die ganze Familie so unmenschlich aus dem Forsthause zu verstoßen, wie Sie es im Sinne hatten, war nie mein Wille. – Doch wir wollen vorerst die Waldungen in Augenschein nehmen.«
Des Oberförsters eigener Bezirk befand sich in einem kläglichen Zustande. »Auf den Papieren, die er einschickte«, sprach der Fürst, »fand ich alles vortrefflich. Da war alles so schön geschrieben und liniert, wie gestochen. Allein im Walde finde ich es anders. Auf manchem Platze ist offenbar ohne Vergleich mehr Holz gestanden, als in den Rechnungen steht. Der Mensch hat mich abscheulich betrogen.« Der Oberförster hatte, wie sich’s in der Folge zeigte, an eine benachbarte Eisenschmelze nach und nach einige tausend Klafter Holz mehr abgegeben, als er in Rechnung brachte. Er hatte, um seinen großen, beinahe fürstlichen Aufwand zu bestreiten, nicht nur sein eigenes Vermögen verschwendet und sich in Schulden gesteckt, sondern sich überdies noch Untreue gegen seinen Fürsten erlaubt. Der Fürst setzte ihn ab, und verurteilte ihn, den Schaden zu vergüten. Der arme Herr von Schilf lebte von nun an auf seinem kleinen, überschuldeten Landgute in sehr dürftigen Umständen.
Den Waldbezirk des alten Försters fand der Fürst im trefflichsten Zustande. Er kam in eigener Person zu ihm in das Haus, bezeigte dem alten Manne seine Zufriedenheit, ließ sich dessen ganze Familie vorstellen und redete mit allen sehr freundlich. Bevor er seinen Schimmel bestieg, den ein Reitknecht vor dem Försterhause am Zaume hielt, sagte er zu dem Förstersohne: »Er ist hiemit Förster; mache Er seine Sache ferner so gut!« »Sie«, sprach der Fürst zu dem alten Förster, »sind nun wohl etwas alt, aber noch lange nicht der abgelebte Greis, für den Herr von Schilf Sie ausgab. Sie sind trotz Ihres Alters noch sehr wohl bei Kräften; ich kann Sie meiner Dienst noch nicht entlassen. Sie werden mich verstehen, wenn ich Ihnen sage: Leben Sie wohl, Herr Oberförster.«
Max Necke (Hg.)
Deutsches Weihnachtsbuch.
Erzählungen und Märchen
ISBN: 978-3-95855-480-1
fabula Verlag Hamburg, 2017
Covergestaltung: Annelie Lamers
Coverbild: designed by freepik.com
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