Solo für Sopran. Peter Gerdes

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Solo für Sopran - Peter Gerdes

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von einer perfekten Tarnung sprechen.

      »Na gut, überredet«, sagte er und wuchtete sich mühsam aus der Kuhle, die sein Hintern in Stunden des Wiegens in den Sand gedrückt hatte. Eine wahrlich imposante Vertiefung. »Komm, wir holen meine Sachen. Da hinten müssen sie irgendwo liegen.«

      Die Kleine klatschte begeistert in die Hände, dass die Sandkörnchen nur so stoben, und tanzte ausgelassen um ihn herum. Als er sich in Bewegung setzte, nach links, weg vom mutmaßlichen Lagerort des schwimmunwilligen Elternpaares, angelte das Mädchen nach seiner Hand und packte, da sie sich als zu dick erwies, energisch Mittel- und Zeigefinger. Jetzt wurde ihm doch etwas mulmig, aber für einen Rückzug war es zu spät.

      »Wie heißt du eigentlich?«, fragte er. Und biss sich auf die Lippen.

      Sie aber schien die Frage dem derzeitigen Stand ihrer Beziehung angemessen zu finden. »Binki«, antwortete sie. »Von Bianca. Aber Bianca finde ich doof, Binki ist besser. Und du?«

      Na klar. Das hatte ja kommen müssen. Er zögerte nur einen Augenblick, dann sagte er fest: »Kurt. Ich heiße Kurt.« Und wenn er auch niemals so geheißen hatte, jetzt jedenfalls hieß er so.

      Wie einen Radarstrahl schwenkte er seinen Blick suchend über den Strandsektor in ihrer Gehrichtung hin und her. Was er jetzt brauchte, war ein verlassenes Badelaken, und zwar eins, auf dem eine Herrenbadehose in ausreichender Größe lag. Wie groß mochte die Wahrscheinlichkeit sein, auf genau diese Konstellation zu stoßen? Gar nicht einmal so klein, entschied er. Schließlich dominierten um diese Jahreszeit die etwas älteren Kurgäste, und die älteren waren statistisch gesehen doch auch etwas kräftiger um die Körpermitte. Außerdem standen ältere Menschen in der Regel zeitig auf, gingen früher als andere an den Strand, schwammen früher und entledigten sich demzufolge auch früher ihrer nassen Badekleidung, um sich keine im Alter empfindlicher werdenden Körperteile zu verkühlen. Und weil Bewegung an frischer Luft und im kühlen Nordseewasser hungrig und durstig macht, war die Wahrscheinlichkeit, dass besagte ältere Menschen mal eben den nächsten Kiosk, einen Imbiss oder das Klohäuschen aufsuchten und zwar nicht ihre Wertsachen, wohl aber Laken und nasse Hosen ein paar Minuten unbeaufsichtigt ließen, durchaus …

      Na bitte! Schon war er fündig geworden. Von einem gelb-rot-blau gestreiften Laken leuchtete ihn eine orangefarbene Badehose in großzügigem Bermudaschnitt geradezu an. Direkt daneben lag ein zerknülltes dunkellila T-Shirt, ebenfalls feucht. Mit etwas Glück bescherte ihm beides zusammen ein gesellschaftsfähiges Strand-Outfit.

      Verstohlen sicherte er nach beiden Seiten: Niemand schien sich um das verwaiste Laken zu kümmern, keiner im näheren Umkreis strebte erkennbar darauf zu. »Hier, Binki«, sagte er. »Das sind meine Sachen.«

      »Fein«, jubelte das Mädchen. »Dann beeil dich mit dem Umziehen.«

      Mit unguten Gefühlen bückte er sich, jeden Augenblick damit rechnend, ein »Was machen Sie denn da?« oder, noch schlimmer, ein »Haltet den Dieb!« in die Ohren geknallt zu bekommen. Aber nichts geschah, als er nach der grellfarbenen Badehose griff und sie prüfend mit den Fingern auseinander spreizte. Na, groß genug schien sie jedenfalls zu sein. Also los.

      Er warf sich das lila T-Shirt über die Schulter, ergriff das Badelaken und schlang es sich um die ausgebeulte Taille. Kleiner hätte das Tuch wahrhaftig nicht sein dürfen; nur mit Mühe bekam er die Enden verknotet. Vorsichtig begann er, im Sichtschutz des Lakens seine Unterhose abzustreifen, was sich als gar nicht so einfach erwies. Endlich aber hatte er das Ding bis zu den Knöcheln hinabgerollt. Er kickte es weg, balancierte auf einem Bein und schickte sich an, den rechten Fuß in die Badehose einzufädeln.

      »Binkiii!«

      Der Schrei hätte ihn fast aus dem Gleichgewicht gebracht, auch wenn er ganz anders klang als befürchtet. Kein kräftiger, erboster Mann war es, der da schrie, weil sich jemand an seinem Eigentum vergriffen hatte. Sondern eine Frau. Eine Mutter in höchster Panik.

      »Binki, was macht der Mann da mit dir?!«

      Erschrocken stieß er seinen rechten Fuß in den Badehosenbund, wechselte das Standbein, schob den linken Fuß hinterher, tastete mit dem großen Zeh nach dem richtigen Hosenbein. Und verhedderte sich. Verbissen um seine Balance kämpfend, hopste er im weichen Sand hin und her. Endlich waren beide Beine richtig positioniert, endlich, endlich konnte er die Hose hochziehen und sich aus seiner misslichen Selbstfesselung befreien. Schon …

      Da löste sich der Knoten, der das Badelaken mehr schlecht als recht zusammengehalten hatte, und das bunte Tuch sank in den Sand.

      Das Gebrüll schwoll zu ohrenbetäubender Lautstärke an. »Sie gemeiner Schweinekerl!«, kreischte die Frau. »Gehen Sie weg von meinem Kind!«

      Panisch riss er an der Badehose, deren feuchter Innenslip sich einfach nicht über seine stämmigen Oberschenkel ziehen lassen wollte, und sprang von einem Bein auf das andere, während sich eine leuchtend rote, laut schreiende Gestalt in sein Blickfeld drängte. Sein Geschlecht begann munter zu pendeln. Jetzt brüllte auch Bikini-Binki, und um sie und ihn herum wurden die fragenden und verärgerten Ausrufe zahlreicher.

      Endlich war die Hose oben. Der Mann, der sich Kurt nannte, raffte Laken und T-Shirt zusammen und rannte los, so schnell es der tiefe Sand und sein schwerer Körper eben zuließen, in Richtung Dünen, bloß weg von dem fürchterlichen Geschrei.

      »Polizei« war eines der letzten Worte, die er noch deutlich verstehen konnte, ehe die allgegenwärtige Brandung alles verschluckte und mit ihrem gleichförmigen Rauschen überdeckte. Zwar keuchte er schon bedenklich, dieses Wort aber verlieh ihm die zweite Luft. Bloß das nicht, bloß keine Polizei. Das fehlte noch, als Sittenstrolch gepackt zu werden, ohne zu wissen, ob … Und was das mit dem Blut an seinen Händen auf sich hatte und mit allem anderen.

      Seine Unterhose, die er im Sand hatte liegen lassen, fiel ihm erst einige Zeit später wieder ein.

      7.

      »Wie sieht sie denn aus?«, fragte Lüppo Buss.

      Leopold Heiden warf beide Arme in die Luft. »Mein Gott, wie die Mädchen eben aussehen heutzutage, nicht? Dünngehungert ohne Ende, die Haare gefärbt, etwa so rosa wie eine Packung Aldi-Lachs, und natürlich so eine Krampe in der Nase. Piercing, Sie verstehen. Ein Wunder, dass die damit noch halbwegs singen konnte.« Der Chorleiter stutzte und verbesserte sich: »Kann, meine ich natürlich.«

      Der Inselpolizist runzelte die Stirn. Dieser eingebildete Hampel mit seinem theatralischen Gefuchtel und seiner zur Schau getragenen Scheißegalhaltung gegenüber einem seiner Schützlinge machte ihn ärgerlich. Seine blonden, raupenartig borstigen Augenbrauen krochen bedrohlich aufeinander zu. Schön, noch wurde diese Hilke Smit erst seit ein paar Stunden vermisst, das musste nichts heißen, Teenager blieben nun einmal gelegentlich über Nacht weg. Aber so erbärmlich brauchte man sich als Verantwortlicher nun auch nicht anzustellen.

      »Ihre Haare sind dunkelblond, mit pinkfarbenen Strähnchen«, meldete sich Heidens Kollegin zu Wort. »Sie ist sechzehn Jahre alt, wirkt aber eher jünger. Etwa einszweiundsechzig groß und schlank, beinahe noch kindlich. Das Piercing hat sie im linken Nasenflügel. Sie trägt eine Brille mit rotem Kunststoffgestell, das heißt, die sollte sie eigentlich tragen, denn sie ist ziemlich kurzsichtig, aber meistens trägt sie sie nicht.«

      Lüppo Buss nickte und machte sich Notizen. Gott sei Dank war mit dieser Frau Taudien mehr anzufangen als mit ihrem Kollegen. Oder Chef? Schon auf dem Anrufbeantworter hatte die Stimme der Oberstudienrätin sehr kompetent geklungen. Wäre sicher besser gewesen, mit ihr allein zu sprechen, denn Heidens Gegenwart schien diese Frau doch sehr zu verunsichern. Aber heute am frühen

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