Die Geliebte des Mörders. Christian Macharski

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Die Geliebte des Mörders - Christian Macharski

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weg, oder?“

      Rita war die Frau von Borowka und Jerome der zweieinhalbjährige Sohn. Die Beiden befanden sich in Mutter-Kind-Kur, weil die ungeplante, späte Elternschaft zu Spannungen und Überforderungen geführt hatte. Insbesondere Borowka hatte sich mit seiner neuen Rolle als Vater schwergetan. Verantwortung lag ihm nicht besonders. Rita hingegen ging zwar in ihrer Rolle als Mutter auf, aber auch sie hatte die Veränderungen, die die Geburt mit sich brachte, unterschätzt. „Sieben Tage sind die jetzt weg“, sagte Borowka. „Wir telefonieren aber jeden Tag und Rita geht es schon viel besser. Und – ganz ehrlich – mir auch. Es hat sich die ganze Zeit immer nur noch alles um der Jerome gedreht. Ich konnte gucken, wo ich bleib. Aber das Schlimmste war, dass ich mit der Verlust von mein Ford Capri ganz alleine fertig werden musste. Und jetzt? Was ist nur aus mir geworden? Ich fahr jetzt ein VW Passat.“

      Tränen stiegen ihm in die Augen, während Will ihm väterlich die Hand auf die Schulter legte. „Das wird schon wieder. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Ich bin damals auch ganz unerwartet Vater geworden. Gut, nicht so unerwartet wie Josef von Josef und Maria“, er lachte über seinen spontanen Scherz, wurde aber gleich wieder ernst, „aber trotzdem. Ich weiß, was das für eine Umstellung ist. Du musst dir vorstellen, damals, wie die Marlene mir eröffnet hat, dass sie schwanger ist, da war ich ja noch wie ein wilder, ungesattelter Hengst auf der Koppel. Und auf einmal war alles vorbei. Ich kann mich noch gut erinnern, wie die Marlene für mich sagte: ‚Wir sind bald zu dritt.‘ Da war mein erster Gedanke: ‚Ach du Scheiße – Schwiegermutter zieht bei uns ein.‘ Aber zum Glück war Marlene nur schwanger … Auf jeden Fall, was ich damit sagen will: Es könnte immer noch schlimmer kommen.“

      Borowka nickte: „Ja, du hast recht. Rita hätte schließlich auch auf ein Volvo bestehen können.“

      „Siehst du. Komm, ich hol uns mal ein Stützbier.“ Während Will das Badezimmer verließ, setzte Borowka die Hilti an und ohrenbetäubender Lärm ließ die Grundmauern erzittern. Als Will gerade den Treppenabsatz erreicht hatte, erstarb das Bohrgeräusch und Borowka schrie entsetzt: „Ach du Scheiße!“

      Will riss den Kopf herum und rief erschrocken: „Was ist passiert? Schon wieder die Stromleitung?“

      „Nein. Ich bin doch nicht bescheuert …“, antwortete Borowka, „… diesmal ist es die Wasserleitung.“

       2

      Freitag, 5. Juni, 9.30 Uhr

      Der Regenschauer hatte Marlene Hastenrath voll erwischt, als sie sich auf halber Strecke zwischen Parkplatz und dem Eingang der Kreisverwaltung befand. Der Regen war so plötzlich und heftig auf sie niedergeprasselt, dass sie nicht mal mehr die Chance gehabt hatte, ihre Regenhaube aus der Handtasche zu ziehen. Nun stand sie triefend im Foyer des Kreishauses und sah sich um. Auf einer halbrunden Theke erblickte sie ein Schild mit der Aufschrift „Information“ und gleich daneben ein weiteres, auf dem stand: „Bin auf dem Klo“. Marlene seufzte und ging zum Ständer mit den Prospekten, der sich gegenüber der Theke befand. Sie zog ein dünnes Heftchen aus dem Ständer, auf dem in riesigen Lettern zu lesen war: „Herzlich willkommen in der Freizeitregion Heinsberg“. Doch noch bevor sie es aufschlagen konnte, rief eine rauchige Stimme hinter ihr: „Kann ich Ihnen helfen?“

      Marlene fuhr herum. Die Stimme gehörte nicht, wie erwartet, einem Mann, sondern einer stark geschminkten Mittfünfzigerin, die zwar lächelte, aber das ohne jede Mimik. Ihre Stirn war glatt wie ein Babypopo und der Mund mit den sehr roten Lippen erinnerte Marlene unwillkürlich an den Joker aus Batman. Während die Frau das „Bin auf dem Klo“-Schild mit einer schnellen Bewegung unter der Theke verschwinden ließ, trat Marlene an die Theke und nestelte an ihrer Handtasche, in der sich die Unterlagen befanden. Noch bevor sie den Hefter aus dem Gewirr von Taschentüchern, Labellos mit und ohne Deckel, Bürstchen, Nagelfeile, Kopfschmerztabletten und klebrigem Bonbonpapier herausgefischt hatte, betrat ein ebenfalls vom überraschenden Regenschauer heimgesuchter Mann das Foyer und zog ob seines außergewöhnlichen Kleidungsstils sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Er trug eine graue, gewagt enge Anzughose, einen der Jahreszeit nicht angepassten Rollkragenpullover, glänzende Lederschuhe und um den Hals einen Kaschmirschal. Mit seiner geraden Körperhaltung machte er einen fast schon aristokratischen Eindruck. Marlene, die wie die Frau hinter der Theke zu ihm hinübersah, hätte sich nicht gewundert, wenn er auch noch einen Zylinder auf dem Kopf gehabt hätte.

      Offenbar hatte sie ihn etwas zu lange gemustert, denn plötzlich sah der Mann auf und kam auf sie zu. Marlene grinste verlegen und der Mann grüßte mit einem kurzen, aber freundlichen Nicken zurück, bevor er ebenfalls an den Informationsschalter trat. Der Mann verströmte einen markanten Duft. Es musste sich um ein sehr exklusives Parfüm handeln, mutmaßte Marlene, denn es war ein exotischer Geruchsmix aus Moschus, Weihrauch und Vanille. Marlene fand das recht ungewöhnlich für einen normalen Mann und es erinnerte sie daran, später noch bei dm oder Aldi vorbeizufahren, um für Will einen neuen Deoroller zu kaufen. Die Frau hinter der Theke hustete laut ab.

      Sie nahm ein Glas Wasser, in das sie aber auch hineinhusten musste, nachdem sie es angesetzt hatte. Das Wasser spritzte in alle Richtungen. Marlene war das egal, sie war sowieso nass. Der Mann hingegen schaute pikiert. Mit einer freundlichen Geste ließ er Marlene den Vortritt und zog sich an den Ständer mit den Broschüren zurück. Mittlerweile hatte die Frau hinter der Theke abgehustet. Mit einem Lächeln, das man als verlegen interpretieren konnte, entschuldigte die Frau sich: „Tut mir leid, ich bin ein bisschen erkältet. Aber jetzt bin ich für Sie da. Mein Name ist Gaby Frings, was kann ich für Sie tun?“

      „Guten Tag, mein Name ist Marlene Hastenrath. Ich bin aus Saffelen. Ich bin die Frau von Hastenraths Will, dem Ortsvorsteher von Saffelen und ich wollte frägen …“

      „Der Bauer, der immer die Kriminalfälle löst?“, fiel Frau Frings ihr ins Wort. „Das gibt’s doch gar nicht! Meine Schwägerin ist eine geborene Hermsmeier. Und der ihre Cousine hat einen Bekannten, der mal Fußball gespielt hat zusammen mit einem gewissen Herbert Frentzen. Und dieser Herbert Frentzen ist ein Schwippschwager von Schlömer Karl-Heinz aus Saffelen. Und der hat mal Geschichten erzählt von Hastenraths Will.“

      Marlene nickte stolz. „Das ist richtig. Schlömer Karl-Heinz ist ein guter Freund von mein Mann.“

      Frau Frings schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie klein doch manchmal die Welt ist.“ „Das stimmt wohl. Na ja, auf jeden Fall wollen wir demnächst eine kleine Frühstückspension auf unser Bauernhof eröffnen und da wollte ich Sie fragen, ob Sie die vielleicht in Ihr Programm mit aufnehmen könnten?! Sie haben doch bestimmt so eine Liste mit Hotelzimmer im Kreis Heinsberg.“

      „Aber natürlich“, sagte Frau Frings, „das machen wir gerne.“ Sie nahm ein Formular aus der Schublade und erfragte ein paar Daten zu „Wills Wald- und Wiesenparadies“, die sie fein säuberlich notierte.

      Marlene betonte mehrmals, dass dies jedoch noch nicht der endgültige Name sei, und zog ein engbeschriebenes DIN-A4-Blatt aus dem Schnellhefter, das sie Frau Frings über die Theke reichte. „Dann hätte ich noch eine Bitte“, sagte Marlene. „Ich hab hier mal zusammen mit mein Mann ein Textentwurf gemacht für ein Prospekt, das wir drucken lassen wollen. Wir sind aber nicht sicher, ob das alles gut ist. Vielleicht können Sie mir da noch ein paar Tipps geben.“

      Frau Frings nahm das Blatt und überflog es mit zusammengekniffenen Augen. Dann begann sie halblaut vorzulesen: „Genießen Sie Urlaub auf der Bauernhof, mit alles, was dazugehört: muhende Kühe, dampfende Misthaufen und Trecker-Rundfahrten durchs Neubaugebiet. Erholung pur – fernab von jede Zivelesation und trotzdem weit genug weg von Holland. Erleben Sie Saffelen, der pulsierende Hotspot im Selfkant, günstig gelegen, für alle, die die Einsamkeit lieben. Bekannt geworden ist

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