Mein Haus - eine Burleske. Peter Hesselbein

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Mein Haus - eine Burleske - Peter Hesselbein

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wer da will, mir läge diese Deutung nicht so präsent, mir fielen da ganz andere Muster ein). Als sehenswert empfindet man das aber vorwiegend dann, wenn es sich um Menschenfleisch handelt. Bei Tieren verhält es sich höchstens ambivalent, möchte ich meinen; sicher sind diese exotischen Exemplare von Nacktkatzen und Nackthunden den meisten Menschen eher unangenehm und Nacktschnecken ekelig.7 Schon der nackte Hals des Geiers lässt uns erschauern. Auch liebt man nackte Jungmäuse, -ratten, -vögel nicht sehr. Immerhin wecken sie bei manchen noch Beschützerinstinkte. Bezieht man den Begriff aber auf ein Zimmer, eine Wand, eine Fassade wie in unserem Falle, auf einen Wald oder anderes Landschaftliches (was etwas weithergeholt klänge, höchstens zulässig bei Schlucht8 oder Kluft oder Fels – aber da liegt einem ja schon wieder die Fels-Wand auf der Zunge), auf das Entsetzen natürlich9, auf Armut oder dergleichen ohnehin negativ besetzte Wörter (es war einmal eine Zeit, da gab ›Armut‹ eine wünschenswerte Orientierung an, und zwar nicht einmal nur für Mönche, man stelle sich vor), so steht es nicht mehr so sexy um dieses Wort, da verliert es jede Attraktion, da haftet ihm sogar etwas Höllenmäßiges an, im schlimmsten Falle natürlich. Aber in diesem trifft’s, man könnte auch von ›bloß‹ sprechen, wenn nicht dieses Wort seines ursprünglichen Sinns allmählich verlustig gegangen wäre. Nackt und bloß (ja, so klingt’s wieder) wirkt die Fassade, von schlichter Einfachheit kann aber gar nicht die Rede sein, es mangelt mindestens an etwas oder sogar an mancherlei.

      Hundeköttel habe ich gesagt; das gehört ursächlich nicht zur Fassade, ergänzt sie aber sozusagen, indem es – oder sie? – den dazugehörigen Gehsteig, Fußweg, Bürgersteig – auch ein etwas aus dem Gebrauch gekommenes Vokabelchen (als ob es keine Bürger mehr gäbe. Aber vielleicht gibt es ja wirklich keine Bürger10 mehr?) –, das Trottoir eben, bedeckt, wenngleich nicht vollständig, so doch sichtbar und auch, das muss betont werden, störend, das bringt mich auf ein wichtiges und vielleicht sogar interessantes Thema. Warum nimmt der Mensch Hundeköttel als Verunreinigung wahr? (Sogar Hundehalter wären hier erstaunlicherweise zu subsumieren; mein Erstaunen bezieht sich in diesem Falle auf ihre diesbezügliche Rolle und Wahrnehmung dieser Fäkalien trotz eigener Teilbetroffenheit, nicht auf ihr Sein als Menschen, es soll also nicht irgend etwas abschließend Vernichtendes über die Gruppe der Hundebesitzer ausgesagt werden.) Vielleicht hat sich bei den Hundebesitzern aber auch eine selektive Wahrnehmung herausgebildet, vielleicht schätzen sie nur das Liegenlassen beim Tier anderer Leute weniger, aber durchaus beim eigenen? So sie es nicht schätzen, so tolerierten sie es doch? Warum sieht und riecht er (der Mensch jetzt wieder) diese Hinterlassenschaften mit einem solchen Ekel, ja Abscheu? Verfolgt (jetzt ist wieder der Mensch allgemein gemeint, Hundebesitzer höchstens inbegriffen) das Herumliegenlassen mit Strafen oder droht diese zumindest so häufig an? Begegnet er doch Pferdeäpfeln und Rinderdung, auch Karnickellosung mit so ganz anderer Emotionalität und offenbar geringerem, vielleicht sogar mangelhaft ausgeprägtem Regulierungsbedürfnis. Man mag einwenden, dass in unseren Städten ein zahlenmäßig außerordentlich verschobenes Verhältnis zwischen diesen Kotarten bestehe und die Schwerpunktsetzung so gerechtfertigt wenn nicht geboten erscheinen lassen möchte (ganz anders als auf dem imaginären Bauernhof mit aller Art Getier und allerhand Scheiße, den es vielleicht einmal gegeben hat aber nicht mehr gibt, oder höchstens noch in Gestalt von geschmackvoll bemaltem hölzernem Kinderspielzeug), aber das trifft es – so vermute ich – auch wieder nur teilweise. Ich denke vielmehr, dass den Menschen die so unmittelbar spürbare Ähnlichkeit seines eigenen Auswurfs mit der? dem? Hundeköttel betroffen macht, diese übrigens frappierend erstaunliche Ähnlichkeit selbst in der Größe, obwohl ja die meisten Hunde deutlich kleiner geraten sind als die meisten Menschen. Diese Ähnlichkeit ärgert, denn unsere eigene Scheiße lieben wir ja auch nicht mehr, zumindest nach einem gelungenen Abschluss der ersten Kindheitsjahre lieben wir sie nicht mehr (wiewohl die erstaunliche Vorliebe für Würstchen z.B. bei vielen deutschen Volksgruppen eine gewisse Zurückhaltung beim Aufstellen solcher Behauptungen geraten erscheinen lassen sollte), und hier wird einem etwas so Gleichartiges vor Augen geführt, unter die Sohlen geklebt, in den Weg gelegt. Das ergrimmt uns. Wir betrachten Hundehalter, die ihre Liebsten Abends durch die Straßen zerren, auf der Suche nach geeigneten Orten, mit Misstrauen, trauen ihnen einfach nicht zu, dass sie Behältnisse zur Entsorgung der Hundeköttel mit sich führen oder, selbst wenn sie sie unterm Arm trügen, zu ihrer Benutzung Neigung spüren. Dem Ausführen der Hunde haftet auf diese Weise etwas gemäßigt Kriminelles an, fast wie dem Rauchen von Zigarren. Übrigens ähneln weggeworfene Zigarrenreste manchmal der Hundeköttel ein wenig, zumal wenn ein Regen über der Stadt niedergegangen ist, allerdings weniger ein reinigender Sturzregen als vielmehr einer von den schmierenden, sich Zeit lassenden, gemächlichen, die den Schmutz eher zu vermehren scheinen als ihn davon zu waschen. Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass die Hundeköttel die Menschen immer wieder infam daran erinnert, dass sie selber etwas Ähnliches absondern, und daran möchten wir wohl nicht in dieser Form erinnert sein.11

       Die Stadtverwaltung tut etwas für ihre Bürger: Ab heute dürfen Hundebesitzer auch selber aufs Trottoir machen.

      Zum Zigarrenrauchen wäre auch noch so einiges zu sagen. Allein die häufigere Notwendigkeit, bei dieser Tätigkeit auszuspucken. Wissen Sie, man kann ja unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es noch zum guten Ton gehört, auf dem Trottoir auszuspucken.12 Versteht sich, nur solange man nicht beobachtet wird dabei. Sonst wird man, will man, sollte man das Ausspucken eigentlich stets vermeiden. Die Spucke ist ja auch eine etwas ambivalente Flüssigkeit, manchmal höchst willkommen, manchmal auch sehr eklig. Der süße Speichel ist das Eine, der stinkend-gelbe Rotz das andere. Hand aufs Herz, wenn Sie sich eine Person vorstellen sollten, die aufs Trottoir spuckt, fiele Ihnen da eher ein anmuthig Jungfräulein ein oder ein verzottelt-krätziger Alter im zerlumpten Gewande? Na, sehen Sie. Und welche Person von beiden würden Sie lieber, sagen wir einmal, küssen? Ah ja, merken Sie’s? Daher weht der Wind.

      Es kömmt vor, dass so ein Alter, so ein Bettler vor dem Haus sitzt. Vielleicht lockt ihn der Laden, der Laufkundschaft vermuten lässt, obschon die meisten meiner Ladenmieter – später sollten Sie noch einige davon kennen lernen, denke ich – leider nie über den genügenden Andrang der Laufkundschaft verfügten. Die Läden hielten sich meistens nicht sehr lange, was in einzelnen Fällen schon bedauerlich war, finde ich. Die Bettler jedenfalls, die dort saßen, wurden auch nicht fett.

      Geben Sie gern an Bettler? Ich gebe nicht gern. Es ist eigentlich egal: wenn sie diese unterwürfige Haltung einnehmen, gesenkten Kopfs und Blicks, sich offenbar eines möglichst zerlumpten Äußeren befleißigend (so scheint’s mir oft), ist es mir peinlich, und ich mache einen Bogen um sie. Blicken sie einem frech ins Gesicht, geradezu das Geld fordernd, meistens einen Hund neben sich, der zwar besser genährt erscheint als sie, aber dennoch dazu dient, das Mitleid der Vorübergehenden auf sich zu ziehen, so es der Bettler nicht schafft (und diese vermuten wohl, es werde ihnen nicht gelingen) (dass indes ich Hunde nicht so sehr mag, muss ich nach dem oben Ausgeführten wohl nicht noch besonders betonen) –, so schlage ich fast noch weitere Bogen um sie als um Vertreter der anderen Gruppe. Ich glaube immer, sie stänken, wiewohl ich dieses nicht positiv behaupten kann, da ich ihnen wohl nie nahe genug gekommen bin, um es sinnlich zu verspüren. (Ich meine jetzt die Bettlerhunde im Zusammenhang mit den unerfreulichen Ausdünstungen, nicht die Bettler selber.)

      Ich brauche wohl nicht näher darauf einzugehen, dass ich die Haltung von Haushunden bei meinen Mietern nicht dulde.

      (Hm. – Den »Haushund« gibt es eigentlich gar nicht. Lauschen Sie mal: ›Die Hauskatze traf auf den Haushund‹, nein, nicht wahr, das klingt nicht richtig. Unter Hauskatze stellen wir uns sofort bildlich13 etwas vor, und zwar die freundliche Nicht-Rassekatze, aber beim Haushund wollen wir doch etwas mehr wissen, z.B. ob er nun Locken hat oder glatt trägt, ob er so groß ist wie ein Kalb oder unters Sofa14 passt. Was aber interessanterweise geht, ist ›der Hofhund‹. ›Die Hauskatze lief zum Hofhund und beschwerte sich über den dummen Pudel‹, damit wäre ich sofort einverstanden. Der Hofhund muss arbeiten, er ist dabei eine Mischung aus Proletarier und Hausmeister15, ein bisschen abhängig und ein bisschen selbständig.

      Natürlich ist die Katze gar nicht

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