Stahnke und der Spökenkieker. Peter Gerdes

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Stahnke und der Spökenkieker - Peter Gerdes

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der Mitteilungsdrang zu sein. »Na ja, also wenn der Proll hier liegen würde mit einem Messer in der Brust, dann hätte ich mich nicht gewundert. Keiner hätte das. Jeder, der mit dem zusammenarbeiten muss, bekommt früher oder später automatisch Mordgedanken.«

      »Was ist denn so schlimm an dem?«, fragte Stahnke. »Laut ist er, na schön, aber sind andere das nicht auch?«

      »Wenn’s nur das wäre! Der Proll ist nicht nur laut, der ist vor allem aufdringlich. Der quatscht einem die Ohren ab, ganz egal, ob man vielleicht gerade etwas Dringendes zu erledigen hat oder nicht, und bläst einem dabei seine Cappuccino-Fahne ins Gesicht. Das Zeug holt er sich nämlich andauernd aus dem Automaten hier. Und er zieht natürlich am liebsten über Kollegen her. Den wird man nicht los, wenn der sich einmal an einem festgelabert hat, da kann man so deutlich werden wie man will, der reagiert einfach nicht. Thomas hatte besonders unter ihm zu leiden, er braucht halt seine Konzentration, wenn er schreibt. Ein oder zwei Mal hat er ihn regelrecht rausgeschmissen.«

      »Ach«, unterbrach Stahnke. »Dann kann es also sein, dass der Prollwitz einen Groll gegen Kretschmer hegte?«

      Antje Winkler lachte: »Ach was, so etwas merkt der doch überhaupt nicht! Wenn Sie mal nach dem Gegenteil von Sensibilität suchen, dann nehmen Sie den Proll. Der Mann ist gegen alles immun. Der hat Hornhaut auf der Seele. Wenn er überhaupt eine Seele hat.«

      Die schnarrende Männerstimme war während des Gesprächs keinen Augenblick lang verstummt. Jetzt wurde sie plötzlich lauter Ein kleiner, bulliger Mann war auf dem Gang erschienen und näherte sich mit schnellen Schritten, den Kopf mit der Halbglatze vorgereckt. Dass er seinen Gesprächspartner hatte zurücklassen müssen, schien ihm nichts auszumachen, wohl weil ihn am anderen Ende des Flurs ja neue erwarteten. Die Worte, die der Mann immer noch pausenlos ausstieß, ergaben für Stahnke keinen Sinn; offenbar waren es Fetzen der just abgebrochenen Unterhaltung, die er unermüdlich wiederholte, um die Pause bis zur nächsten zu überbrücken. Sein Blick war ebenso unstet wie sein Gang übertrieben fest; Stahnke bereitete sich auf einen unangenehmen Wortwechsel vor.

      Unmittelbar vor ihm aber schlug der bullige Mann plötzlich einen Haken, umkurvte auch Kramer und stürmte auf die Teeküche zu. Ehe die beiden Polizisten reagieren konnten, hatte Prollwitz die Tür erreicht und ließ sie mit einem wuchtigen Stoß seiner flachen Hand aufplatzen. Das Türblatt verfehlte die Leiche nur knapp und schlug krachend an die Innenwand.

      »Sind Sie wahnsinnig«, brüllte Stahnke. »Verschwinden Sie hier, das ist ein Tatort!«

      Kramer sagte gar nichts, sondern machte einen schnellen Schritt, packte den vorwitzigen Burschen am Kragen und riss ihn zurück. Eine Behandlung, die Prollwitz weiter nichts auszumachen schien. Er hatte gesehen, was er sehen wollte, und machte sich bereits auf den Rückweg. »He, Becker, du Lappen«, brüllte er durch den Korridor, »das ist dein Messer, das der Kretschmer da in der Brust hat! Das Ding, das du Weihnachten hier vergessen hast, damals, als wir deinen Stollen gegessen haben. War ja staubtrocken, das Zeug!« Mit jedem Schritt schallte seine Stimme ein bisschen leiser, und Stahnke stellte fest, dass er dafür dankbar war.

      »Zum Glück sind ja nicht alle so«, nahm Antje Winkler ihren Berufsstand in Schutz.

      Stahnke ging darauf nicht weiter ein, hatte die Worte tatsächlich gar nicht wahrgenommen. »Sagen Sie, welchen Job macht denn der Prollwitz hier?«, fragte er die Lokalredakteurin. Kramer, der die Teeküchentür wieder zugezogen hatte, horchte auf; in der Stimme seines Chefs schwang wieder einmal dieser gewisse Ton mit.

      »Umbruchredakteur«, sagte die Rotblonde. »Er kontrolliert jede redaktionelle Seite, die von der Abteilung Druckvorstufe verarbeitet worden ist, ehe die eigentliche Druckplatte angefertigt wird. Darum fängt er gewöhnlich auch erst mittags an, weil er ja jeden Abend bis 23 Uhr bleiben muss. Gott sei Dank, so muss man ihn wenigstens nicht den ganzen Tag lang ertragen.«

      »Dann müsste er ja gestern Abend zur Tatzeit hier im Haus gewesen sein«, stellte Kramer fest. Typisch für ihn, dass ihn selbst solch eine Nachricht nicht aus der Fassung brachte.

      »Tatzeit? Ach, Sie meinen …« Antje Winkler stutzte und begriff. Dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, also wirklich nicht. So blöd wie der ist, aber einen Mord – nee. Jedenfalls nicht, wenn dabei nichts für ihn zu holen ist. Und da sehe ich nichts.«

      Stahnke nickte zerstreut, schien mit seinen Gedanken schon wieder woanders zu sein. »Noch einmal zu Kretschmer. Schreiben konnte er ja, da sind wir uns einig. Aber wie war er denn sonst so, ich meine, in den alltäglichen Dingen, wie hat er sich da angestellt? Ein patenter Mensch?«

      Antje Winkler lächelte; es sah nachsichtig aus. »Ach wissen Sie, der Thomas hat so viel Talent zum Schreiben mitbekommen, da war für andere Dinge wohl nichts mehr übrig. Der hat nicht einmal eine Flasche aufschrauben können, ohne sich zu bekleckern. Zwei linke Hände, sage ich nur. Total paddelig. Aber ihm konnte man’s ja nicht übel nehmen, nett wie er war.«

      »Danke, Frau Winkler«, sagte Stahnke. »Sie haben uns sehr geholfen.« Etwas verwirrt ging die Rotblonde davon, den Korridor entlang, dorthin, wo Prollwitz’ schnarrendes Organ nach wie vor dröhnte.

      »Und?« Kramer zeigte Anzeichen von Ungeduld – unglaublich.

      Stahnke verschränkte die Arme hinter dem Rücken und wippte auf den Fußballen. »Wir haben den Mörder«, sagte er und wies mit dem Kopf in Richtung Teeküche. »Da drinnen liegt er.«

      »Kretschmer selbst?« Kramer zog die Mundwinkel herab. »Selbstmord? Mit einem Küchenmesser? Also ich weiß nicht …«

      »Natürlich nicht«, korrigierte Stahnke. »Kretschmer hat genau genommen auch keinen Mord begangen, sondern einen Mordversuch.«

      »Und an wem?«

      »Dieser Kretschmer«, sagte Stahnke, »war ein erstklassiger Schreiber. Seine Texte bedeuteten ihm etwas, sehr viel sogar, nicht zuletzt deshalb, weil sie das Einzige waren, worauf er sich etwas einbilden konnte. Die waren nicht einfach so hingeschmiert, die waren komponiert. Selbst unter Zeitdruck. Ich habe einige seiner aktuellen Berichte gelesen – erste Sahne, auch wenn er kaum mehr als eine halbe Stunde Zeit für hundert Zeilen hatte. So etwas erfordert natürlich volle Konzentration.«

      Kramer nickte langsam; ihm dämmerte etwas. »Und wenn Kretschmer eins nicht gebrauchen konnte bei seiner Arbeit«, sagte er langsam, »dann war das …«

      »Penetrante Störung, genau«, fuhr Stahnke fort. »Und dieser Proll, vielmehr Prollwitz, muss ihn mehr gestört haben, als selbst ein friedfertiges Schaf wie Kretschmer ertragen konnte. Schließlich sind Sportreporter praktisch die Einzigen, die neben dem Umbruchredakteur nach 22 Uhr noch hier oben sind. Und da Prollwitz offenbar ständig einen Gesprächspartner braucht, bekam Kretschmer regelmäßig den ganzen Segen ab.«

      »Bis es dann reichte«, ergänzte Kramer. »Zum Beispiel gestern Abend, als wieder einmal ein später Spielbericht zu schreiben war. Na gut. Kretschmer griff also zum Messer – und dann? Kam Prollwitz ihm zuvor?«

      Stahnkes Handy unterbrach die Unterhaltung mit dem Darth-Vader-Motiv. Das kriminaltechnische Labor. Der Hauptkommissar lauschte schweigend, bedankte sich dann und schaltete aus. »Auf dem Messergriff sind Kretschmers eigene Fingerabdrücke«, berichtete er. »Und zwar ausschließlich.«

      »Und das heißt?«

      »Dass es so war, wie ich’s mir dachte«, sagte Stahnke. »Kretschmer schreibt unter Stress, Prollwitz nervt und stört ihn. Kretschmer geht in die Technik, stellt fest, dass er mit seiner Arbeit unzufrieden ist, kann aber nichts mehr ändern, weil keine Zeit mehr ist. Wütend läuft er nach

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