Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane. A. F. Morland
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Читать онлайн книгу Arztroman Sammelband: Drei Romane: Ihre Verzweiflung war groß und andere Romane - A. F. Morland страница 21
„Um meine Enkeltochter“, seufzte Berta Dietrich. „Das Kind wird immer weniger.“
Sven Kayser horchte auf. „Ist Iris krank?“
„Organisch wahrscheinlich nicht“, meinte Berta Dietrich. „Aber gemütskrank – das könnte sie sein. Ist ja kein Wunder. Meine Tochter und ihr Mann leben in permanentem Kriegszustand. Dass das der Kleinen weh tut, kann ich verstehen. Mir ist es ja auch nicht einerlei. Aber ich kriege die vielen Streitereien wenigstens nicht ständig hautnah mit. Die arme Iris aber schon, und das hat sie anscheinend appetitlos gemacht.“
Dr. Kayser sagte, er wolle sich das Kind gerne einmal anschauen.
Frau Dietrich nickte. „Ich habe meiner Tochter bereits empfohlen, mit der Kleinen zu Ihnen zu gehen, doch sie ist der Ansicht, das sei nicht nötig.“
„Das zu entscheiden sollte sie mir überlassen. Lieber einmal zu viel zum Arzt gehen als einmal zu wenig.“
„Ich werde noch einmal mit ihr reden, wenn ich hier raus bin und Sonja aus Österreich zurück ist“, versprach Berta Dietrich, und Dr. Kayser verabschiedete sich. Seine nächste Station war Dr. Ulrich Seebergs Büro.
Ute Morell, die 44-jährige Chefarztsekretärin, begrüßte ihn herzlich. „Herr Doktor Kayser! Wie schön, Sie zu sehen.“
„Hallo, wie geht’s immer?“, gab Sven heiter zurück. „Sie sehen phantastisch aus. Woher haben Sie denn diese gesunde Bräune?“
Ute Morell lachte. „Nicht aus dem Sonnenstudio.“
„Sondern?“, fragte Dr. Kayser.
Ute Morell wippte mit den Augenbrauen. „Teneriffa.“
„Wie lange?“, erkundige sich Sven Kayser.
„Zwei Wochen“, antwortete die Chefarztsekretärin.
Sven grinste. „Vielen Dank für die Ansichtskarte.“
Die Sekretärin sah ihn einen Moment irritiert an. „Ich habe Ihnen keine geschrieben.“
„Ach, deshalb habe ich keine bekommen“, schmunzelte Dr. Kayser.
„Ich habe überhaupt niemandem geschrieben“, erklärte Ute Morell.
Sven Kayser staunte. „Nicht einmal Ihrem Chef?“
„Dem natürlich schon, aber sonst niemandem. Vergangenes Jahr war ich im Juni auf Gran Canaria – und wissen Sie, wann meine Karten angekommen sind? Ende November.“
Sven lachte. „Die müssen über ein Mars-Postamt umgeleitet worden sein.“
„Scheint so“, sagte Ute Morell. „Auf jeden Fall habe ich mich danach entschlossen, das Kartenschreiben einzustellen. Die einzige Ausnahme ist Doktor Seeberg – weil er so gerne Urlaubskarten bekommt.“
„Ist er in seinem Allerheiligsten?“
Die Sekretärin nickte. „Doktor Schlüter, Doktor Rüsch und Doktor Liebig sind bei ihm.“
Dr. Kayser hob die Hände. „Wenn der Häuptling Kriegsrat hält, möchte ich nicht stören.“
Im selben Moment wurde die Tür geöffnet, und die drei Ärzte, die Ute Morell soeben genannt hatte, traten ins Vorzimmer. Dr. Kayser schüttelte den Kollegen die Hand.
„Praktischer Arzt müsste man sein“, grinste Dr. Thomas Rüsch, genannt Onkel Tom, weil er alle Schwestern „Kindchen“ zu nennen pflegte. „Dann hätte man tagsüber Zeit, gute Freunde zu besuchen.“
Sven lachte. „Nur keinen Neid aufkommen lassen, Herr Kollege.“
„Höre ich da Sven Kaysers Stimme?“, fragte Dr. Seeberg im Hintergrund.
„Ich beglückwünsche dich zu deinem exzellenten Gehör“, gab Sven amüsiert zurück.
Dr. Schlüter, Dr. Rüsch und Dr. Liebig verließen das Vorzimmer und gingen auf ihre Stationen, während Dr. Kayser das Büro seines Freundes betrat. Dr. Ulrich Seeberg zeigte auf Sven. „Kaffee?“
„Danke, ja.“
Dr. Seeberg zeigte auf Ute Morell. Er brauchte kein Wort zu sagen. „Okay, Chef“, sagte die tüchtige Sekretärin sofort und „warf“ die Kaffeemaschine an.
Ulrich Seeberg musste sofort loswerden, dass sie neuerdings zu Haus einen Alligator hatten. „In Pflege“ sagte er finster. „Die Frau, der das junge Ungeheuer gehört, ist für drei Wochen zur Kur nach Abano gefahren ...“
Sven Kayser schmunzelte. „Und Kai hat die reißende Bestie heim gebracht.“
„Er hat eben ein Herz für Tiere“, stöhnte Ulrich. ,„Kai, hab’ ich zu ihm gesagt, warum bringst du uns keine Tanzmaus? Oder einen Zwerghasen? Warum muss es gleich ein ausgehungertes Krokodil sein?’“
„Wo habt ihr das liebe Tierchen denn untergebracht?“, erkundigt sich Dr. Kayser.
Dr. Seeberg zog grimmig die Augenbrauen zusammen. „In der Badewanne.“
„Da würde ich ab sofort beim Reinsteigen sehr vorsichtig sein.“
„Seither wird bei uns nur noch geduscht“, sagte Dr. Seeberg.
„Wie lange ist die Ziehmutter des Alligators schon in Abano?“
„Vier Tage“, antwortete Ulrich Seeberg.
„Dann habt ihr euren geschuppten Freund ja nur noch siebzehn Tage.“
„Es wird uns schwerfallen, uns von ihm zu trennen“, erklärte Ulrich ironisch.
„Und was tust du, wenn die Dame sich in Abano verliebt und nicht mehr nach Hause kommt?“
Dr. Seeberg verdrehte die Augen. „Mal den Teufel bitte nicht an die Wand, Sven.“
„Wer füttert das Reptil?“, fragte Dr. Kayser.
„Kai natürlich. Das lässt er sich nicht nehmen.“
„Und was gibt er ihm?“, erkundigte sich Sven Kayser.
Ulrich rümpfte die Nase. „Das will ich gar nicht wissen.“
„Hat der Alligator einen Namen?“, fragte Sven.
Dr. Seeberg nickte. „Er heißt Bobby.“
„Vielleicht wird euch Bobby in diesen drei Wochen so sehr ans Herz wachsen, dass ihr ihn gar nicht mehr hergeben wollt.“
„Das bezweifle ich“, sagte Ulrich mit belegter Stimme. „Wenn ich mich nicht strafbar machen würde, würde ich Bobby glatt zur Flucht verhelfen.“
Ute Morell brachte den Kaffee und ging wieder hinaus. Die Ärzte wechselten das