Einer der auszog, um reich zu werden. Kanghan YUAN

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Einer der auszog, um reich zu werden - Kanghan YUAN

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war ich nicht mehr abgehärtet genug gegen die schmutzige Luft und habe mir gleich eine Lungenentzündung zugezogen, kaum dass ich wieder in China war. Der Arzt hat sie noch vorgestern beim Abhören identifizieren können.«

      Hong hat in Deutschland sehr gutes Deutsch gelernt. Zudem beherrscht sie die Fachausdrücke für Beschimpfungen und Gossensprache nahezu perfekt. Daher unterhalten wir uns mehr auf Deutsch als auf Englisch oder Chinesisch. Sehr zu meinem Leidwesen, denn ich hätte mich lieber auf Chinesisch unterhalten. Doch dazu fehlt mir die Praxis und Hong die Geduld. Als ich sie einmal fragte, woher sie die saloppe deutsche Umgangssprache kannte, meinte sie, sie hätte täglich die Bildzeitung gelesen, die wäre in Deutschland am billigsten. Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht: Ob es wohl in China auch ein Pendant zur deutschen Bildzeitung gab?

      In meinem Arbeitsumfeld benötige ich kein Chinesisch und für den privaten Alltag habe ich Hong, daher ist der Druck, diese doch etwas kompliziertere Sprache zu erlernen, nicht besonders hoch. Arbeitsalltag … mit einem Mal muss ich an meine zurückliegende, anstrengende Arbeitswoche denken. Noch gestern Mittag saß ich im Büro meines amerikanischen Chefs in Shanghai und habe mit ihm Pläne für die Verbesserung der Headcount-Situation geschmiedet. Mein Chef beklagte sich, man habe ihm das Budget drastisch gekürzt und das Geld anderen zugeschoben. Er wüsste nicht einmal mehr, wie er die Löhne zahlen sollte, von den Kosten für Headhunter, die alte und erfahrene Hasen mit ins Boot holen sollen, ganz zu schweigen. Und was würde aus den Stipendien für begabte chinesische Studenten, die man nach ihrem Studium einstellen möchte?

      »Ja dann …«, meinte er schließlich resigniert, »… dann müssen wir wohl alle dieses Jahr den Gürtel etwas enger schnallen«.

      Einen Tag davor war ich zum »Global Sourcing Board«, einer Telefonkonferenz mit der Zentrale in Deutschland, eingeladen worden. Leider hatte man vergessen, mich im Voraus darüber zu informieren, so dass ich nur noch eilig das Nötigste zusammengetragen konnte und nachts im Hotel eine Kalkulation erstellen musste. Zum Glück wurde ich rechtzeitig fertig, obwohl die an mich geschickten Lieferscheine alle auf Chinesisch waren. Hier kamen mir meine fachlichen Chinesisch-Kenntnisse zugute.

      Kurz darauf erhielt ich eine Mail auf Deutsch mit der Bitte um rechtzeitige Übersetzung derjenigen ins Englische und Chinesische. Ein deutscher Manager würde bereits am folgenden Tag zu einem chinesischen Lieferanten reisen und brauchte Unterstützung, um notwendige Daten für die anschließende Kostenkalkulation auf Englisch und Chinesisch zu erfragen. Ich leitete die Mail gleich zum Übersetzen an eine deutschsprechende chinesische Mitarbeiterin im Shanghai-Büro weiter, stellte jedoch auf der gestrigen Autofahrt zum Büro fest – nochmal zur Erinnerung, ich fahre nicht selbst, ich habe einen Chauffeur –, dass dies nicht erledigt worden war. Mir blieb daher nichts anderes übrig, als die Mail selbst zu übersetzen. Das ging auch aus meiner Sicht ganz gut, denn mein Fachvokabular beherrsche ich auf Englisch und auch leidlich auf Chinesisch.

      Allerdings konnte ich die Datei nicht im Auto absenden und musste warten, bis ich im Büro war. Es war schon nach neun Uhr morgens. Zum Glück hatte sich keiner beschwert. Ich wunderte mich ein weiteres Mal darüber, warum hier alles immer auf den letzten Drücker geschehen musste. Man konnte schließlich davon ausgehen, dass die Reiseplanungen nicht erst seit vorgestern feststanden. Und warum sprechen die deutschen Manager eigentlich kein Englisch? Schließlich sind wir doch ein internationales Unternehmen. Oder sind sie einfach zu faul und wollen die Arbeit von anderen erledigt haben? Als ich mich bei einem anderen deutschen Kollegen im Büro darüber aufregte, meinte der nur, dass sowieso alle Mails immer auf Deutsch geschrieben würden. »Warum sollen sich auch Deutsche auf Englisch unterhalten? Einmal hat ein neuer Kollege genau dies versucht durchzusetzen. Er war unter den Deutschen nicht sehr beliebt und hat nach kurzem die Firma wieder verlassen«, erzählte er noch.

      Ein weiteres Thema bei meinem amerikanischen Chef war die kostensparende Zusammenlegung mehrere Büros in einem höhergelegenen Stockwerk. Hierdurch könnte eine ganze Etage aufgegeben werden, aber mein Büro würde dann komplett gestrichen werden. Ich benötigte das ja nicht, klärte mich mein Chef auf, denn ich sei sowieso die meiste Zeit außer Haus, bei Lieferanten oder bei Treffen mit Einkäufern in meinem Büro in unserem Fertigungswerk in Taicang.

      Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass das Management-Team schwerlich zusammenhalten und an einem Strang ziehen könnte, wenn ich weitab in Taicang säße und auch an den Teambesprechungen, die meinem Chef so am Herzen lagen, nicht mehr teilnehmen könnte. Wenige Stunden später hatte ich mein Büro in Shanghai wieder.

      Zu den elf gesetzlichen Feiertagen kommen je Dauer der Betriebszugehörigkeit noch fünf bis fünfzehn Urlaubstage, die wie im Westen zeitlich frei gewählt werden können. Feiertage, die auf ein Wochenende fallen, werden sozusagen nachgeholt, was wie in diesem Jahr zu einer erheblichen Verlängerung der freien Zeit führen kann. Nächstes Wochenende beginnt das Chinese New Year, gern auch mit CNY abgekürzt, das neue Jahr nach dem chinesischen Mondkalender. Normalerweise gibt es hierfür drei gesetzliche Feiertage, aber da das Fest direkt an einem Wochenende liegt, wurden diese beiden Tage hinten dran gehängt. Um diese zusammenhängende Zeit noch etwas zu verlängern, wurden der morgige Sonntag und der erste Februarsamstag kurzerhand vom Staat als Arbeitstage festgelegt und aus drei Feiertagen werden sieben. So kann man auch bequem die langen Entfernungen in China überwinden, um ein paar Tage mit der Familie verbringen zu können.

      Mir ist der Arbeitssonntag ganz recht, denn ich selbst habe die Einkäufer unter Druck gesetzt und Einladungen zu Meetings rausgeschickt.

      Rückblickend waren die ersten Wochen des noch nicht sehr alten Neuen Jahres sehr stressig, denn nicht nur beruflich, auch privat war einiges los. Vor ein paar Tagen waren Hong und ich beim monatlichen AHK-Treffen, dem Treffen der deutschen Auslandshandelskammer, in Shanghai. Dort habe ich zum ersten Mal die neue evangelische Pastorin getroffen, die nun für den Großraum Shanghai zuständig ist. Die Metropole hat ihr eine kleine Kirche im westlichen Qingpu-Distrikt zugeteilt – daher nenne ich sie Qingpu-Kirche –, in der sie die Gottesdienste der chinesischen evangelischen »Drei Selbst Kirche«, so die offizielle Bezeichnung, abhält. Interessanterweise ist Religion, egal welcher Art, in China ein heikles Thema, da sie sich nicht so gut mit der staatlichen Philosophie verträgt. Mittlerweile gibt es offiziell anerkannte Religionen, die allerdings strikten Anweisungen des Staates unterliegen, dazu gehören Katholizismus, Protestantismus, Buddhismus, Taoismus und Islam. Anhänger anderer Religionen werden auch heute noch verfolgt.

      Bereits im 13. und 14. Jahrhundert hatten Katholiken erste Versuche der Missionierung angestrengt, sind aber gescheitert. Vor etwa zweihundert Jahren kamen die ersten protestantischen Missionare nach China und hatten mäßigen Erfolg, aber einige ließen sich doch überzeugen, so dass die Mitgliederzahl, wenn auch anfangs sehr langsam, aber stetig wuchs. Fünf Jahre nach Gründung der Volksrepublik China wurde allem zum Trotz die jetzige evangelische Kirche unter dem Namen »Drei Selbst Kirche« gegründet.

      »Wie ist dieser Name zustande gekommen?«, wollte ich von Hong wissen.

      »Während

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