Die Geliebte des Mörders. Christian Macharski

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Die Geliebte des Mörders - Christian Macharski

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      Sabrina verzog das Gesicht. Um die Diskussion zu beenden, antwortete sie knapp: „Ich geh mal eben in den Keller, gucken, ob der Trockner schon fertig ist.“

      Nachdem sie den Raum verlassen hatte, raunte Borowka seinem Kumpel zu: „Wie hältst du diese Besserwisserei bloß immer aus?“

      Fredi wischte sich den Mund mit der Serviette ab und erwiderte: „Dass ihr euch immer streiten müsst. Du weißt doch genau, dass die Sabrina deine Witze nicht versteht. Aber was anderes. Du gefällst mir im Moment überhaupt nicht, Borowka. Du bist in letzter Zeit immer so nachdenklich. So kenn ich dich gar nicht. Der Tonne erzählte, dass du letztens nach dem Fußballtraining an der Theke sogar plötzlich angefangen hättest, über der Sinn vom Leben zu erzählen.“

      Borowka putzte sich den Mund mit dem Ärmel ab. „Ja gut, da ging es sich aber um die Frage, ob das Leben mit ein Passat-Kombi überhaupt noch ein Sinn hat.“

      Fredi sah ihm direkt in die Augen. „Richard, wenn ich dir irgendswie helfen kann, dann sag mir das bitte.“

      „Echt jetzt?“

      „Ja logisch, du bist mein bester Freund – und mein einzigster.“

      Borowka atmete tief durch und sagte mit ernster Stimme: „Es gibt da wirklich was, wobei du mich unterstützen könntest. Das wär sehr wichtig für mich. Aber es könnte sein, dass du Ärger kriegst mit Sabrina, wenn die das rausbekommt.“

      Fredi blickte sich verstohlen um, aber seine Freundin war noch im Keller. Er flüsterte: „Lass das mal meine Sorge sein. Raus damit. Wobei kann ich dich unterstützen?“

      „Ich weiß nicht, ob ich das von dir verlangen kann.“

      „Doch, natürlich!“

      „Hoch und heilig versprochen?“

      „Versprochen. Hoch und heilig!“

      Fredi saß schlecht gelaunt auf dem Beifahrersitz, während Borowka mit Schwung rückwärts aus dessen Einfahrt zurücksetzte. „Das find ich super, dass du heute Abend spontan mit mir nach Himmerich, in die Disko fährst, und das, obwohl Sabrina extra eine DVD für ein romantischer Videoabend besorgt hat. Ich glaub, die war stinksauer, oder? Wieso schmeißt man sonst ein Teller gegen die Wand?“

      Fredi hielt die Arme verschränkt vor der Brust und antwortete: „Halt die Fresse und fahr.“

      „Fredi, jetzt stell dich nicht so an. Das wird super“, rief Borowka euphorisiert. „In Himmerich ist heute 90er-Party. Das war unser Jahrzehnt. Da lassen wir es nochmal richtig krachen! Die Jungs vom Fußball sind auch alle da.“

      Borowka setzte mit dem Auspuff auf, als er über den Bürgersteig auf die Straße fuhr. Dann drückte er das Gaspedal voll durch, ließ die Reifen quietschen und jagte durch das abendliche Saffelen. Nachdem sie das Ortsschild passiert hatten, musste er wegen der dahinterliegenden Schikanen noch mal kurz abbremsen. Er umkurvte sie mit schlafwandlerischer Sicherheit und beschleunigte sofort wieder. Nach der nächsten Kurve musste er allerdings schon wieder vom Gas gehen, weil ihm in einiger Entfernung auf der Gegenfahrbahn ein dunkler Mercedes C-Klasse entgegenkam. „Oh, Mann“, entfuhr es Borowka, „was für eine piefige Karre. Kackbraun und dann allen Ernstes Stahlräder. Von Kronprinz. Ich kack ab. Das ist garantiert kein Saffelener. Wer so ein Hausfrauenpanzer käuft, müsste erschlagen werden.“

      „Ich find der Auto gar nicht so schlecht“, widersprach Fredi, der sich wieder beruhigt hatte und sich insgeheim auch schon auf Himmerich freute. „Der hat ein Kompressor-Vierzylinder. Der macht richtig Druck im sechsten Gang. Und trotzdem ist der sparsam. Tolle Schaltung, super Sitze, 1A Federkomfort. Das ist, wie wenns du zu Hause auf dem Sofa sitzt. Ich würde sagen, der ist bequem und sportlich.“

      Borowka blickte zweifelnd zu seinem Kumpel hinüber. „Sag mal, hast du Schmieröl gesoffen oder was? Ich glaub, du hast zu oft danebengestanden, wenn der alte Oellers wieder ahnungslose Kunden Schrottkarren angedreht hat. Kein normaler Mensch setzt sich in so eine Oppa-Karre … außer Oppas.“

      „Ist ja gut“, lenkte Fredi ein. „In eins geb ich dir recht: Das kann kein Saffelener sein.“

      Neugierig geworden, drosselte Borowka sein Tempo, um den Mercedes langsam zu passieren. Als die beiden Autos auf gleicher Höhe waren, reckte er den Kopf, um einen Blick in den Innenraum zu werfen. Er erspähte zwei Personen. Der Beifahrer war zwar von einem Schatten verdeckt, aber dafür erkannte er den Fahrer umso deutlicher. Es handelte sich um ein vertrautes Gesicht aus alten, aber nicht unbedingt besseren Zeiten.

      Fredi, der von seinem Platz aus nichts hatte sehen können, fragte neugierig: „Und? Konntest du der Typ erkennen?“

      „Allerdings“, antwortete Borowka mit tonloser Stimme, „und dass der nach Saffelen kommt, bedeutet nix Gutes.“

       4

      Freitag, 5. Juni, 21.40 Uhr

      Der wohltemperierte Weinbrand rann Wills Kehle hinunter. „Es geht doch nix über ein Glas Dujardeng nach ein getanes Tagwerk“, sprach der Landwirt zu sich selbst, während er seine Beine auf dem Hocker vor seinem Ohrensessel lang ausstreckte. Heute hatte er die Arbeiten an den Gästezimmern offiziell beendet. Die Betten waren aufgebaut, die Fernseher installiert und der Wasserschaden behoben. Zur Belohnung hatte sich Will diesmal sogar einen „Dujardin Fine Cognac“ aufgemacht, die edle Cognac-Ausführung seines Lieblingsweinbrands Dujardin Imperial. Er strich mit dem Daumen über das „V.S.O.P.“-Siegel am Flaschenhals. Wofür die Abkürzung genau stand, wusste Will nicht. Schlömer Karl-Heinz behauptete immer, das hieße „very super old Plörre“, aber das glaubte der Landwirt nicht. Denn Plörre war sein Lieblingsgetränk nun wahrlich nicht. Im Gegenteil, Dujardin Fine wurde aus französischen Weinen aus der Charente gebrannt. Und nur ein Weinbrand, der aus dieser Region stammt, durfte sich auch Cognac nennen. Will nahm einen weiteren Schluck aus seinem Schwenker, der erst durch das korrekte, leichte Anwärmen in der Handfläche seinen ganz speziellen rund-milden Geschmack entfaltete. Nicht so wie Anfänger-Weinbrände, die vor allem durch ihr süßlich-seifiges Nachbrennen unangenehm auffielen. Eine leichte Schärfe fand man beim Dujardin allenfalls vorn an der Zungenspitze, aber nicht wie bei anderen Vergleichs-Spirituosen lange nachbrennend im Abgang. Will verstand gar nicht, dass dieser edle Feierabendtropfen ein bisschen aus der Mode gekommen war und teilweise sogar als Altherrengetränk verspottet wurde – oft sogar von selbst ernannten Hipstern, die sich für die Coolsten hielten, um sich dann am Wochenende mit Jägermeister zuzuschütten. Ausgerechnet Jägermeister! Das Gesöff, mit dem die Omma früher nach dem üppigen Weihnachtsessen immer ihre Verdauung angeregt hatte und mit dem alte Männer am Kiosk ihr verpfuschtes Leben zu ertränken versuchten. Nein, Will ließ sich sein Lieblingsgetränk nicht schlechtreden. Das flüssige Gold schlängelte sich wie ein kleiner, ruhiger Fluss durch seinen Hals, als er noch einen Schluck nahm. Es war so bekömmlich, dass man es auch in großen Schlucken wie ein Bier oder einen Kaffee nebenher trinken konnte, wenn man denn ein unkultivierter Bauer wäre. Will stellte das Glas auf seinem Wohnzimmer-Kacheltisch ab und grunzte vor Vergnügen. Die Fernbedienung zappelte erwartungsfroh in seiner Hand, seine Frau machte im Keller die Wäsche und die Flasche Dujardin war noch drei viertel voll. Nichts würde jetzt noch seine Entspannung stören können. Dachte er! Doch plötzlich bimmelte es an der Haustür, wobei diese Formulierung nicht annähernd das ohrenbetäubende Lärmgewitter beschreiben konnte, das regelmäßig durch die Betätigung der Türklingel ausgelöst wurde. Die Lautstärke war so eingestellt, dass man sie bis auf den Hof und in die entlegenen Stallungen hören konnte.

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