Sand und Asche. Peter Gerdes

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Sand und Asche - Peter Gerdes

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werden. Das gab es nicht umsonst. Und natürlich achtete jeder Insulaner peinlich darauf, dass er von diesen Kosten nicht mehr zu tragen hatte als unbedingt nötig.

      »Und?«, fragte Lüppo Buss. »Wer ist der böse Bube? Hast du schon eine Idee?«

      In einer Geste vollkommener Ahnungslosigkeit breitete Backe seine überlangen Arme aus. »Was weiß denn ich? Auf frischer Tat ertappt habe ich noch keinen, und einfach so jemanden beschuldigen, das gehört sich ja nicht, oder?« Seine zwinkernden Augen aber straften Backes Gestik Lügen, als er hinzufügte: »Vor allem nicht die lieben Mitbewerber.«

      Der Oberkommissar verzog sein Gesicht. Bloß das nicht! Der Smutje, der Laden, in dem Backe an der Fritteuse stand, war mehr als einem Langeooger Wirt ein Dorn im Auge. Dort speiste man zwar nicht eben edel – »Paniert, frittiert, serviert«, wie Backe es ausdrückte – dafür aber konkurrenzlos billig. Jedenfalls für Inselverhältnisse. Viele Familien waren hier unter den Touristen, und in Zeiten wie diesen wurde mit dem Cent gerechnet. Jeder Panadefisch mit Pommes oder Kartoffelsalat aus dem Plastikeimer entlastete die Reisekasse. Und brachte den umliegenden Restaurants Umsatzeinbußen. Ob tatsächlich oder nur gefühlt, das machte da keinen Unterschied.

      Kleinere Sabotageakte, und seien es nur ein paar illegal entsorgte Müllsäcke, um den billigeren Konkurrenten in Verlegenheit zu bringen, der natürlich nicht mehr Containerraum vorhielt als unbedingt nötig, waren als Reaktion durchaus vorstellbar. Ein bevorstehender Gastronomen-Krieg auch. Hier ging es ums Geld, und das war den Inselwirten heilig.

      »Also dann, wir gehen mal gucken«, entschied Lüppo Buss. Kein leichter Entschluss, zumal mit einer guten Portion Matjes mit Bratkartoffeln im wohltrainierten Bauch, dessen Muskeln schon beim bloßen Gedanken an den Geruch von Fischabfällen zu zucken begannen. Aber wo, wenn nicht im Container selbst, waren Hinweise auf den möglichen Täter zu erwarten?

      »Spitze.« Backe rieb sich die Bratpfannenhände. »Ich wette, wir finden Innereien. Von Fischen. Dann ist nämlich klar, wer’s war. Von uns können die auf keinen Fall sein, wir nehmen die Fische ja nicht selber aus.«

      »Logisch«, sagte Lüppo Buss. »Den möchte ich auch mal sehen, der tiefgefrorene Panade-Filets noch ausnehmen kann.«

      Interessant, dass Backe so selbstverständlich wir sagt, dachte der Inselpolizist, während er sich bemühte, mit dem Riesen Schritt zu halten, der erwartungsvoll in Richtung Smutje eilte. Er scheint sich richtig mit dem Laden zu identifizieren. Dabei gehört ihm der natürlich gar nicht. Und sein Job dort ist alles andere als ein Hauptgewinn. Jeden Tag Überstunden in Hitze, Fisch- und Fettgestank, und das Gehalt ist mit Sicherheit mehr als mau. Sonst hätte der alte Stapelgeld bestimmt jemand anderen dafür gefunden als ausgerechnet einen gewohnheitsmäßigen Knastrologen.

      Natürlich hieß der Eigner des Smutje nicht Stapelgeld, sondern Stapelfeld. Thees Stapelfeld. Sein Spitzname, den er seinem einst legendären Geiz verdankte, drückte durchaus nicht nur Spott, sondern auch Anerkennung aus. Stapelfeld war einer, der sich nicht mit dem zufrieden gab, was er geerbt, erworben und erheiratet hatte. Er wollte höher hinaus, er wollte mehr, und mehr bekam man eben nicht durch großzügig gezahlte Löhne. Jahr für Jahr erweiterte Stapelfeld das, was er nicht nur bei sich, sondern auch abends an der Theke »mein Imperium« nannte. Ein Spruch, über den auf Langeoog schon länger keiner mehr lachte.

      Backe streckte den Arm aus: »Da hinten steht er.«

      In einer schmalen Lohne zwischen dem Smutje und dem Nachbarhaus stand der Abfallcontainer der billigen Fischbraterei. Offenbar nicht genau auf seinem üblichen Platz, wo die Rollen deutliche Spuren auf den Pflastersteinen hinterlassen hatten. Das musste nichts heißen, konnte aber tatsächlich ein Hinweis darauf sein, dass jemand etwas Voluminöses oder Schweres hineingestopft und sich dann eilig entfernt hatte. Dreck und aufgeplatzte Tüten, aus denen Küchenabfall quoll, lagen um den großen Behälter herum, ganz wie von Backe beschrieben. Über allem hing ein Geruch, der den Matjes in Lüppos Bauch zu neuem Leben zu erwecken schien.

      »Mach mal auf«, wies er Backe an.

      Die Riese packte zu. Die große Metallklappe knarrte nur leise, als er sie ohne Mühe anhob.

      Der Container war fast voll. Obenauf lag, teilweise von Müll bedeckt, die Leiche einer jungen, unbekleideten Frau mit weit aufgerissenen Augen, deren narbenbedeckter Körper aussah wie ein mit Haut bespanntes Skelett.

      Lüppo Buss spürte, wie eine unsichtbare Müllpresse seinen Magen zusammenquetschte. Er drehte sich weg und krümmte sich zusammen.

      4.

      »Von wo kam der Schuss?«, fragte Hauptkommissar Stahnke.

      »Von dort oben«, antwortete Kramer und wies auf die Seitentribüne. »Vermutlich aus der näheren Umgebung des Eingangsbereichs. Ganz exakt lässt sich das aber nicht feststellen, weil sich das Opfer zum genauen Tatzeitpunkt nach übereinstimmenden Aussagen gerade in einer Drehung um die eigene Achse befand. Außerdem ist ein Schusskanal …«

      Ungeduldig winkte Stahnke ab. Oberkommissar Kramers Hang zum Perfektionismus war eine wunderbare Sache, wenn es um die minutiöse Aktenführung ging. Im wirklichen Leben aber konnte einem das ganz schön auf die Nerven gehen.

      »Patronenhülse?«, fragte er weiter.

      »Negativ«, sagte Kramer. »Vermutlich hat er einen Revolver benutzt. Würde auch zum Kaliber passen. Neun Millimeter.«

      Stahnke nickte. Während eine Automatikpistole die Patronenhülse nach dem Schuss auswarf, blieb sie bei einem Revolver in der Trommel stecken, und der Schütze nahm sie einfach mit. Eine Spur weniger.

      »Neun Millimeter«, wiederholte der Hauptkommissar. »Da meinte es aber jemand richtig ernst.« Er taxierte die Entfernung zwischen der nächstgelegenen Ecke der Tribüne, dort, wo sich die Tür zum Treppenhaus befand, und den Blutflecken auf dem Laufsteg. »Achtzehn, vielleicht zwanzig Meter«, sagte er. »Man muss schon ein sicherer Schütze sein, um mit einer kurzläufigen Faustfeuerwaffe auf diese Distanz zuverlässig zu treffen.«

      Kramer zuckte die Achseln. Klar, das bedurfte eigentlich keiner Erwähnung. Zumal nur ein einziger Schuss gefallen war.

      »Vermutlich hat der Täter einen Schalldämpfer benutzt«, erläuterte Kramer. »Sonst hätten die in unmittelbarer Nähe Sitzenden wohl schneller reagiert. So aber haben sich nur wenige umgeschaut – das auch erst mit Verzögerung – und nur einen grauen Rücken durch die Glastür verschwinden sehen. Beschreibung unspezifisch. Etwas über mittelgroß und mittelschlank, keine Angaben zum Alter möglich, nicht einmal das Geschlecht steht eindeutig fest.«

      »Schalldämpfer? Ich dachte, Revolver lassen sich nicht dämpfen.« Stahnke bedauerte seine Äußerung, noch ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte. Vor Kramer gab er sich ungern eine Wissensblöße. Auch wenn das Verhältnis zu seinem Kollegen in letzter Zeit stetig enger und vertrauter geworden war. Seit ihrer gemeinsamen Recherche im Rocker-Milieu duzten sie sich sogar. Für Stahnke hieß das schon etwas.

      »Sie sind selten, aber es gibt sie.« Kramer war natürlich wieder perfekt informiert. »Man muss der betreffenden Waffe nachträglich ein Laufgewinde schneiden oder schneiden lassen, um einen Dämpfer benutzen zu können. Geht nur mit Spezialwerkzeug und ist nicht billig.«

      Stahnke nickte. Wenn dem so war, konnte das ein Anhaltspunkt sein. Solche Spezialisten und ihre Werkzeuge mussten sich finden lassen.

      »Die Dämpfungsleistung ist allerdings umstritten«, fuhr Kramer fort. »Gedämpft werden kann ja nur der Mündungsknall, also die Explosion

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