Versehrte Seelen. Gabriele Keiser
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»Außer Ihnen.«
Sie zuckte die Schultern.
»Wissen Sie etwas über Herr Blankenhains Freunde, Familienangehörige, oder womit er seine Zeit verbracht hat?«
Marianne Beck schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Da kann ich Ihnen überhaupt nicht weiterhelfen.«
»Gut. Dann danke ich Ihnen.« Helena wandte sich zum Gehen.
»Warten Sie … man erzählt sich, der Herr Blankenhain sei hier in Bonn kein Unbekannter. Früher war er mal aktiv in der Politik. Aber was er genau gemacht hat, weiß ich nicht. Ich hab mich nie besonders für Politik interessiert.« Die junge Frau lächelte verlegen mit schief gelegtem Kopf.
Helena nickte ihr zu, ging ein Stockwerk tiefer und klingelte nochmals bei Frau Schellenbrink. Das tat sie mehrmals hintereinander. Als sich immer noch nichts rührte, klopfte sie und rief laut den Namen. Schließlich wurde ihr aufgetan.
So wie es in der Wohnung roch, glaubte Helena aufs Wort, dass mit den olfaktorischen Fähigkeiten der alten Dame nicht mehr alles in Ordnung war. Der säuerlich-muffige Geruch stand in eklatantem Gegensatz zu dem eleganten, gepflegt wirkenden Äußeren der alten Dame, die mit ihren weißen Löckchen und der Perlenkette ein wenig an die Queen erinnerte. Sie hatte sich in einer Wohnung, ähnlich der ihres Nachbarn, eingerichtet. Die Thonetstühle um den Kirschholz-Esstisch waren wahrscheinlich echt. Auf dem Sofa schonten Spitzendeckchen die Armablagen.
»Ach Gott«, begann Frau Schellenbrink sofort zu jammern. »Ach Gott, so ein Ende. Nein. Ich dachte, wir leben hier in einem sicheren Haus, aber da muss man ja furchtbare Angst haben. Man hört ja immer wieder von diesen Gangstern, die es auf alte Leute abgesehen haben …«
Helena unterbrach abrupt ihren Redefluss. »Haben Sie in den letzten Tagen etwas Verdächtiges bemerkt? Fremde Personen im Haus?«
»Wie?« Frau Schellenbrink schien noch ganz in unvorstellbare Schreckensszenarien versunken.
Helena wiederholte deutlich ihre Frage.
»Nein. Doch, warten Sie. Da kam immer eine junge Frau. Ich meine sogar, der Herr Blankenhain hätte mal gesagt, das sei seine Tochter. Die helfe ihm bei irgendwas. Ich weiß aber nicht, wobei. Vielleicht hat er es erzählt, aber ich hab’s nicht richtig verstanden.« Sie wies auf ihre Ohren. Zog bedauernd die Schultern hoch. »Ich hab zwar ein Hörgerät, aber das taugt nix.«
»Wie heißt diese Tochter?«
»Bitte?«
Helena stellte die Frage eine Tonhöhe lauter.
»Das weiß ich nicht. Sie hatten wohl erst spät miteinander Kontakt. Vorher habe ich sie nie hier gesehen.«
»Was heißt das?«
»Na, erst so seit einem guten Jahr. Seitdem war sie regelmäßig hier. Ungefähr einmal die Woche. In der letzten Zeit öfter, fast jeden zweiten oder dritten Tag. Ehrlich gesagt, ich hab mich schon ein bisschen gewundert, warum die so oft kam. Er war ja schließlich nicht pflegebedürftig oder so und kam gut zurecht.«
»Herr Blankenhain war Politiker?«, fragte Helena.
Frau Schellenbrink nickte. »Er war sehr angesehen hier in Bonn während seiner aktiven Zeit. Aber die ist schon lange vorbei. Heute kennt ihn kaum mehr jemand.«
»Haben Sie sonst etwas Ungewöhnliches beobachtet?«
Frau Schellenbrink hob die Schultern. Ruckte wie eine Taube mit dem Kopf. Schaute ängstlich. Blinzelte. »Doch, warten Sie. Da war am Freitag jemand hier.«
»Am Freitag? Welche Uhrzeit?«
»Das weiß ich nicht mehr so genau. Vielleicht war es auch Samstag. Doch, jetzt weiß ich es wieder: Es war Samstag. Gegen Abend. Glaub ich. Ein Mann, er sah etwas … nun ja, ramponiert aus. So mit strähnigen Haaren und unrasiert. Fast wie ein Obdachloser. Ich hab mich noch gewundert, was der wohl von Heribert, also Herrn Blankenhain, will. Der war ja immer …«
»Wie alt war der Mann?«
»Das ist schwer zu sagen. Vielleicht sechzig. Oder auch älter. Bei diesen … Menschen ist das ja immer etwas schwierig zu schätzen. Und so genau hab ich nicht hingesehen. Ich sitze ja nicht hinter der Tür und lauere.«
Nein, ganz bestimmt nicht, dachte Helena.
Bonn, Polizeipräsidium
9. Kapitel
Helena stand am geöffneten Fenster und fächelte sich mit einer zweckentfremdeten Akte frische Luft von draußen zu. Dabei schaute sie hinunter auf die Königswinterer Straße. Wie anders war doch der Klang von Bonn im Vergleich zu dem von Berlin. Und auch der Geruch. Oder bildete sie sich das nur ein? Hier wie dort fuhren Autos, Busse, Motorräder und sonderten ähnliche Geräusche und Gerüche ab.
Sie ging zurück zum Computer, gab den Namen »Heribert Blankenhain« in die Suchmaschine ein und überflog ein paar der Einträge. Sie klickte einzelne Seiten an, hauptsächlich die der führenden Medien und las Eckdaten, Einschätzungen und Kommentare. Vor ihrem geistigen Auge formte sich allmählich das Bild einer schillernden Persönlichkeit, die von der Öffentlichkeit ziemlich kontrovers wahrgenommen wurde. Mit provokanten Äußerungen habe der CDU-Politiker für Unmut gesorgt, hieß es mehrmals. Einige Male wurde Blankenhain als umsichtiger Politiker mit Weitblick gelobt, öfter jedoch registrierte man seine Aktivitäten mit ausgesprochener Häme.
Fotos zeigten ihn als jungen, aufstrebenden Politiker mit vollem dunkelblondem Haar. In späteren Jahren hatte sich sein Haar weißgrau verfärbt, war aber immer noch voll. Auf einem der Fotos hielt ihm die amtierende Weinkönigin eine Traube hin. Lachend versuchte er, eine der Beeren mit dem Mund zu pflücken.
Der Fuchs und die Trauben, dachte Helena. Hingen dir wohl zu hoch.
Drei Ehen war Blankenhain eingegangen. Die erste Ehe war kinderlos geblieben, der zweiten entstammten zwei Söhne, der dritten eine Tochter. Helena überflog die Zeilen nach den Namen der Kinder. Walter. Ernst. Monika.
Monika. Das war der Name, der mehrmals in Blankenhains Kalender eingetragen war. Die Frau, die ihn laut Frau Schellenbrink in letzter Zeit öfter besucht hatte.
Es klopfte an der Tür. Ihr Chef trat herein. »Der Blankenhain«, rief er aus. »Meine Güte. Heribert Blankenhain.«
»Kannten Sie ihn?«
»Jeder in Bonn kannte ihn.« Er stutzte kurz. Dann lenkte er ein: »Klar, Sie kommen aus Berlin …« Das klang wie ein Vorwurf.
»Muss ja nicht unbedingt von Nachteil sein«, erwiderte sie pikiert. »Außerdem kann man heutzutage fast jeden googeln. Ich hab mich schon mal ein wenig schlau gemacht. Scheint ja ein merkwürdiger Zeitgenosse gewesen zu sein.«
»Das können Sie laut sagen!«, rief ihr Chef aus. »Der Blankenhain war stadtbekannt, jedoch weniger wegen seiner politischen Errungenschaften. Er vertrat zwar die Konservativen, aber er zog es vor, sein Fähnchen immer schön nach dem Wind zu richten.«
Wieland setzte sich auf die Kante ihres Schreibtischs. Ließ lässig