Voll verliebt im Tor. Ulrike Bliefert

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Voll verliebt im Tor - Ulrike Bliefert

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ihr beiden, bis morgen.« Hotte knuddelte Paul und Paula noch mal kräftig durch, bevor er sich auf seine Vespa schwang, um die vorbestellten Brötchen für die Möbelpacker abzuholen.

      Oma Helga verabschiedete sich derweil im Garten von ihren Kletterrosen: »Und ihr reißt euch bitte zusammen und zickt nicht gleich rum, wenn die neuen Besitzer euch mal zu wenig Wasser oder zu viel Dünger geben, verstanden?«

      Die riesigen Blüten der Constance Spry nickten tapfer im Wind.

      »Glaubst du echt, dass die Rosen irgendwas von dem verstehen, was Oma ihnen da erzählt?«, fragte Paul.

      Paula schob die Unterlippe vor und runzelte die Stirn. »Keine Ahnung. Ich kenn mich mit Pflanzen nicht aus. Aber auch wenn es den Blümchen wurscht ist, ob wir wegziehen oder nicht: Oma Helga tut’s jedenfalls gut, mit ihnen zu quatschen.«

      Jetzt marschierte Oma Helga zu den Haselbüschen herüber und Paula hätte schwören können, dass sie dabei heimlich eine Träne verdrückte.

      »Ich mach ihr mal ’nen Kaffee«, brummte Paul und düste in die Küche, um den italienischen Espressokocher in Aktion zu setzen, der in Minutenschnelle Omas heiß geliebte pechschwarze Brühe hochblubbern und sie zumindest zeitweise über ihren Abschiedsschmerz hinwegtrösten würde.

      Paula blieb am Gartentor stehen, schaute sich noch einmal um, atmete tief durch und stieß erleichtert die Luft aus: Für sie gab es nichts, was sie in ihrem alten Zuhause hielt. Nina, ihre beste Freundin, war schon vor über einem Jahr in ein piekfeines Schweizer Internat gewechselt. Und trotz der E-Mails, die sie sich seitdem mehr oder weniger regelmäßig schrieben, hatte die alte Nähe zueinander die räumliche Trennung nicht lange überlebt. Und außerdem: Als Zwilling war man irgendwie nie allein. Und dann war da ja schließlich Carlotta, die schon ganz aufgeregt auf sie wartete.

      »Paula, komm, du musst mir helfen!«, unterbrach Gesine Schmidtke Paulas inneres Abschiedsritual.

      Sie stand vor der geöffneten Heckklappe ihres Wagens und redete beschwörend auf Püppi ein. Püppi hörte ihr wedelnd und mit schief gelegtem Kopf zu. Aber sie machte keinerlei Anstalten, in den Wagen zu springen.

      »Hopp, schöön hopp!!« Keine Reaktion. Paulas Mutter warf genervt die Hände in die Luft. »Komm, Paula, wir müssen sie irgendwie da reinhieven.«

      Paula dachte kurz nach. Ins Auto gehievt zu werden, war irgendwie unwürdig für ein Dobermädchen, auch wenn es erst zwei Jahre alt war. Kurz entschlossen stieg Paula vorne ins Auto, schloss die Tür und rief: »Huuu! Fieser Gangster!«

      Wie ein geölter Blitz sprang Püppi in den Wagen und schaute sich zähnefletschend und knurrend nach dem vermeintlichen Übeltäter um. Zack, war die Heckklappe zu. Püppi wurde gelobt und gekuschelt und dann waren endgültig nur noch die Rucksäcke und der Reiseproviant zu verstauen. Es konnte losgehen!

      Hotte und Oma würden mit dem Zug nachkommen, sobald der Möbelwagen beladen und das Haus endgültig leer und abgeschlossen war.

      »Schnick, schnack, schnuck.« Paul und Paula spielten um das Recht auf den Beifahrerplatz. »Schere schneidet Papier!«, feixte Paul.

      Pech gehabt, dachte Paula und verzog sich auf den Rücksitz, während Paul sich vorne neben ihrer Mutter anschnallte.

      Es war genau dieser Moment, der sich später wie die Endlosschleife eines Filmclips immer wieder in ihrem Kopf abspulen sollte.

      Doch jetzt ging es erst einmal durch die verstopfte City Richtung Autobahn. Fünf langweilige Stunden lagen vor ihnen; mindestens! Paul hatte sich das Hertha-Lexikon gekauft, stöberte darin herum und stellte am laufenden Band irgendwelche Quizfragen: »Woher stammt der Name Hertha?«, »Wie hießen die Vereinsgründer?«

      Irgendwann hielt sich Paula demonstrativ ihren Krimi vor die Nase und schaltete auf Durchzug. Das ging eine ganze Weile gut. Aber kurz vor Berlin legte er wieder los: »Wer war bei Hertha der erfolgreichste Spieler aller Zeiten?«, »In welchem Jahr stand Hertha im UEFA-Cup-Halbfinale?«

      »Paul, du nervst!«

      »Wie heißt das Vereins-Maskottchen?«

      »Käpt’n Blaubär?« Paula hatte definitiv die Nase voll.

      »Herthinho«, antwortete Gesine Schmidtke zu Pauls und Paulas Verblüffung.

      »Wow!« Paul war hin und weg. Normalerweise interessierte sich seine Mutter nicht die Bohne für Fußball. Begeistert setzte er gleich noch einen drauf: »Und was bedeutet die Abkürzung BSC?«

      »Blöd, schlapp, chancenlos«, antwortete Paula wie aus der Pistole geschossen.

      Paul fand das gar nicht komisch. »Quatsch, das heißt Berliner Sport…«

      Der Rest ging in ohrenbetäubendem Lärm unter. Metall knirschte auf Metall, dann ein dumpfer Schlag, als der Wagen gegen die Leitplanke prallte. Splitterndes Glas und schließlich Stille und Dunkelheit.

      Irgendwann drangen aufgeregte Stimmen in das dumpfe, pulsierende Rauschen, das Paula von Kopf bis zu den Füßen auszufüllen schien:

      »… mit maßlos überhöhter Geschwindigkeit …«

      »… typischer Raser …«

      »… wahrscheinlich von der Fahrbahn abgedrängt …«

      »… schwer verletzt …«

      Paula schlug die Augen auf. Ein Feuerwehrmann nickte ihr beruhigend zu, öffnete die Wagentür, löste den Anschnallgurt und zog sie vorsichtig heraus. Das Rauschen hörte nicht auf.

      »… nichts passiert …«

      »… alles gut …«

      Als der Mann sie auf den Armen in Richtung der rotierenden blauen Lichter trug, schaute Paula zurück. Das Wrack der Schmidtke’schen Familienkutsche war von Feuerwehrleuten umringt. Durch das Beifahrerfenster konnte sie das Gesicht ihres Bruders erkennen. Er war aschfahl. Seine Augen waren weit aufgerissen. Dann verdeckte ein Feuerwehrmann die Sicht. Er hatte so etwas wie eine Kreissäge in den Händen.

      Auf dem Grünstreifen stand ein Polizist und telefonierte. Nicht weit davon entfernt brannte ein schwarzer Sportwagen.

      Schnick, schnack, schnuck, dachte Paula. Schnick, schnack, schnuck: Schere schneidet Papier. Ich hätte da vorne gesessen, wenn … wenn …

      Verzweifelt versuchte sie, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann holte sie die Dunkelheit wieder ein.

      Es gab Kassler Braten mit Klößen. Paula musste schon beim Anblick würgen. »Ich bin Vegetarierin«, erklärte sie kategorisch.

      Die hektische junge Krankenschwester schaute sie verständnislos an und zuckte die Achseln. »Muss ich ansagen. Dann isst du heute halt nur das Sauerkraut und die Klöße.«

      »Klöße find ich obereklig. Fieser, fader Schwabbelkram.«

      »Sonst noch was?«, fragte die Schwester ungnädig und griff nach dem Teller. »Um halb vier gibt’s Kuchen. Wenn du bis dahin mit ’nem Apfel auskommst …«

      Paula

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