Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Sammelband 4 Fürstenromane: Liebe, Schicksal, Schlösser - Alfred Bekker страница 6
»Aufhören!«, befahl sie gespielt streng, als sie sich bewusst wurde, wie wenig damenhaft sie sich vor den Augen ihrer Angestellten und Gäste benahm. »Stell mich sofort auf den Boden zurück, du Lümmel!«
Der »Lümmel« tat, wie ihm befohlen wurde, ließ seine Mutter aber nicht los und küsste sie erst einmal herzlich, bevor er sich endgültig von ihr trennte.
Nun drängelten auch noch ein paar Angestellte herbei, um den Juniorchef zu begrüßen und zu seinem Erfolg zu beglückwünschen. Dann endlich hatten Mutter und Sohn Zeit für sich und begaben sich hinauf zu ihren Privatgemächern.
»Ich hatte so früh noch gar nicht mit dir gerechnet«, bemerkte Hiltrud. »Du musst geflogen sein, Alex.«
»Fast«, erwiderte der junge Mann grinsend. »Die Sehnsucht nach dir und Sankt Annen hat mich aus meiner alten Karre das Letzte herausholen lassen. Schorschi hat sich selbst übertroffen.«
»Du wirst dir dennoch bald mal einen anderen Wagen zulegen müssen«, versetzte Hiltrud. »Schorschi hat es verdient, in den Ruhestand geschickt zu werden.«
»Ach was«, winkte Alexander ab. »Der tut es schon noch eine Weile. Außerdem kann ich mir momentan noch kein neues Auto leisten.« Er rieb den Daumen am Zeigefinger. »Es sei denn, ich bekomme die Stellung, die mir vorschwebt.«
»Hast du denn etwas in Aussicht?«
»Vielleicht, Mama. Allerdings ...« Er unterbrach sich und schaute die Mutter unsicher an.
»Ja?«
»Die Sache hat einen Haken«, räumte Alexander ein. »Einen sehr großen sogar. Ich bin mir nicht sicher, ob mein Vorhaben deine Billigung finden wird.«
»Du bist seit vielen Jahren volljährig, Alex, und du musst selbst wissen, was richtig ist für dich. Ich kann dir nur einen Rat geben. Entscheiden musst du.«
»Und was würdest du mir raten, wenn ich dir erzähle, dass ich mich bei meinem Vater um den Posten eines Gutsverwalters bewerben möchte?«, fragte Alexander leise.
Für einem Moment blieb es still im Zimmer. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
»Das soll doch nur ein schlechter Scherz sein – oder?«, brach es schließlich aus Hiltrud heraus, und ihre Stimme klang überaus erregt. »So etwas kannst du doch nicht im Ernst erwägen!«
»Doch, Mama.« Alexander hob die Schultern. »Ich habe erfahren, dass Fürst Boris von Hambach dringend einen Verwalter sucht. Die Stellung soll sehr gut dotiert sein.«
»Ja, weil er sonst keinen kriegt, der für ihn arbeiten möchte«, fauchte Hiltrud. »Das war schon zu meiner Zeit so. Beim Personal herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Kaum einer hielt es lange unter seiner Fuchtel aus. Das wird sich nicht geändert haben. Also lockt er mit Geld. Nein, Alex, lass die Finger davon! Du würdest sie dir nur verbrennen. Und überhaupt: Hast du denn gar kein Ehrgefühl im Leib? Warum willst du diesem Menschen zu Kreuze kriechen?«
»Das habe ich nicht vor«, stellte Alexander klar. »Zumal er nie erfahren wird, dass es sein eigener Sohn ist, der sich um den vakanten Posten bewirbt.«
»Wie willst du denn das bewerkstelligen?«
»Indem ich mich unter einem anderen Namen und mit falschen Papieren bewerbe«, erklärte Alexander. »Diese herzustellen, ist mit Hilfe der modernen Kopiergeräte kein Problem; denn seine Originale gibt man ja nur noch selten aus der Hand.«
Hiltrud schüttelte ein ums andere Mal den Kopf. »Ich frage mich, wer dir diese hirnrissige Idee eingegeben hat und was du damit bezweckst?«
»Ganz einfach«, antwortete Alexander. »Ich möchte endlich mal meinen Vater kennenlernen.«
»Und was versprichst du dir davon?«
»Keine Ahnung«, gab Alexander unumwunden zu. »Vielleicht suche ich nur die Bestätigung, dass er tatsächlich dieses Ekel ist, als das du ihn mir mein Leben lang beschrieben hast.«
»Glaubst du, ich hätte dich belogen?«
»Nein, Mama, bestimmt nicht«, beruhigte sie Alexander. »Aber sieh mal: Ich kenne meinen Vater praktisch nur aus deiner Sicht. Ich kann ihn ja nicht einmal wie du richtig verachten, weil ich gar nicht bewusst miterlebt habe, was er uns angetan hat. Dazu war ich damals einfach noch zu klein.«
»Das darf doch alles nicht wahr sein!«, klagte Hiltrud. »Warum setzt du deine teuer erworbenen Kenntnisse nicht sinnvoller ein? Dein Vorhaben ist doch verschwendete Zeit!«
»Das sehe ich etwas anders, Mama«, betonte Alexander. »Die Vorstellung, meinen Vater kennenzulernen, reizt mich wirklich sehr. Aber der Hauptgrund, mich um den Posten zu bewerben, ist ein anderer: Ich möchte feststellen, ob ich der Aufgabe, einem Gut wie Hambach vorzustehen, gewachsen bin.«
»Das könntest du sicher auch woanders herausfinden«, meinte Hiltrud, »ohne dich in die Höhle eines despotischen Fürsten zu begeben. Er wird dich freihändig in der Luft zerreißen, wenn er dahinter kommen sollte, welch falsches Spiel du mit ihm getrieben hast. Es könnte sogar deiner Karriere schaden. Genügend Einfluss hat er, dein alter Herr. Er mag zwar kaum Freunde haben, aber genügend andere, die von ihm und seinem Wohlwollen abhängig sind. Geld regiert nun mal die Welt. Er macht schonungslos davon Gebrauch und geht über Leichen. Wenn es sein müsste, vermutlich sogar über die seines eigenen Sohnes.«
»Ich werde mich zu gegebener Zeit zu wehren wissen«, versprach Alexander. »Schließlich bin ich sein Sohn.«
»Überschätz dich nicht, Alex!«, warnte die Mutter. »Ja, du bist sein Sohn, aber du hast meine Erziehung genossen. Deshalb bist du anders als er.«
»Warten wir es doch erst einmal ab«, versetzte Alexander. »Noch hat er mich nicht eingestellt.«
»Ich bete darum, dass dies nie der Fall sein wird«, seufzte Hiltrud.
3
Fürst Boris von Hambach stand am Fenster seines Arbeitszimmers und blickte hinunter in den Vorhof seines Schlosses. Er bemerkte einen leicht lädiert aussehenden Wagen, der soeben die breite, von Rosenbeeten gesäumte Auffahrt herunterkam und dabei ziemlich unangenehme Geräusche von sich gab. Vor der Freitreppe, die zum Hauptportal führte, hielt er an, und dann kletterte ein schlanker junger Mann ins Freie, dehnte und reckte sich kurz und schaute sich beeindruckt um.
»Nicht übel«, murmelte der junge Mann vor sich hin, bevor er die Treppe zum Hauptportal emporspurtete. »Irgendwie erscheint