Voll verliebt im Tor. Ulrike Bliefert
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Читать онлайн книгу Voll verliebt im Tor - Ulrike Bliefert страница 5
»Danke. Morgen bin ich eh nicht mehr da«, zwitscherte ihr Paula munter hinterher.
Hotte hatte ihr gleich nach dem Frühstück die frohe Botschaft überbracht: Püppi war nach einer Nacht im Tierheim von Oma Helga abgeholt worden und hatte den Unfall offenbar ohne bleibenden Schaden überstanden. Mama trug wegen des Schleudertraumas eine Halskrause und hatte auf ihrer linken Körperseite ein Muster blauer Flecken von der Größe einer Schullandkarte. Aber ansonsten war sie okay.
Und Paul hatte ein Gipsbein. Nicht weiter tragisch.
»Es ist ein Wunder, dass ihr alle da einigermaßen heil herausgekommen seid«, hatte Hotte gemeint.
Paula seufzte und biss herzhaft in ihren Apfel: Sie selbst hatte bei dem Unfall nicht mal einen Kratzer abbekommen. Die hatten sie nur zur Beobachtung in der Klinik behalten. Zwar war das Auto hin und die kleine Nachbarschaftsparty, die Carlottas Mutter zum Einzug organisiert hatte, war ins Wasser gefallen. Aber die Versicherung würde das Auto ersetzen und die Willkommens-Party … Wie aufs Stichwort klingelte das Telefon und Carlotta war am Apparat:
»Kannst du singen?«
»Wie? Jetzt sofort?« Paula war einigermaßen perplex über die Frage.
»Quatsch. Wir proben mit der ganzen Klasse schon seit letztem Schuljahr Hair. Das Musical. Zusammen mit Axelschweiß.« »Mit wem?!«
»Axelschweiß. Unsere Schulband. Axel mit X. Wegen Alexander von Humboldt, verstehst du?«
»Klar!« So hieß ja ihre neue Schule. – »Super. Und?«
»Eine von den Hauptrollen ist geplatzt.«
»Was?!«
»Na, die Maja, eine aus unserer Klasse, die musste von heut auf morgen umziehen. Nach Hannover. Und jetzt muss die Rolle natürlich neu besetzt werden.«
»Aha …?« Paula verstand immer noch nicht, worauf Carlotta hinauswollte.
»Und weil wir alle Songs auf Englisch singen und du doch total gut Englisch kannst, da dachte ich …«
»Ja, schon, aber …«
»Ich fänd das soooo cool, wenn du statt Maja die Jeannie spielen würdest! Das ist so ein freches, schwangeres Hippie-Mädchen.«
Paula musste sofort an ihre Oma denken. »Könnte lustig werden«, stimmte sie Carlotta zu.
»Super! Ich helf dir auch beim Textlernen«, versprach Carlotta. »Ich spiel übrigens die Sheila«, schwärmte sie weiter, »das ist so ’ne gaaanz Brave.«
Wundert mich irgendwie nicht, dachte Paula.
»Also soll ich Peachie sagen, dass du die Rolle übernimmst?«, fragte Carlotta ungeduldig.
Peachie, das war der schöne Dr. Pesch. Französisch »pèche«, auf Deutsch übersetzt »Pfirsich«, das Ganze auf Englisch: »peach«. Und schließlich verniedlicht Peachie. Die Mädchen an der Humboldt-Oberschule himmelten ihn an wie einen Popstar.
»Okay«, meinte Paula trocken.
»Juuuuuuuuuuuuuuu-huuuuuuuuuuuuu!!!«
Erschrocken riss Paula den Hörer vom Ohr weg.
»Also dann: bis morgen«, jubelte Carlotta.
»Ciao, Pippilotta!«
»Wenn du mich noch ein Mal Pippilotta nennst, dann …« Aber Paula hatte bereits aufgelegt.
Sie zappte durch die Kanäle, fand nichts Gescheites, schlüpfte in ihren Bademantel und marschierte trotz der strikten Auflage, heute noch im Bett zu bleiben, zu Paul in die orthopädische Abteilung hinüber.
Ihr Bruder spielte mit Till und Hendrik, seinen beiden Zimmernachbarn, Poker und war offensichtlich nicht gerade erpicht darauf, seine Zwillingsschwester in die Runde aufzunehmen.
Erst als sie schon wieder im Begriff war zu gehen, wandte er sich ihr zu. »Du-u-u«, meinte er gedehnt, »ich muss dich was fragen.«
»Na, mach doch.« Paula stand in der Tür und zuckte die Achseln.
»Ist … was Persönliches.«
Till und Hendrik spitzten augenblicklich die Ohren und Paul schaute beschwörend auf den Klapprollstuhl in der Zimmerecke.
Paula blies die Backen auf. Das musste ja was enorm Wichtiges sein.
Sie faltete den Rollstuhl auseinander und half ihrem Bruder, sich hineinzusetzen. In der Cafeteria karrte sie Paul an einen der Tische, holte zwei Flaschen Bionade und setzte sich zu ihm. »Und?«, fragte sie. »Was ist los?«
»Na jaaa, ich muss doch noch mindestens zwei Wochen hierbleiben«, fing Paul an, »und da wollte ich dich fragen …«
»Klar sag ich dir die Hausaufgaben durch und so«, unterbrach Paula. Die Flatow-Schule war zwar ein ganzes Stück weiter von zu Hause entfernt als die Humboldt-Oberschule, aber mit dem Fahrrad war das locker in zwanzig Minuten zu schaffen.
»Nein, ich mein was anderes …«
»Na, von mir aus räum ich auch dein Zimmer schon mal so weit ein, wie ich kann.«
Statt vor Dankbarkeit und Begeisterung vor ihr niederzufallen – okay, das ging natürlich schlecht mit Gipsbein –, fummelte er an dem Strohhalm in seiner Bionade-Flasche herum und konnte seiner Schwester offenbar nicht gerade in die Augen sehen.
»Wenn ich gleich am ersten Tag fehle: Was macht denn das für einen Eindruck?«, druckste er rum.
»In der Schule?«, fragte Paula irritiert. Seit wann war Paul denn so schulversessen?
»Quatsch! Nicht in der Schule …«
»Wo denn sonst? Bei deinen Herthanern?«
Paul nickte dankbar. Paula fasste es nicht! Was Paul da mal wieder für einen Riesenwirbel wegen gar nichts machte! Jungs waren manchmal wirklich – wie sagte Oma immer? – echte Zimperliesen.
»Mensch, Paul, wo ist denn da das Problem? Mama ruft bei eurem Trainer an, sagt, dass wir ’nen Unfall hatten, und fertig.«
»Nein! Bloß nicht!« Um ein Haar hätte Paul sich die gesamte Bionade in den Schoß gekippt. »Das musst du unbedingt verhindern!«
Paula verstand endgültig überhaupt nichts mehr: »Was ist denn so schlimm daran, beim Training ein paar Mal auszufallen?«
»Mann, da gibt es Kids, die sind schon seit der Pampers-Liga bei Hertha BSC! Und die sind bestimmt nicht happy, wenn ihnen einer von auswärts den Platz in der D-Jugend wegnimmt und dann noch nicht mal auftaucht.«
»Na und? Wer in der D-Jugend spielt und wer nicht, das ist ja wohl immer noch eine Frage des Talents und nicht der Vereinszugehörigkeit.«
»Ja schon, aber …« Schweigen.
Komisch, dachte Paula.