Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis. A. F. Morland

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Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland

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angesetzt. Der Richter erwartet Sie.“

      13

      Es war eine lange Fahrt.

      Oder kam sie mir nur so endlos vor, weil ich sie in der Enge des Kofferraums durchstehen musste? Ich war noch immer gefesselt. Die Hände spürte ich schon nicht mehr. Tiggers hatte dafür gesorgt, dass der widerwärtige Knebel wieder den alten Platz einnahm. Der Wagen war schlecht gefedert. Ich merkte genau, wenn es über Kopfsteinpflaster, über Schienen und Schlaglöcher ging.

      Zum Glück wurden die Straßen allmählich besser. Wir hielten häufiger. Das regelmäßige Bremsen konnte nur mit dem Vorhandensein von Ampelanlagen erklärt werden, gleichzeitig wurde der Verkehrslärm intensiver. Es gab kaum einen Zweifel: Wir rollten durch Manhattan.

      Ich hatte keine Ahnung, wie lange diese qualvolle Fahrt wirklich dauerte. Endlich, nachdem wir eine halbe Minute über knirschenden Kies gefahren waren, hielt der Wagen. Die Kofferraumklappe wurde geöffnet und über mir sah ich den sternenklaren Himmel. Er wirkte aus meiner Sicht etwas verschwommen, denn in meinen Augen standen Tränen des Schmerzes. Zwei Männer hoben mich aus dem Wagenheck und trugen mich ins Haus. Dort legten sie mich auf den Boden und zerschnitten meine Fesseln. Jetzt ging der Schmerz erst richtig los.

      Die jäh einsetzende Blutzirkulation machte mir einige Minuten so stark zu schaffen, als wären meine Adern mit Salzsäure gefüllt. Dann ließ der Schmerz nach. Ich öffnete die Augen und schaute mich um.

      Ich lag in der Halle einer hochherrschaftlich anmutenden Villa. Die Ölschinken an den Wänden mussten ganze Malergenerationen in Lohn und Brot gehalten haben. Es handelte sich fast ausschließlich um Darstellungen antiker Schlachtszenen. Das Getümmel muskulöser Menschen und Pferdeleiber, das dick aufgetragene Blut und die brechenden Blicke der Sterbenden waren zweifelsohne ein sehr fragwürdiger Kunstgenuss. Gerade jetzt hätte ich ihn mir gern versagt.

      „Aufstehen, Schnüfflerin!“, sagte eine Stimme. Sie war weder laut noch gehässig, sie war einfach widerlich. Ich wälzte mich zur Seite und kam auf die Beine. Als ich schon glaubte zu stehen, sackte ich wieder zusammen.

      „Sie war nicht gut in Form heute“, sagte ein Mann spöttisch. „Hat wohl zu viel getrunken!“

      Ich schaute den Sprecher an. Er war knapp vierzig Jahre alt und bewegte kaugummikauend die Kinnladen.

      Der andere Mann war etwas jünger. Er hatte ein Boxergesicht mit platt geschlagener Nase und kleinen, tückisch funkelnden Augen.

      Von Tiggers und seiner Nichte war nichts zu sehen. Ich kämpfte mich erneut in die Höhe. Diesmal blieb ich auf den Beinen, wenn auch recht wacklig.

      In diesem Moment ertönte ein Klingelsignal.

      Es schien, als rotierte die Halle in wildem Tempo um mich herum. Das Tempo beruhigte sich langsam. Ich bekam einen Stoß von hinten. Das war der Boxer.

      „Vorwärts, Marsch!“, befahl er. „Der Chef will dich sprechen!“

      Ich riss mich zusammen, aber das nützte nicht viel. Meine Beine fühlten sich an, als wären die Knochen gegen Gummischläuche ausgetauscht worden. Ich schaffte es einfach nicht, gerade zu gehen. Flankiert von den Männern wankte ich in einen Raum, in dem es nur eine einzige Lichtquelle gab.

      Diese tiefhängende Deckenlampe beleuchtete einen kahlköpfigen Mann, der im dunklen Anzug hinter einem mit schwarzem Stoff behangenen Tisch saß. Die Atmosphäre im Zimmer, die strengen, fast asketischen Züge des Mannes und der verhangene Tisch ließen mich im ersten Moment glauben, in das Klubzimmer eines spiritistischen Zirkels geraten zu sein, aber schon in der nächsten Sekunde wurde mir klar, dass ich dem Richter gegenüberstand.

      Ich konnte nicht erkennen, wer oder was sonst noch im Raum war. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass außer dem Richter und meinen Bewachern noch mehr Augen meinen wenig imponierenden Einzug verfolgten.

      Ich erhielt erneut einen Stoß von hinten und sackte auf einem Stuhl zusammen. Die rotierende Welt kam endgültig zum Stillstand. Ich war in der Lage, wieder ein paar klare Gedanken zu fassen. Sehr leicht fiel mir das in dieser Umgebung freilich nicht.

      Der Richter war knapp fünfundvierzig Jahre alt. Er hatte ein strenges schmales Gesicht von der Art, wie man es bei Mephisto-Darstellern schätzt, und dunkle, glühende Augen. Seine Lippen waren blass und schmal. Das Kinn war durch eine tiefe Kerbe zweigeteilt. Er war fabelhaft rasiert. Der Duft seiner Aftershave-Lotion drang bis in meine Nase. Zu dem dunklen Anzug trug er eine silbergraue Krawatte. In dem Revers steckte eine weiße Nelke. Die Blume wirkte seltsamerweise nicht belebend, sie verlieh der Szene etwas von der düsteren Melancholie einer Bestattung.

      „Sie sind also Carrie Hill“, sagte er. Seine Stimme überraschte mich. Ich war auf eine dünne, flache Stimme gefasst gewesen und musste nun erkennen, dass der Richter eine kräftige, wohltönende Stimme hatte, die sich in jeder Umgebung sofort Gehör zu verschaffen wusste.

      „Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?“

      Er machte eine kleine Kunstpause und sagte dann ruhig:

      „Mein Name ist Paul Dozer.“

      Ich war einen Augenblick so verblüfft, dass ich erst schlucken musste.

      „Paul Dozer“, echote ich. „Ich hoffte seit langem, Sie einmal kennenzulernen.“

      Paul Dozer war die unbekannte Größe innerhalb der Unterwelt. Er ließ sich nicht einordnen. Er war weder ein Einzelgänger, noch führte er ein Syndikat der üblichen Art.

      Jedes Syndikat hat sich auf eine bestimmte Form der Geschäftsführung festgelegt. Fast immer gehören Rauschgifthandel, Prostitution und Erpressung dazu. Von Dozer wurde behauptet, dass er jede Schablonisierung und Schematisierung der Arbeit hasste. Er zog es vor, etwa nach der Art der englischen Posträuber, einen großen „Job“ detailliert und generalstabsmäßig zu planen und durchzuführen. Es war selten, dass er ein großes Ding wiederholte.

      Jetzt wusste ich, wer hinter dem Vierzehn-Millionen-Dollar-Raub stand. Weshalb waren wir nicht früher darauf gekommen?

      „Sie stören unsere Kreise, Hill“, sagte er.

      „Das ist mein Beruf, Dozer.“

      „Was wissen Sie bereits?“

      „Noch nicht genug“, sagte ich ausweichend, obwohl ich wusste, dass Dozer meinen Tod schon beschlossen hatte. Es wäre ihm sonst nicht eingefallen, sich namentlich vorzustellen. Von Dozer, der niemals in einer Gefängniszelle gesessen hatte, existierten nur zwei Aufnahmen aus seiner Militärzeit. Seit damals hatte er sich beträchtlich verändert Es wurde behauptet, dass er nach zwei Gesichtsoperationen kaum noch Ähnlichkeit mit dem GI aus dem Jahre 1990 hatte.

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