Mit dem E-Bike auf der Seidenstrasse. Andrea Freiermuth
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«Fahrräder mögen sich ändern, aber Radfahren ist zeitlos.»
Zapata Espinoza, US-amerikanischer Journalist (*1960)
Ich werde den Flyer bloss im Modus «Eco» fahren, also mit der tiefsten Unterstützungsstufe, dachte ich mir als passionierte Rennradfahrerin und Mountainbikerin vor der Abreise. Schliesslich habe ich gute Beine und einen starken Willen. Aber eben: Das war mal.
Hochmut kommt vor dem Elektromotor: Mit dem Flunkern habe ich schon bei meinen Testfahrten rund um Zürich begonnen. Bei diesen Ausflügen begleitete mich mein Freund auf seinem Cross-Bike. Darum fuhr ich doch meistens mit der höchsten Unterstützungsstufe «High», dem Turbo. Um mithalten zu können, musste ich im Flachen trotzdem tüchtig in die Pedale treten, denn ab 25 Kilometer pro Stunde gibts bei meinem Modell keinen Support mehr. Dafür konnte ich mich mit der höchsten Unterstützungsstufe am Berg gut erholen. Und zugegeben: Es machte mir auch Spass, locker an meinem Liebsten vorbeizuziehen und ihm dabei etwas Mut zuzusprechen.
Mit einem zweiten Akku und der Küche im Gepäck, so merkte ich schnell, würde ich wahrscheinlich konventionell reisenden Tourenfahrern im Modus «Eco» nicht wirklich nachkommen. Das Bike alleine ist mit einem Akku 29 Kilogramm schwer, dazu kommen rund 20 Kilogramm Gepäck, wovon 3.7 Kilogramm alleine der zweite Akku ausmacht. Kurz: Es ist verdammt schwer.
Okay, sagte ich mir: Du fährst nicht «Eco», sondern «Standard». Das ergibt dann bei 100 Prozent Akku immer noch eine Reichweite von 133 Kilometern. Diese Zahl gilt zwar nur in der Fläche, aber die Berge brauchen dir trotzdem keine Angst zu machen, weil du schliesslich eine zweite Batterie im Gepäck hast.
Mit dem vierten möglichen Modus «Auto» beschäftigte ich mich schon gar nicht erst: Automatik fahren doch nur Amerikaner und andere Flachfahrer, dachte ich.
Inzwischen bin ich dem Elektromotor verfallen und nutze alle vier Unterstützungsstufen. Mit der «Automatik» kann ich mich am Berg am besten auf gleicher Höhe mit meinem Reisepartner Beat halten. «Standard» kommt vor allem in der Fläche gut. Und «High» eignet sich für Anstiege über 12 Prozent oder aber wenn ich am Berg vorfahren möchte, um Zeit für Fotos zu gewinnen.
Die Angst, ungenügend Reichweite zu haben, war zumindest in den Alpen schon mal unbegründet: Am zweiten Reisetag absolvierte ich 1400 Höhenmeter mit einem Akku, gefahren bin ich meistens «Standard» und bei knackigen Anstiegen kurz «High». Am dritten haben wir den Flüela (2383) und den Ofenpass (2149) bezwungen und dabei insgesamt 1772 Höhenmeter und 88 Kilometer zurückgelegt. Am fünften folgte die Königsetappe über den Karerpass (1745) und den Passo San Pellegrino (1918), insgesamt 102 Kilometer und 2680 Höhenmeter. Ich liess den Flyer mehrheitlich im Modus «Auto» schnurren und bin ein paar Mal im Turbo für Fotos vorgefahren – am Ende des Tages zeigte der zweite Akku immer noch 40 Prozent an.
So ein E-Bike bietet
viele Vorteile
«Besorg Dir ein Fahrrad.
Wenn Du lebst, wirst Du es nicht bereuen.»
Mark Twain, US-amerikanischer Schriftsteller (1835 – 1910)
Morgen werde ich mit meinem E-Bike bereits die Grenze zu Montenegro überqueren. Unglaublich, wie weit wir in bloss drei Wochen gekommen sind. Bereits 1600 Kilometer via Italien, Slowenien und Kroatien liegen hinter uns – und damit die Alpen, die Poebene und die Adriaküste bis nach Dubrovnik.
Die Angst, die mich vor der Abreise plagte, ist komplett verflogen. Vielleicht auch wegen der 73-jährigen Janny aus Holland. Wir sind ihr gleich am zweiten Tag bei einem Wegweiser in der Nähe von Sargans SG begegnet. Seit ihr Mann vor rund 20 Jahren verstorben ist, fährt sie jeweils allein mit dem Fahrrad los und das stets mit dem Zelt. Die Rentnerin campiert bei Wind und Wetter, um sich ihre Reisen leisten zu können, so auch auf ihrer aktuellen Tour von Bonaduz nach Rotterdam.
In Zernez GR trafen wir auf den Motorradfahrer Tom aus Oberbayern, der gemeinsam mit einem Kollegen vom Oberengadin nach Mühldorf am Inn unterwegs war – mit dem E-Bike, «weil man damit näher an der Natur ist». Dass nun selbst Motorradfahrer aufs Elektrovelo umsteigen, stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft unseres Planeten.
Es gibt aber immer noch viel zu viele Leute, die zu wenig über E-Bikes wissen. In Gesprächen entlang der Strasse fragen mich viele, wo ich denn die Akkus lade. Manche meinen tatsächlich, man brauche dafür eine spezielle Ladestation, als ob mein Bike ein Tesla wäre. Dabei genügt doch eine kommune Steckdose – und innerhalb Europas, der Türkei und des Irans brauche ich nicht mal einen Adapter, um an den Strom zu kommen, da das Netzteil bloss zweipolig ist und mein Schweizer Stecker so problemlos passt.
Wobei der Vergleich mit dem Tesla nicht ganz ohne ist, denn wir sind wirklich sportlich unterwegs. Das liegt natürlich auch an meinem Reisepartner Beat, der mich bis Istanbul begleitet. Er fährt ohne Unterstützung, weil er zu seinen besten Zeiten pro Jahr 10 000 Rennrad-Kilometer zurücklegte und unglaublich fit ist. Wir sind ein ungleiches Paar, und würde ich nicht elektrifiziert fahren, müsste er ständig auf mich warten.
Zudem kann ich dank des Flyers nicht nur so schnell, sondern auch so weit wie Beat radeln: Ich habe zwei Akkus à 630 Wattstunden dabei. Bei der bisherigen Königsetappe über 102 Kilometer und 2680 Höhenmeter hatte ich am Ende des Tages immer noch 40 von zwei Mal 100 Prozent Akku. Hätte ich die Pausen zum Nachladen genutzt, hätte ich wahrscheinlich nicht mal eine zweite Batterie gebraucht. Denn der Akku benötigt bloss drei Stunden am Netz, um von 0 auf 100 Prozent zu kommen – wobei das letzte Drittel am meisten Zeit beansprucht und der Ladestand folglich nach einer Stunde am Strom schon wieder deutlich mehr als 33 Prozent beträgt.
Natürlich ist die Reichweite auch abhängig von der Unterstützungsstufe. Normalerweise fahre ich im Modus «Automatik» und damit etwa auf gleicher Höhe mit Beat. Falls es tatsächlich mal knapp werden sollte mit dem Ladestand des Akkus, will ich rechtzeitig auf «Eco» wechseln. Den Modus «High», ich nenne ihn den «Turbo», nutze ich, wenn ich vorfahren will – oder aber an heissen Tagen.
Damit wären wir bei einem weiteren Vorteil des E-Bikes. In Kroatien steigt das Thermometer zuweilen auf über 33 Grad im Schatten. Bei sonnenausgesetzten Anstiegen ist mein Reisepartner jeweils am Leiden, denn dann wird ihm richtig heiss, nicht nur wegen der zusätzlichen Anstrengung, sondern auch, weil dann der Fahrtwind fehlt. Ich hingegen lege in solchen Situationen den Turbo ein und düse den Berg hoch, ohne dabei ins Schwitzen zu kommen.
Das Einzige, was mir mit meinem Elektrovelo zuweilen etwas Probleme macht, sind die abschätzigen Blicke von manchen Rennradfahrern und Veloreisenden: Dem E-Bike-Fahrer haftet der Makel des Schwächlings an. Ein junger Tourenfahrer aus Bern meinte sogar, er könne verstehen, wenn alte Leute mit elektrischer Unterstützung fahren würden, aber bei jüngeren fände er das schon etwas lächerlich. Ich wusste dann nicht genau, ob ich nun erst lachhaft bin oder etwa schon alt; tröstete mich aber mit dem Fakt, dass der Jungspund auf dem Weg nach Kroatien die relativ flache Variante via Bozen, Trento und Venedig wählte, während wir einige der schönsten Pässe im Südtirol in Angriff nahmen.
Mit meiner Reise will ich dazu beitragen, dass sich das Image des E-Bikes verändert. Man muss ja nicht unbedingt grosse Reisen machen oder viel Sport treiben. Man kann es auch einfach im Alltag nutzen. Dafür gibt es schlagende Argumente: Für 10 E-Bike-Kilometer braucht