Der Fluch der goldenen Möwe. Peter Gerdes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes страница 6

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Der Fluch der goldenen Möwe - Peter Gerdes

Скачать книгу

die offenen Plattformen aus den Wagen, liefen ein paar eilige, ziellose Schritte, blickten sich suchend um und hasteten dann auf die große Glastür des Bahnhofsgebäudes zu. Jedenfalls die Neulinge taten das. Die Erfahreneren jedoch, die, die schon einmal oder öfter auf Langeoog Urlaub gemacht hatten, schlenderten in aller Ruhe den Bahnsteig entlang zur Seitenfront des Gebäudes, dorthin, wo die kleinen Containerwagen mit dem Reisegepäck abgestellt wurden, die auf einem flachen Waggon mitgereist waren. Dann allerdings kamen auch die Erfahrenen in Wallung. Die Bahnbediensteten lösten nur noch schnell die seitlichen Verschlüsse der Containerwagen, dann brachten sie sich in Sicherheit, und die Reisenden fielen auf der Suche nach ihren Koffern über die Wagen her. Ob es nun die Neulinge oder die Inselroutiniers waren, die dabei ihre Ellbogen beherzter einsetzen, war schwer zu entscheiden.

      »Lernen die eigentliche keine Zahlen mehr heutzutage?«, meckerte Reershemius. »Die Gepäckwagen haben Nummern dran, die kann man sich doch wohl merken.«

      »Sind aber teilweise zweistellige Zahlen«, gab Onken zu bedenken. »Und diese Leute da kommen vom Festland.«

      »Aus Deutschland«, korrigierte Bodo Schmidt.

      »Auch wieder wahr«, gab Reershemius zu.

      »Vielleicht merken die sich heutzutage auch nichts mehr, weil die ja meist alle verstöpselt sind«, ließ sich Harm Bengen vernehmen, die flaschenbodendicke Brille wieder auf der Nase. »Das lenkt ja ab, sagt man.«

      »Verstöpselt?« Allein dieses Wort klang aus Bodo Schmidts Mund lüstern und schmierig. »Meinst du wirklich?«

      »Ja, sicher.« Harm Bengens Kopf wackelte noch eifriger als sonst. »Kann man doch sehen, wie denen überall die Schnüre raushängen.«

      »Ich glaube, die merken nicht nur sich nichts mehr, die merken überhaupt nichts mehr«, knarzte Onken. »Die mit den Stöpseln, die können ja schon mal nicht mehr hören, was um sie herum vorgeht. Und die mit diesen Spielzeugtelefonen in der Hand, wo sie dauernd draufgucken, die sehen nichts anderes mehr. Die könnteste statt nach hier auch nach München schicken, die würden den Unterschied nicht merken.«

      »Oder nach Gifhorn auf ’n Rübenacker«, behauptete Harm Bengen.

      »Oder in die Wüste«, steigerte Klaas Reershemius.

      »Oder nach Norderney«, sagte Bodo Schmidt.

      Allgemeines Gestöhne und Kopfschütteln. »Nee, das nun doch nicht«, widersprach Ocko Onken. »Langeoog oder Norderney, das kann ja wohl selbst ein Blinder mit Krückstock unterscheiden.«

      »He«, maulte Harm Bengen und plierte durch seine Brille. »Nu’ mal fein vorsichtig hier. Pass auf, was du sagst.«

      »Genau, vorsichtig«, warnte Klaas Reershemius und rammte seinen Stock auf den Boden. »Selber Krücke.«

      »Was seid ihr denn plötzlich alle so empfindlich?«, wunderte sich Ocko Onken.

      »Ja, stimmt. Was ist denn mit euch?«, pflichtete Bodo Schmidt bei.

      »Du sei mal schön still, oller Pottwal«, grummelte Harm Bengen. Klaas Reershemius nickte stumm.

      »Ist euch eigentlich schon aufgefallen, dass die Kinder nie was tragen?« Ocko Onken wechselte das Thema. »Ich meine, Koffer, Taschen oder so. Das lassen die alles schön die Alten machen.«

      »Wie denn auch«, sagte Klaas Reershemius. »Rundrücken, Übergewicht und zu doof zum Geradeauslaufen. Tragen ist da nicht mehr drin.«

      »Ach, so doof können die gar nicht sein«, widersprach Harm Bengen. »Lassen ihre Ollen für sich schleppen, das ist doch clever.«

      »Und wenn die doch mal mit anpacken sollen, dann können die das nicht, weil sie ja die Hände voll haben. Mit ihren Spieltelefonen«, sagte Klaas Reershemius.

      »Das sind Handys«, korrigierte Ocko Onken.

      »Nee, die heißen i-Pods.« Bodo Schmidt wusste es besser.

      »Ei-Pott? So was gab’s früher schon. Zum Eierkochen. Für sechs Stück. Mann, hab ich mich an so was mal verbrannt, Teufel auch!«, krächzte Harm Bengen.

      »Wieso wollen kleine Jungs denn Eier kochen?«, wunderte sich Klaas Reershemius.

      »Na ja, ist ja nu Ostern, vielleicht deswegen.« Harm Bengen zuckte die Achseln.

      »Als ob kleine Jungs mit ihren Eiern nichts anderes anzufangen wüssten.« Das war natürlich Bodo Schmidt.

      »Ostern.« Aus Ocko Onkens Mund klang das wie ›Themawechsel‹. »Geht ihr denn dieses Jahr auch wieder zum Osterfeuer?«

      »Ach, ich weiß nicht«, quengelte Klaas Reershemius. »Ist ja immer alles voller Touristen. Da kommt unsereiner an die Bierbude ja kaum noch ran.«

      »Du meinst wohl ans Klohäuschen«, stichelte Bodo Schmidt. »Eins trinken, zwei pieseln, so sieht’s doch bei dir aus. Also ich geh auf jeden Fall wieder hin. Notfalls deponiere ich mir vorher mein Bier unter den Bahnschienen.«

      »Trotz all der Touristen?«, wunderte sich Harm Bengen.

      Bodo Schmidt grinste lüstern: »Nicht trotz, sondern wegen! Und zwar wegen der Touristinnen.«

      »Stehst wohl auf Walkühe«, kicherte Klaas Reershemius.

      Ocko Onken machte eine wegwerfende Handbewegung. »Mach dir bloß keine Hoffnungen, dass es was zu sehen gibt. Ist noch viel zu kalt, die Weiber haben einfach viel zu viel an.« Er deutete auf den Bahnhofsvorplatz, wo sich die letzten frisch eingetroffenen Inselgäste verliefen, begleitet vom mehrstimmigen Quietschen der überforderten Rollkofferräder. »Darum haben wir hier ja auch nur den halben Spaß.«

      »Außerdem ist da bestimmt wieder alles voller Kinder«, schob Klaas Reershemius nach. Er hatte sein Hassthema des Tages gefunden; anscheinend ging ihm die Überalterung der Gesellschaft noch viel zu langsam. »Toben da rum und kreischen, oder sie stehen überall im Weg und glotzen auf ihre Spielzeugtelefone, oder von mir aus auf ihre Ei-Pott-Kocher. Und dauernd kriechen sie einem zwischen den Beinen durch und suchen nach ihren Eiern.«

      »Ha! Nach ihren, meinst du? Oder nach deinen?« Auch Bodo Schmidt hatte sein Thema, aber das war längst nichts Neues mehr.

      »Ohne diese Kinder wäre es beim Osterfeuer auf jeden Fall schöner.« Harm Bengen pflichtete Reershemius bei. »Man müsste die irgendwie da weghalten. Kann man Kinder zu Ostern nicht einfach verbieten?«

      Die anderen drei wiegten zweifelnd die Köpfe. »Da hat die Kurverwaltung bestimmt was gegen«, mutmaßte Ocko Onken. »Nee, verbieten geht nicht. Aber weglocken vielleicht.«

      »Wie denn weglocken?«, fragte Harm Bengen hoffnungsvoll.

      »Na, wo stehen die denn drauf?«, fragte Ocko Onken. »Fernsehen. Oder Computer.«

      »Oder dieses Fertigfutter«, mutmaßte Klaas Reershemius. »Diese weichen Brötchen mit Ketchup und so ’ner platten Boulette drauf und geschmolzenem Scheiblettenkäse, wie heißen die noch?«

      »Schiet«, krächzte Harm Bengen. »So wie das klingt, kann das doch nur Schiet sein.«

      »Na und? Computer sind auch Schiet. Und im Fernsehen kommt auch kaum noch was anderes.«

Скачать книгу