Nestwärme, die Flügel verleiht. Stefanie Stahl

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Nestwärme, die Flügel verleiht - Stefanie Stahl

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Schwangerschaft? Mit dem Tag der Geburt? Zumindest werden wir mit der Geburt unseres ersten Kindes definitiv als Eltern angesehen und von der Gesellschaft als Vater und Mutter definiert. Von außen betrachtet, beginnt hier die Eltern-Kind-Beziehung. Faktisch sind wir schon vom ersten Tag an ein Teil der Eltern-Kind-Beziehung – und damit Teil einer Verbindung, die im Regelfall ein Leben lang bestehen bleibt.

      Doch Beziehung ist nicht gleich Bindung. Lieben wir unser Kind automatisch? Sind wir an unser Kind gebunden? Nein. Wir können zwar die biologische Beziehung zu unserem Kind nicht abbrechen, aber es kann durchaus passieren, dass Eltern keine emotionale Bindung zu ihrem Kind aufbauen. Bindung ist ein aktiver Prozess auf beiden Seiten: auf der Seite des Kindes wie auf der Seite der Eltern. Der Säugling ist ganz auf Bindung ausgerichtet. So wendet er zum Beispiel seinen Kopf spontan dahin, wo es nach Mama riecht.1 Die Mutter ist durch ihre Schwangerschaft, die Geburt und das Stillen, ebenso wie das Kind, biologisch auf Bindung vorbereitet. Sie erkennt zum Beispiel ebenfalls treffsicher den Strampler ihres Kindes am Geruch. Man könnte es auch so ausdrücken: Mütter haben gegenüber Vätern einen Bindungsvorsprung. Trotzdem müssen sich beide erst einmal an die Elternschaft gewöhnen. Damit sich eine echte Bindung zwischen Eltern und Kind aufbaut, braucht es eine Entscheidung. Die Entscheidung: »Ja, ich will Mutter sein« beziehungsweise »Ja, ich will Vater sein«. Dies bedeutet, dass die Eltern sich voll und ganz dazu bereit erklären, Verantwortung für den kleinen Menschen zu übernehmen und innerlich zu sagen: »Du gehörst zu mir. Ich nehme dich an, so wie du bist.«

       Durch die stärkere körperliche Nähe zum Kind haben Mütter es meist etwas leichter, die Bindung anzunehmen.

      Der Vater bleibt dann manchmal außen vor. Er muss sich unter Umständen mehr anstrengen, um das Kind innerlich anzunehmen. »Ich habe darauf gewartet, dass die große Vaterliebe über mich kommt«, berichtet uns ein Vater und resümiert etwas enttäuscht: »aber vergebens.« Manche schämen sich auch, weil sie sich eben (noch) nicht an das Kind gebunden haben und nicht die gleiche Vernarrtheit spüren, die die Mutter erfasst zu haben scheint. Und manchmal werden Väter sogar von Neid und Eifersucht geplagt. Sie neiden der Mutter (und dem Kind) den innigen Kontakt miteinander. Die Väter, die sich ihre Gefühle eingestehen, können sich oft besser dem Kind zuwenden, weil sie dann niemandem etwas vormachen müssen, weder sich selbst noch der Partnerin. Sie bleiben authentisch, wodurch auch eine echte Vater-Kind-Begegnung möglich wird. Denn auf der Basis von Heuchelei kann sich keine tiefe Liebe zum Kind entwickeln. Die Ehrlichkeit mit sich selbst gibt dem Vater die Möglichkeit, seine eigene Art von Bindung aufzubauen. Vielleicht ist sie am Ende wirklich etwas lockerer als die mütterliche. Doch das Kind wird spüren, dass es angenommen und geliebt ist.

      Väter, die grundsätzlich die Entscheidung getroffen haben, ihr Kind anzunehmen, entwickeln hingegen schnell eine innige Bindung zu ihm. Zum einen ist es gerade beim Säugling die körperliche Nähe, die Bindung vermittelt. Zum anderen zeigen Studien: Wenn Väter ihr Kind ganz selbstverständlich versorgen – es herumtragen, mit ihm schmusen, es anziehen und windeln –, dann wird bei ihnen das gleiche Bindungshormon freigesetzt wie bei den Müttern.

      Zugewandte, liebende Väter haben genauso gute Chancen, eine sehr enge Beziehung zu ihrem Kind zu entwickeln wie liebende Mütter (siehe auch Exkurs: Mütter und Väter – die Stärken der beiden Elternteile ab >).

      Du siehst: Bindung ist die Basis für jede Beziehungsfähigkeit. Sie ist das Fundament unserer Psyche. Doch sie ergibt sich nicht von allein. Sie entsteht immer im Wechselspiel zwischen Säugling oder Kind mit seiner Mutter und seinem Vater.

      VATER-MUTTER-KIND – DAS FAMILIENSYSTEM

      Vielleicht hast du dich schon gefragt, warum überwiegend von dir und deinem Kind die Rede ist, also von der Mutter-Kind- oder der Vater-Kind-Beziehung. Warum sprechen wir die Eltern nicht als Team an? Die meisten Eltern erziehen ihre Kinder ja zu zweit. Dennoch baut das Kind zu jedem Elternteil eigenständig eine Beziehung auf. Und deshalb sprechen wir jeden als Einzelperson an. Heutzutage existieren zudem die unterschiedlichsten Familienkonstellationen: Vater-Mutter-Kind oder in sogenannten Regenbogenfamilien auch Vater-Vater-Kind oder Mutter-Mutter-Kind. Die Alleinerziehenden machen inzwischen gut ein Fünftel aller Familien aus2 – meistens haben die Kinder auch in dieser Familiensituation Kontakt zu dem Elternteil, der nicht (mehr) im gemeinsamen Haushalt lebt. In Patchworkfamilien erweitert sich die Familie und für die Kinder gesellen sich Bonuseltern und manchmal Geschwister hinzu. Es gibt auch Co-Parenting-Familien, in denen die Eltern keine Partnerschaft haben und oftmals sogar in getrennten Haushalten leben. Die Beziehung dient hier vor allem dem Zweck, ein gemeinsames Kind großzuziehen. Es ist klar, dass das Familiensystem große Auswirkungen darauf hat, wie sich die Beziehung zwischen einem selbst und seinem Kind entwickelt. Eltern- und Paarebene sind auf komplexe Weise miteinander verwoben.

      Wie stark Eltern- und Paarsein zusammenhängen, wird oft erst spürbar, wenn es Probleme gibt. Eltern mit Streit auf der Paarebene, vielleicht weil ein Partner fremdgegangen ist, kooperieren in der Regel auch als Väter und Mütter schlechter. Sie können sich dann eventuell nicht einigen, wer das Kind vom Kindergarten abholt. Aber die Schwierigkeit liegt letztlich nicht darin, dass dies ein unlösbares Problem ist, sondern das Paar trägt rund um das Abholen einen Konflikt aus, der eigentlich auf der Paarebene entstanden ist. Genauso wirkt sich die Elternebene auf die Paarebene aus: Erleben Eltern ihr Elternsein als sehr problematisch oder stressig, entstehen oftmals auch Probleme auf der Paarebene. Manchmal droht die Paarbeziehung unter dem Druck sogar zu zerbrechen. Unsere Rollen als Eltern können uns sogar so stark vereinnahmen, dass die Paarebene gar nicht mehr gelebt wird. Wir sind dann nicht mehr Frau und Mann, sondern »nur« noch Mutti und Vati.

       Wenn alles gut läuft, ist uns dieses Zusammenspiel allerdings kaum bewusst. Dann erziehen wir einfach gemeinsam.

      Kinder wünschen sich, dass sich ihre Eltern im Großen und Ganzen einig sind. Wenn die Eltern hin und wieder unterschiedlicher Meinung sind oder über Alltagsthemen miteinander streiten, können sie das allerdings gut wegstecken. Doch insgesamt sollten sich – aus Kinderaugen betrachtet – die Eltern vertragen. Sie sollten – wie man in der Fachsprache sagt – eine gute Elternallianz bilden. Dies erfordert, dass sie miteinander kooperieren und sich abstimmen.

      Damit dies gelingt, sind einige Grundvoraussetzungen günstig. Viele Paare machen sich jedoch über diese Grundpfeiler einer guten Beziehung keine Gedanken. Es ist vielleicht auch nicht nötig, wenn man frisch verliebt ist und sich einfach nur super findet. Aber spätestens mit einem gemeinsamen Kind trägt man auch eine gemeinsame Verantwortung – und dann wird jede Schieflage in der elterlichen Beziehung sichtbar. Wir möchten an dieser Stelle nur einige typische Stolperfallen nennen.

       Auf das Wesentliche reduziert, kann man den Wunsch von Kindern an die Paarbeziehung ihrer Eltern so beschreiben: Kinder möchten, dass Mama und Papa sich lieb haben.

      Falls du erkennst, dass deine Beziehung in einer typischen Konfliktsituation steckt, wäre es wichtig, dass du dieses Thema anpackst. Denn wenn die Eltern nicht fähig sind, gut zu kooperieren, hat dein Kind automatisch ein Problem. Und auch wenn du dann als Einzelperson eine tolle Beziehung zu deinem Kind aufbaust, wird dieses Problem bestehen bleiben. Denn Kinder lieben nun einmal beide Elternteile.

      HÄUFIG VORKOMMENDE PROBLEME

      Typische Konflikte mit dem Potenzial, das Elternsein sehr zu erschweren, sind folgende:

       Du bist in deiner Partnerschaft unglücklich. Aber du verbirgst dies, um die Familie nicht zu zerstören. Was kannst du tun? Im ersten Schritt wäre es wichtig, dass du für dich herausfindest, was genau dich so unglücklich macht. Im zweiten Schritt könntest du mehr für dich und deine Bedürfnisse einstehen. Das

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