Was Hunde wirklich wollen. Dr. Ronald Lindner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Was Hunde wirklich wollen - Dr. Ronald Lindner страница 3

Was Hunde wirklich wollen - Dr. Ronald Lindner

Скачать книгу

(BUCHHOLTZ, 1993): Mit seiner Hilfe lässt sich über die Beurteilung des tierischen Verhaltens die Tiergerechtheit eines Haltungssystems einschätzen. Das heißt, zeigt ein Hund gestörtes Verhalten, ist die Haltung nicht tiergerecht. Zur Beurteilung arbeitet es mit einer Art »Marker«, also mit sogenannten Indikatoren, die etwas über Haltungsmängel und das Wohlbefinden der Tiere aussagen. Vergleicht man unsere heutigen Haushunde mit ihrer nicht domestizierten Wildform, dem Wolf, so können jedoch Verhaltensweisen, die dort in Freiheit auftreten und die vom Hund nicht oder in veränderter Form gezeigt werden, nicht zwangsläufig eingeschränktes Wohlbefinden beim »Haushund« suggerieren.

      Hunde tiergerecht halten

      Weshalb ist Wohlbefinden nun so wichtig für die Haltung von Tieren, speziell von Hunden, in menschlicher Obhut? Reicht es nicht aus, dass wir unsere Vierbeiner wie Menschen behandeln, nach dem Motto »Was mir guttut, ist auch das Richtige für meinen Hund …«?

      Nein, dies würde den Ansprüchen unserer Hunde ans Leben nicht gerecht! Das sogenannte »Adaptationssyndrom« (>) befähigt viele unserer Haus- und Heimtiere, vielgestaltige »Katastrophen« (multiple Stressoren) in ihrer zum Teil widernatürlichen Umgebung auszugleichen, zu kompensieren, indem sie sich mit dem ihnen angebotenen Lebensumfeld arrangieren und dabei nicht selten zwischen Tod oder einem Leben mit erheblichen Leiden wählen müssen. Solange der Begriff »Wohlbefinden« oberflächlich als Zustand eines Tieres, individuell mit seiner Umwelt »zurechtzukommen«, verstanden wird, werden Tiere leiden! Paradebeispiele für derartige Notanpassungen sind unter anderem einzeln lebende Papageien in Käfigen, Hunde in permanenter Zwingerhaltung oder die Übernahme von »Bauernhofkatzen« in eine reine Wohnungshaltung ohne Freilauf.

      Schmerz – Schäden – Leiden: eine Begriffsbestimmung

      Versuchen wir nun, die viel zitierten Begriffe von Schmerz, Leiden und Schäden zu erklären.

      Schmerz: Er kommt unangenehm daher, plötzlich oder schleichend und schützt uns und unsere Tiere vor Schlimmerem. Empfinden Hunde Schmerzen, so quieken, fiepen oder winseln sie mehr oder weniger laut auf. Sie zittern meist am ganzen Körper und halten uns demonstrativ die verletzte Pfote entgegen. Sie bewegen sich anders als gewöhnlich, reißen die Augen weit auf oder sind apathisch und ängstlich. Auch beschreiben einige Hundebesitzer regelrechte »Schmerzgesichter« ihrer Lieblinge.

      Schäden: Ein mehr oder weniger schwerwiegender Schaden liegt vor, wenn ein Hund geistig oder körperlich mehr und mehr verfällt, sodass er nicht mehr so leben kann wie bisher.

      Leiden: Der Hund leidet, sobald er nicht mehr in der Lage ist, die ihm entstandenen Schäden oder von ihm gefühlten Schmerzen auszugleichen, das heißt zu kompensieren. Sie können den Zustand des Nichtwohlbefindens nicht mehr lindern und befinden sich im Zustand eines schädlichen Dauerstresses, Distress genannt (>). Dieser kann unter anderem auch dann entstehen, wenn Hundehalter ihre Schützlinge mit verbaler Strafe (etwa Schimpfen oder Schreien) oder gar durch physische Gewalt (Schläge, Leinenruck oder Ähnliches) erziehen wollen!

      Anzeichen für fehlendes Wohlbefinden

      Als Indikatoren gelten sogenannte »Marker« bzw. »Stopps«, die etwas über Haltungsmängel und fehlendes Wohlbefinden unserer Hunde aussagen können. Dabei müssen bei einem Hund, der leidet, die folgenden »Marker« nicht alle gleichzeitig auftreten. Es genügt bereits ein einziger Indikator, um sich um das Wohlbefinden seines Schützlings Sorgen machen zu müssen!

      Diese Stopps finden Sie über das ganze Buch verteilt, immer wenn ich ein Verhalten beschreibe, das für den Hund Leiden bedeutet. Auf > sind sie noch einmal zusammengefasst.

      Als erster Indikator für fehlendes Wohlbefinden nenne ich die berühmten Stereotypien, also ständig sich wiederholende Verhaltensmuster, die weder ein erkennbares Ziel noch eine sinnvolle Funktion haben. Diese stereotypen Handlungen sind in der Regel als Verhaltensstörung anzusehen, da sie normale Verhaltensabläufe beeinträchtigen oder komplett unmöglich machen. Das Tier zeigt gleichförmige bis ritualisierte Bewegungen bis hin zur körperlichen Erschöpfung ohne Sinn und Zusammenhang zu Umwelteinflüssen. Die Tiere scheinen zu »spinnen«. Ein bekanntes Beispiel für eine Stereotypie ist der Löwe im zoologischen Garten, der in seinem Käfig ständig hin- und herläuft. Zu den häufigsten stereotypen Handlungen beim Hund gehören andauerndes Bellen ohne erkennbaren Zusammenhang zur Umwelt, übermäßiges Lecken und Kratzen des Fells bis hin zur Selbstzerstörung bzw. Selbstverstümmelung (Automutilation) sowie Bewegungsstereotypien wie Graben, Manegebewegungen (am Zaun auf und ab laufen), Im-Kreis-Laufen oder Drehen an der Leine. Diese Formen hängen meist mit Konfliktsituationen an territorialen Grenzen wie Zwinger, Käfig, Grundstücksgrenzen und Leine (etwa Laufleine oder Anbindehaltung) zusammen. Der Hund versucht, den Stress und die Frustration aufgrund einer permanenten Anbinde- und Zwingerhaltung oder weil er ausschließlich an der Leine und niemals im Freilauf ausgeführt wird, mittels Bewegungsstereotypien zu kompensieren. Dies sind typische Beispiele, dass unangemessene Haltungsbedingungen und gezeigtes stereotypes Verhalten ursächlich zusammenhängen können.

      Ursachen: Zu nennen wären unter anderem die Einzelhaltung bzw. die fehlende artgerechte Einbindung der obligat sozialen Hunde in den Sozialverband »Familie«, plötzliche einschneidende Veränderungen in der Gruppe wie Auszug, Trennung oder Tod eines menschlichen oder tierischen Familienmitglieds, Zwinger- und Anbindehaltung (Monotonie, geringe Bewegung, kein Sozialkontakt), Ausbildung und Training mit Gewalt oder Gewaltandrohung ohne Ausweichmöglichkeit, Überforderung im Training, Langeweile oder falsches Umgebungsmanagement wie strukturarme und immer gleiche Auslaufflächen.

      Wenn der Schlaf-Wach-Rhythmus aus den Fugen gerät, sind die Hunde nachts unruhig. Sie zeigen veränderte oder verkürzte Schlafzeiten ohne Tiefschlafphasen oder Träume, schlafen vermehrt am Tag, ruhen aber kaum. Auf äußere Reize reagieren sie extrem sensibel.

      Ursachen: Ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus kann unter anderem ausgelöst werden durch einen falschen Trainingsansatz, wie Überforderung, Anwendung von Gewalt, verschiedene Kommandos für dasselbe Verhalten, oder durch andauernde Reizüberflutung in der Umgebung. Das können zum Beispiel permanente Kontakte mit Artgenossen in sogenannten Hundekindertagesstätten (>) oder eine andauernde lautstarke Geräuschkulisse sein. Auch wenn Hunde zu lang (pro Einsatz) in sozialen Einrichtungen arbeiten, werden sie überfordert.

IMG

      Ein kleiner Wettkampf in Ehren – was wie ein Synchronschwimmen aussieht, ist eine ritualisierte Auseinandersetzung um Besitztümer und potenzielle Beute. So üben die beiden das Gewinnen und Verlieren.

      Körperpflege zählt zum Komfortverhalten (>). Sobald Hunde keine entspannenden Körperpflegehandlungen wie Lecken und Beknabbern des Fells und kein arteigenes Entspannungsverhalten (sich strecken, räkeln oder schütteln) mehr zeigen, kann man bereits von erheblichem Leiden ausgehen.

      Ursachen: Sie sind vielschichtig und reichen von massiven Angst- und Schreckerlebnissen über Distress (>) im Sozialverband (unter anderem zu viele Hunde im Verhältnis zum Raumangebot)

Скачать книгу