IMMER AUSSCHLAFEN IST AUCH KEINE LÖSUNG. Axel Beyer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу IMMER AUSSCHLAFEN IST AUCH KEINE LÖSUNG - Axel Beyer страница 4
Aber gut. Bereits erwähnte Freundin und ich machten die Thalasso Diät. Das bedeutet baden und Gymnastik im Meerwasser, gut – das lasse ich mir gefallen. Allerdings auch nur Mineralwasser trinken – das versaute mir den Aufenthalt schon eher. Zu essen gab es nur Eiweiß und Gemüse, keine Kohlehydrate. Vor allem kein rotes Fleisch. Na, herzlichen Glückwunsch!
Zur Begrüßung gab es einen großen Berg Austern und Krebse. Einen Fisch hätte ich freudig umarmt, aber Austern mag ich nur gepaart mit der Zusage, dass sich innerhalb der Schale eine Perle befindet. Sonst kann diese Muschel meinetwegen die Schale geschlossen halten. Und Krebs ist mir schon als Sternzeichen eher fremd. Ein Königreich für eine Scheibe Brot!
So ging es über Tage. Manchmal kam man wegen des vielen Wassers um einen rum und in einem drin kaum vom Klo runter, aber was sollte es – man versäumte ja nix. Schon gar nicht beim Essen. Bereits nach wenigen Tagen schien uns das ganze Hotel nach frischem Weißbrot zu duften und im Dämmerlicht schwebte irisierend ein Glas Rotwein vor meinen Augen. Aber wir hielten durch und wurden durch purzelnde Pfunde belohnt. Kurzfristig. Unnötig zu erwähnen, dass es nur Wochen dauerte, bis die Waage sich wieder auf Vorkriegsniveau einpegelte.
Aber werden Menschen nun aus solchen Desastern klug? Nein – jedenfalls nicht alle. Schon etliche Kilo später kam meine andere gute Freundin (ja, ich habe mehrere – trotz der Diäterfahrungen) mit einem ganz neuen Mittel an. Das würde in einer Praxis intramuskulär gespritzt und befeuere geradezu den Fettabbau. Ich wusste zwar nicht genau welches Fett sie da angeblich bei mir gesehen haben wollte, aber da sie so enthusiastisch wirkte, schlug ich abermals ein.
Auch hier gab es mehr Vorschriften dazu, was man alles NICHT zu sich nehmen durfte, als auf der Positiv-Liste zu finden waren. Darunter diesmal positiv ganz viel rotes Fleisch, was diese Idee schon mal um Längen vor Thalasso brachte. Jeden Tag wurde man gepiekt und mit fettabbauender Lösung erfreut. Und wenn man mehr als 5 Kilo abnahm, dann ertönte eine Glocke im ganzen Sp(r)itzeninstitut.
Selbst ich brachte es zum Glockenklang, erstaunlicherweise. Hätte nie gedacht, dass ich so ohne gesundheitliche Risiken einfach 5 Kilo entbehren könnte. „Ich hab mich so an dich gewöhnt…“ – Gut, auch hier setzte diese Gewöhnung schneller wieder ein, als gedacht. Man nennt das den Jojo-Effekt, wahrscheinlich weil sich jeder denkt: „jo, jo!“
Zu einer dritten Diät war meine Freundin dann zwar fest entschlossen, aber dazu kam es dann nicht mehr, weil besagte Freundin und ich zwar nochmal eine Thalasso -Kur machten, das Hotel allerdings dann (in ihren Augen) den Fehler hatte, auch ein „normales“ Buffet beim Essen anzubieten. Und nun raten Sie, wer das kalorienreduzierte Angebot mied und stattdessen bei den Köstlichkeiten des Landes zulangte? – Alle!
Also ich habe wirklich nichts gegen Diäten – solange ich sie nicht machen muss. Und im Alter dürfen ein paar Rundungen schon sein, da zeigt man doch, dass man gelebt hat. Und noch lebt. Wer will schon verhärmt aussehen – also ich bin KILO-meterweit weit davon entfernt. Abnehmen kann man dann in der Gruft, da kommt das von allein. Nein, für Diäten habe ich keine Zeit mehr.
Essen kann etwas so Schönes sein, wozu also soll man sich das versagen? Und wenn man uns Vorschriften machen will, was wir zu essen haben und was wir künftig sein lassen sollen, dann antworten wir ab jetzt: Wir sind alt genug! Und wir wissen, was uns schmeckt. Und niemand soll uns mehr Vorschriften machen.
Und damit haben wir verdammt recht!
EHRLICH? – NATÜRLICH!
Viele Menschen sind sicher der richtigen Meinung, dass Sie als der/die Ältere über ein hohes Maß an Lebenserfahrung verfügen – und das ist nach so vielen Jahren beruflicher Tätigkeit oder in Kenntnis so vieler unterschiedlicher Menschen sicher nicht ganz falsch. Und davon würde Manche/r gern profitieren und fragt Sie deshalb nach Ihrer Einschätzung zu bestimmten Fragen, Themen oder Problemen. Natürlich fühlen Sie sich da ein wenig geschmeichelt und sagen selbstverständlich zu, ehrlich zu antworten.
Tun Sie das nicht.
Niemals!
Wenn Sie sich für den Rest Ihres Lebens noch ein paar Freunde erhalten wollen, dann nutzen Sie Ihre Lebenserfahrung und sagen Sie das, wovon Sie wissen, dass Ihre Bekannten es eigentlich hören wollen. Man muss ja nicht lügen – nur eben „corriger la fortune“, wie Lessing es in seiner „Minna von Barnhelm“ genannt hat.
Eine Freundin von mir sagte mir neulich, dass sie sich für die dritte Lebenshälfte nur eines wünsche: in Ruhe gelassen zu werden. Da gäbe es dann ein probates Mittel: Immer schonungslos die Wahrheit sagen. Binnen kurzem fragt einen dann keiner mehr, und man hat seine Ruhe. Klingt allerdings nach Friedhofsruhe.
Nein, nein – die Wahrheit lässt sich auf so viele Arten versteckt kundtun, ohne dass man verletzen muss oder jemanden vor den Kopf stößt. Man kann natürlich eine Freundin, die einem das neue Kleid vorführt, ernsthaft fragen: „Sag mal, hatten die das nicht auch in deiner Größe?“ Aber wem hilft das? Besser sagt man also: „Hey, hätte ich mir nicht vorstellen können, aber die Farbe steht dir wirklich ganz ausgezeichnet!“
Gut, bei Schwarz gilt das nicht, da muss man dann eine andere Ausrede finden. „Tolle Herbstfarbe“ oder so. Gerade nochmal die Kurve gekriegt!
Wie ehrlich man wirklich sein darf, das kann man mit etwas Lebenserfahrung schon an der eigentlichen Fragestellung selbst erkennen. Wenn jemand sagt: „Aber sag mir bitte wirklich deine ehrliche Meinung!“ - Und man fragt zurück: „wirklich?“
Dann achte man auf die Antwort. Je mehr entrüstete verbale Ausrufezeichen das folgende „Natürlich!“ hat, umso mehr muss man sich mit Ehrlichkeit zurückhalten.
„Ehrlich währt am längsten“ – dass ich nicht lache. Für Bekanntschaften gilt das jedenfalls nicht. Machen Sie Komplimente, und Sie werden Freunde finden. Und da kann man nicht dick genug auftragen – fand jedenfalls schon Kurt Tucholsky. Wir sind nun mal für Schmeicheleien empfänglich und am allermeisten sind es diejenigen, die das am lautstärksten entrüstet zurückweisen.
Natürlich gibt es auch regionale Unterschiede. Wenn Sie beispielsweise in Hamburg auf die Frage „Wie war es?“ mit „Nett!“ antworten, dann müssen Sie sich auf eine Beleidigungsklage gefasst machen.
Und wenn in Westfalen ein Gast nach dem Essen auf die Frage, ob es geschmeckt habe, antwortet: „Kannste wieder machen!“, dann ist das die höchste Stufe des Lobes und bedeutet gleich mindestens einen Stern auf der Kochmütze.
Oder im Urlaub– fragen Sie doch mal Ihre Ex-Kollegen „Wie war‘s?“. Die Antwort lautet immer: total super. Das Hotel? Total super! Das Essen? Total super! Das Wetter? Total super! – Dabei wissen Sie ganz genau, dass es tagelang geregnet hat, schließlich haben Sie selbst anfangs voll Neid, später voll Schadenfreude täglich den Wetterbericht über die Kanaren gesehen.
Und in der Politik? Als 2015 viele Geflüchtete kamen, da sagte die Kanzlerin nicht: Ui, das wird eng! – Nein, sie sagte: Wir schaffen das! Und die Einzige die am Ende ehrlich geschafft wirkte, war sie schließlich selbst. Man kann eben nicht immer total ehrlich sein.
Aber was ist in der Partnerschaft? Zumindest gegenüber der Partnerin oder dem Partner muss man doch ehrlich sein, oder? – Sagen wir mal so – in der dritten Lebenshälfte sind Sie doch sicher nicht frisch verliebt oder jung verheiratet, oder? Also, Sie kennen doch Ihren Lebenssternchengefährten. Na also! Und dann fragen Sie noch? Ehrlich?
Wenn