Yoga und die Zukunft der Menschheit. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Wie um mit ihrem Finger auf ihr Vorhaben zu deuten, hat sie die Merkmale dieses Vorgangs des Zerbrechens und Wiederaufbaus im Phänomen des Genies angehäuft. Es ist heutzutage Allgemeinwissen, dass Genie kaum jemals in der menschlichen Art auftritt, ohne von Abnormitäten des Körpers, der Lebenskraft oder des Mentals vorbereitet oder begleitet zu sein. Anlagen zu Entartung, Irrsinn oder Verkrüppelung sind in der Erbmasse enthalten, aus der es hervorgeht, und sogar Störungen und paranormale Einflüsse können in dem menschlichen Umfeld vorkommen, in dem es auftritt. Mit der Voreile einer brillanten Verallgemeinerung wurde auf dieser Grundlage das Paradox aufgestellt, dass Genie selbst eine morbide Form des Irrsinns oder der Entartung ist. Die der Wahrheit entsprechende Erklärung liegt auf der Hand. Um Genie in den menschlichen Organismus einzuführen, ist die Natur gezwungen, das normale Funktionieren dieses Organismus zu stören und teilweise aufzuheben, und zwar deshalb, weil sie in ihn ein Element einführt, das dem davon bereicherten Typus übergeordnet und deshalb fremd ist. Beim Genie handelt es sich nicht um die vollendete Entfaltung dieses neuen und göttlichen Elements, sondern lediglich um einen Anfang oder bestenfalls um eine Annäherung in bestimmte Richtungen. Es offenbart sich schubweise und unberechenbar inmitten einer gewaltigen Menge etwas aus der Ordnung geratener normal-menschlicher Denkvorgänge, vitaler Nervenvorgänge und tierhafter Körpervorgänge. Die Sache selbst ist göttlich, doch das ungöttliche Gefäß, in dem sie sich auswirkt, wird mehr oder weniger von der in ihm wirkenden unassimilierten Kraft aufgerodet und zerbrochen. Manchmal gibt es da ein Element in dem göttlichen Eindringling, das sich des Gefäßes bemächtigt und es festigt, so dass es nicht zerbricht und auch gar nicht erst brüchig wird oder, sollte doch eine Störung eintreten, ist sie gering und ohne Bedeutung. Solch ein Element war in Caesar, in Shakespeare und in Goethe zugegen. Manchmal offenbart sich auch eine Kraft, die wir nicht länger als Genie bezeichnen können, ohne dass unsere Terminologie hoffnungslos unzulänglich wird. Dann neigen sich jene nieder, die Augen haben zu sehen, und bezeugen den Avatar. Denn oftmals ist es das Werk des Avatars, teilweise oder summarisch das zu verkörpern, was die Natur in der Allgemeinheit oder sogar im Einzelnen noch nicht bewerkstelligt hat, auf dass sein vorübergehender Aufenthalt es dem materiellen Äther, in dem wir leben, aufprägen möge.
Aber welcher Art ist dieser Typus, mit dem die große Mutter in den Wehen liegt? Was wird nach den Schreien und den Wehen dieser langen und gewaltigen Schwangerschaft geboren werden? Ein höherer Menschentyp, möchte man sagen. Doch um zu verstehen, was wir damit meinen, müssen wir uns zunächst darüber Klarheit verschaffen, welcher Art die Menschheit ist, die die Natur zu übertreffen sucht. Dieses menschliche Symbol, dieser Typus, der wir jetzt sind, ist ein mentales Wesen mit einem mentalen Ego. Dieses wirkt stets in einer vitalen Hülle und vermittels des Mentals, doch auf die Materie, in der Materie und durch die Materie. Es ist in seinem höheren Wirken durch seine niederen Werkzeuge eingeschränkt. Seine mentale Grundlage ist egoistisch, sinnlich und durch seine Erfahrung sowie durch seine Umwelt bestimmt. Sein Wissen zieht daher weitere oder engere Kreise in einem fest vorgezeichneten und kargen Gelände. Sein sittliches Wesen und Handeln ist in ähnlicher Weise egoistisch, sinnlich, empirisch und durch die Umwelt bedingt. Aus diesem Grunde ist es der Sünde und der Tugend gleichermaßen verhaftet, und alle Versuche, die Menschheit innerhalb der Grenzen ihrer egoistischen Natur sittlich von Grund auf zu verändern, mussten und müssen notwendig, trotz einzelner Verbesserungen, in einem allgemeinen Fehlschlag enden. Der gegenwärtige Menschentyp ist etwas Zusammengewürfeltes und Verworrenes. Körper, Lebenskraft und Mental behindern sich gegenseitig und werden voneinander beeinträchtigt. Seine auf Sinneskontakt beruhende Suche nach Erkenntnis gleicht dem Herumtappen eines Menschen, der des Nachts im Walde seinen Weg zu finden versucht. Er lernt seine Umgebung kennen, indem er sie berührt, gegen sie prallt oder über sie stolpert. Zwar ist ihm das unsichere Licht der Vernunft gegeben, das dieses Unvermögen teilweise ausgleicht, doch da die Vernunft ebenfalls von den Sinnen, diesen konsequenten Verfälschern von Werten, auszugehen hat, ist ihr Erkenntnisvermögen beschränkt und stets von großer Undeutlichkeit und Ungewissheit umgeben, auch dann, wenn sie wähnt, verstanden zu haben. Er sichert sich einige wenige Blüten der Wahrheit, indem er in einer Dornenhecke von Zweifeln und Irrtümern herumwühlt. Auch die diesem Typus eigene Art zu handeln gleicht dem Durchdringen eines Dickichts, dem zuversichtlichen und doch gequälten Voranstolpern entlang übereifriger Fehlschläge zu teilweisen und kurzlebigen Erfolgen. Obwohl allem, was die Natur sonst bisher zuwege gebracht hat, weit überlegen, ist dieser Typus doch derart mit Unzulänglichkeiten behaftet, dass jene pessimistischen Philosophien durchaus gerechtfertigt wären, die am Leben verzweifeln, die im „Willen, nicht zu leben“, den einzigen Ausweg für die Menschheit sehen und kein anderes Heil für sie in Erwägung ziehen – falls es tatsächlich unmöglich sein sollte, seine charakteristischen Grenzen zu durchbrechen und weiterzugehen. Aber die Natur ist der Wille des Allweisen Gottes und arbeitet nicht auf eine Zurückführung der Welt aufs Absurde hin. Sie kennt ihr Ziel, sie weiß, dass der Mensch in seiner gegenwärtigen Beschaffenheit nur eine Übergangsform ist. So weit sie es ohne das Überleben der Art zu gefährden vermag, drängt sie vor zu dem, was sie in Gottes ewigem Wissen als über dem Menschen stehend erblickt hat. Ausgehend von diesem Ego bewegt sie sich auf ein universales Bewusstsein hin, ausgehend von dieser Begrenzung auf eine freie Beweglichkeit im Unendlichen, ausgehend von diesem im Dunkeln tappenden Mental auf eine unmittelbare sonnenerleuchtete Schau der Dinge. Von diesem ausweglosen Konflikt zwischen Laster und Tugend bewegt sie sich hin zu einem Fortschreiten, das sich spontan an den von Gott zugewiesenen Pfad hält, von diesem zersplitterten und leidumwobenen Handeln hin zu einem freien und freudigen Tätigsein, von diesem verworrenen Ringen unserer Glieder hin zu einem entwirrten, geläuterten und harmonischen Zusammenwirken, von dieser materialisierten Mentalität hin zu einem idealen und erleuchteten Leben, Körper und Mental, vom Symbol hin zur Wirklichkeit, von dem von Gott getrennten Menschen hin zum Menschen in Gott und zu Gott im Menschen. Kurz gesagt, wie ihr Streben einst erfolgreich von der Materie aus auf das Leben gerichtet war, vom Leben aus auf das Mental und das mentale Ego, so richtet es sich jetzt – und dies ebenfalls mit vorbestimmtem Erfolg – auf ein Element jenseits des Mentals, auf das vijnana der Hindus. Dieses ist die aus sich heraus leuchtende Idee oder das Wahrheits-Selbst, das derzeit verborgen und überbewusst im Menschen und in der Welt existiert, wie das Leben stets in der Materie und das Mental im Leben heimlich zugegen waren. Sie weiß, dass sie durch dieses Wahrheits-Selbst jenen höchsten Inbegriff aller Dinge in ihren festen Besitz bringen kann, der die Wirklichkeit aller Symbole ist, im Geist, in Sachchidananda.
Das Ziel der Natur ist auch das Ziel des Yoga. Wie die Natur auf ihrer höchsten Höhe, sucht auch der Yoga diese Formation, bestehend aus Ego, mentalisiertem Leben im Körper und materialisiertem Mental, zu durchbrechen, um in unserem spirituellen Wesen zum idealen Handeln, zur idealen Wahrheit und zur unendlichen Freiheit zu gelangen. Die Verwirklichung eines so ungeheuren Ziels erfordert gewaltige und gefährliche Verfahren. Diejenigen, die sich auf diesem Weg besonders hervorgetan oder neue Pfade zu diesem Ziel erschlossen haben, hatten dem Verlust ihres Verstandes, der Auflösung ihrer moralischen Integrität, ja sogar der Einbuße ihrer Gesundheit und ihres Lebens als einer häufig eintretenden Möglichkeit zu trotzen. Auch wenn sie scheiterten, sollten wir ihnen weder Mitleid noch Verachtung entgegenbringen, denn sie sind Märtyrer für den Fortschritt des Menschengeschlechts, und dies in weit größerem Maße als ein verschollener Seefahrer oder ein Wissenschaftler, der den Gefahren seiner Forschertätigkeit erlag. Sie bereiten wissentlich jene größtmögliche Vollendung vor, auf die die restliche Menschheit sich instinktiv