Der Fluch der goldenen Möwe. Peter Gerdes

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Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes

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Darum gehen sie dorthin. Unfehlbar.«

      »Wat de Buur nich kennt, dat frett he nich«, knurrte Stahnke. »Sind doch längst bekannt, deine Weisheiten! Gibt es sogar als Sprichwort. Demnach hängt solches Essverhalten aber mehr mit mangelnder Bildung und Weltgewandtheit zusammen.«

      »Na und? Passt doch auch.« Marian ließ sich nicht beirren. »Wenig gebildet und unerfahren sind Kinder und Jugendliche doch ganz zwangsläufig, jedenfalls gemessen an Erwachsenen – einfach auf Grund ihres geringeren Lebensalters. Wer mehr weiß, traut sich auch mehr. Wer aber wenig weiß, ist unsicher und hält sich eisern an das, was er kennt.«

      »Auf alle Fälle trifft das zu«, unterstützte ihn Sina. »Hab ich doch selbst oft genug erlebt, während meines Schulpraktikums im Studium vor ein paar Jahren. Da sind wir mit dem Bus durch Holland und Belgien gefahren. Per Bordmikro habe ich die Schüler auf alle möglichen Sehenswürdigkeiten hingewiesen. Glaubt ihr, das hätte auch nur eine Laus interessiert? Aber kaum tauchte irgendwo ein McDaisy’s-Schild auf, gingen ein Jauchzen und ein wohliges Stöhnen durch den Bus. Da brauchte keiner etwas zu sagen, das sahen die alle sofort.«

      »Home is, where McDaisy’s is«, sagte Marian mit versonnenem Blick.

      Stahnke verschränkte die Arme. »Dann wollt ihr also sagen, dass die Jugend von heute schon rettungslos auf die Fettfressketten abgerichtet ist?«

      »Nicht mit diesen Worten, sicher auch nicht hundertprozentig alle, und rettungslos klingt jetzt auch ein Stück weit sehr negativ – aber ansonsten: ja, durchaus«, antwortete Marian.

      »Und wenn die Jugendlichen solcher Burger-Tempel sehen, dann rennen sie hin, ganz egal, was sonst noch im Angebot ist?«

      Marian nickte.

      »Die Eltern lassen das zu, um ständigen Streit zu vermeiden, oder sie gehen gleich selber mit hin?«

      Kopfnicken.

      »Und jetzt will jemand hier auf Langeoog, wo es so was bisher nicht gibt, eine Kettenburgerschmiede eröffnen?«

      »So sieht es aus«, bestätigte Marian.

      »Das wird die hiesige Restaurantszene ganz schön in Alarm versetzen«, sagte Sina. »Gegen solch eine neue Konkurrenz wird sich manches Traditionslokal nicht halten können.«

      »Bin mal gespannt, ob sich die anderen Wirte das so einfach gefallen lassen«, ergänzte Marian, dem man die Vorfreude auf kommende Schlagzeilen ansehen konnte.

      »Vielleicht kann die Gemeinde ja vermittelnd eingreifen, und man einigt sich irgendwie«, sagte Sina.

      »Und wenn nicht?«, fragte Marian.

      »Dann gibt es hier Mord und Totschlag«, sagte Stahnke.

      4.

      »Moin mitnanner!« Mit lautem Ächzen ließ sich Bodo Schmidt auf die Bank fallen. Die Sitzbank ächzte zurück, und die drei anderen alten Männer, die schon vorher auf ihrer angestammten Bank am Langeooger Bahnhof gesessen hatten, wackelten mit den Köpfen. Das konnte als stumme Begrüßung gedeutet werden, oder auch als Zeichen altersbedingter Muskelschwäche, was aber nur auf Harm Bengen zutraf, dessen Kopf allein schon von seiner überschweren Brille nach vorne gezogen zu werden schien. Tatsächlich aber lag das allgemeine Wackeln daran, dass Bodo Schmidts Kugelbauch in den zurückliegenden Wintermonaten noch weiter angeschwollen war.

      »Moin«, erwiderte Ocko Onken als Einziger und mit Verspätung. »Und herzlichen Glückwunsch!«

      »Wieso Glückwunsch? Bei mir gibt’s doch nichts zu feiern«, sagte Schmidt verdutzt.

      »Und ob!« Onken, der mit seinem schlohweißen Vollbart und der verbeulten Schiffermütze wie ein Klischee-Ostfriese aus dem Fernsehzoo aussah, griente breit: »Nämlich dass Walfang heutzutage verboten ist!«

      Klaas Reershemius, ein Hutzelmännchen mit spitzem, vorstehendem Kinn, krähte los vor Vergnügen, Harm Bengen kicherte wie irre, und Onken, der ebenso wie sein Banknachbar schon auf die achtzig zuging, würdigte seinen eigenen Witz mit einem heiseren Glucksen. Auch Schmidt lachte mit. Übelnehmen galt nicht, nicht in dieser Runde, nicht auf dieser Bank. Als Mitglied der Langeooger Viererbande war man hart im Nehmen. Und im Austeilen noch härter.

      »So ein Wal, der hat doch ’n Klütjeleben«, krächzte Reershemius. »Dauernd im Tran und die meiste Kraft im Schwanz. Bloß Haare hat er keine. Was, Bodo?« Mit seinem Handstock deutete er auf Schmidts Glatze, in der sich die Frühlingssonne spiegelte.

      »Jau, dor sechst du wat«, rief Schmidt durch das erneut aufbrandende Gelächter. »Darum wäre Harm ja auch gerne ’n Wal geworden. Aber als Zahnwal isser ja durch die Prüfung gefallen – mangels Masse. Und Barten wollen ihm auch keine mehr wachsen.«

      »Tja, Harm, so sücht dat ut! Jetzt bleibt dir vom Wal bloß noch der Fischgeruch!«, sekundierte Onken.

      Harm Bengen, der so an seinem fleckigen hellblauen Oberhemd hing, dass er es kaum jemals wechselte, verschlug es für einen Moment die Sprache. In einem seltenen Anflug von Verlegenheit nahm er seine dicke Brille ab, spuckte auf beide Gläser und begann, die Schlieren darauf mit einem Zipfel des besagten Oberhemds zu verreiben.

      Bodo Schmidt grunzte. Den üblichen Frontalangriff, mit dem jedes Mitglied der Viererbande unfehlbar rechnen musste, das als Letztes zu den vormittäglichen Sitzungen auf der Bahnhofsbank erschien, hatte er elegant abgebogen. Jetzt konnte das Tagesgeschäft beginnen. Zufrieden warf er sich mit vollem Gewicht gegen die Rückenlehne. Wieder wackelten alle Köpfe bis auf seinen.

      »Und?«, fragte Schmidt, »was gibt’s Neues? Wieder allerhand buntes Volk aus Deutschland eingetroffen?«

      »Hou!«, erwiderte Reershemius. Dieses Wort – wenn es denn eines war – konnte grundsätzlich alles bedeuten. Eine echte ostfriesische Allzweckwaffe.

      »Da kannste einen drauf lassen«, übersetzte Harm Bengen. »Ischa nu Ostern. Da kommen sie wieder alle angehoppelt.«

      »Die Alten wie die Jungen«, fiel Ocko Onken ein. »Vor allem die Jungen, hordenweise. Man fragt sich, wo die alle herkommen.«

      »Wo die Jungen herkommen?« Reershemius beugte sich vor, stützte sich auf seinen Stock und leckte sich die blassen, schmalen Lippen. »Das weiß du nicht?«

      »Nicht mehr«, keckerte Harm Bengen. »Zu lange her, was? War wohl noch vorm Krieg, dein letztes Mal, was?«

      »Erster Weltkrieg oder Zweiter?« Bodo Schmidts Wampe wogte vor Lachen.

      »Dann müssen wir den jungen Mann wohl mal ein bisschen aufklären.« Klaas Reershemius konnte sich nur mit Mühe auf der Bank halten, trotz seines Stocks.

      »Als ob du noch wüsstest, wozu das kleine Ding gut ist, das du jede Nacht beim Pieseln dreimal in der Hand hältst«, feuerte Bodo Schmidt von der Seite. Reershemius verschluckte sich.

      »Und als ob du dein Ding seit dreißig Jahren überhaupt noch mal gesehen hättest, außer im Spiegel«, attackierte Onken. Damit war er den Schwarzen Peter wieder los. Und Bodo Schmidt, eben noch so guter Dinge, hockte wieder im Zentrum des erneut aufbrandenden Hohngelächters.

      Ein Schrilles Pfeifen unterbrach das Lachen und Lästern. Der Inselzug mit seinen bunten Waggons näherte sich vom Fährhafen her. Erwartungsvoll beugten

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