Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 13
An meine Tochter, von deren Existenz ich erst spät erfahren habe. Der Gedanke schmerzt mich sehr, daß ich sie nie sehen durfte, wenn sie diesen Brief zu lesen bekommt. Ich hege noch immer die Hoffnung, daß ich sie kennenlernen werde, habe aber gleichzeitig Angst, daß sie keinen Wert auf eine Begegnung legt. Junge Menschen können trotzig und unversöhnlich sein, das weiß ich, weil ich selbst so war.
Natürlich wird sie sich fragen, warum ich mich nicht um sie gekümmert habe, warum ich ihre Mutter verließ. Die Wahrheit wird sie mir vielleicht nicht glauben, weil ich weiß, daß ihre Mutter nicht mehr lebt und mir nicht widersprechen kann. Aber ich schwöre bei Gott und der heiligen Mutter Maria, daß ich nicht allein schuld war an dieser Trennung. Sophia sagte, daß sie einen Mann haben wolle, der ihr etwas bieten kann. Außerdem entstammte sie einer Familie, in der ich ein Außenseiter geblieben wäre. Es gab da noch einen anderen Mann, Roman Derring hieß er. Ich war eifersüchtig auf ihn, weil Sophia mir vorhielt, wie gebildet er sei. Ich war sehr eifersüchtig, und als sie dann auch noch sagte, daß ich ein Versager sei, beschloß ich, nach Übersee zu gehen und dort mein Glück zu versuchen. Ich will Deine Mutter nicht in schlechtes Licht setzen, mein Kind, ich will nur sagen, daß ich gekränkt und gedemütigt war. Ich kam nach Kanada, aber es war schwer, Arbeit zu finden, da ich kein Geld mehr hatte, mir eine anständige Bleibe zu mieten. Ich nahm jede Dreckarbeit an und sparte, aber das Sparen war mühsam, denn ich mußte essen und mich einigermaßen anständig kleiden, wenn ich vorankommen wollte. In einer Mine bekam ich Arbeit, aber es dauerte Jahre, bis ich es zum Aufseher brachte. Ich habe Sophia ein paarmal geschrieben, aber ich bekam keine Antwort. Ich dachte, daß sie Derring geheiratet hätte, aber nach fünfzehn Jahren traf ich diesen Mann zufällig wieder. Es sollte wahrscheinlich so sein. Er war geschäftlich in Toronto, und ich war auch dort. Inzwischen hatte ich das Glück gehabt, an eine Ölquelle zu geraten, die zu sprudeln begann. Ich war mittlerweile auch wer und konnte mich mit Derring messen. Ich fragte ihn, ob er Sophia geheiratet hätte, aber er sagte, daß er davon abgesehen hatte, weil sie ein Kind erwartet hätte. Ziemlich herablassend bemerkte er, ob ich nicht der Vater dieses Kindes sei. Ich kann nicht beschreiben, was ich empfand zwischen Angst und Hoffnung. Sofort ließ ich nach Sophia und ihrem Kind suchen, aber nach langem Warten erfuhr ich, daß sie gestorben sei. Sie war in Ulm gestorben, aber von dem Kind wußte man nur, daß es eine Tochter mit Namen Antonia war. Für mich war dieser Vorname ein Beweis, daß ich der Vater war und Sophia mich nicht vergessen hatte. Aber warum hatten meine Briefe sie nicht erreicht? Ich meine, sie hätte mir doch wenigstens ein Lebenszeichen geschickt. Ich weiß nicht, ob Du die Frage beantworten könntest, ich kann nur hoffen, daß ich Dich eines Tages doch noch finden werde. Ich kann Dich nur bitten, mir zu verzeihen, daß ich Dir nicht Vater sein konnte. Alles was mir gehört, sollst Du bekommen. Es kann Dir von niemandem streitig gemacht werden. Ich wäre so stolz gewesen, eine Tochter in die Arme schließen zu können. Wenn es nicht sein darf, und Du diese Zeilen lesen wirst, fühle dich umarmt von Deinem Vater.
Antonia kamen die Tränen. Mit uns hat es das Schicksal nicht gut gemeint, Vater, dachte sie, nicht mit Mama und auch nicht mit mir. Du warst einsam mit all dem Besitz, den du erworben hast.
Aber sie mußte auch denken, daß unbedachte Worte ihrer Mutter ihn dazu getrieben hatten, sie zu verlassen, auch daran, daß sie von ihrer Mutter diese Wahrheit nicht erfahren hatte.
Ein leises Geräusch lenkte sie ab. Niklas stand in der Tür.
»Was war denn eigentlich?« fragte er noch immer schläfrig. »Wieso habe ich so lange geschlafen?«
»Weil du müde warst«, erwiderte sie lächelnd, aber er sah doch die Tränen, die noch nicht getrocknet waren.
»Kann ich etwas für dich tun, mein Liebes?« fragte er.
»Du kannst den Brief lesen, wenn du wieder richtig gucken kannst. Wie spät ist es eigentlich?«
»Schon fast elf Uhr und eigentlich Schlafenszeit. Ich werde mal den Zimmerservice anrufen und uns noch was Leckeres bringen lassen. Und dann werden wir uns schon die Zeit vertreiben, bis wir wieder müde werden. Stell doch mal den Fernseher an.«
Sie wollte nicht zeigen, wie nahe ihr der Brief ihres Vaters ging, der aus dem Jenseits zu ihr gesprochen hatte, der ihr bewies, wie schnell Menschen einander weh tun konnten mit ein paar Worten, die man nicht zurücknehmen konnte. Es sollte ihr eine Mahnung sein.
*
In München war es später Nachmittag, und Dr. Nordens Sprechstunde neigte sich dem Ende entgegen. Kurz nach siebzehn Uhr war Frau Möhl gekommen. Sie wartete geduldig, bis Dr. Norden Zeit für sie hatte. Wendy war auch zu beschäftigt, um sich mit ihr zu unterhalten, aber auf Lilian Möhl wartete ja niemand, sie hatte Zeit.
Eigentlich wollte sie nur wissen, ob Dr. Norden von Antonia eine Nachricht bekommen hätte, aber da sie immer noch sehr erkältet war, konnte sie das nebenbei fragen.
Er konnte ihr leider auch nichts sagen, während er sie gewissenhaft untersuchte und ihr sagte, daß sie ihre Medikamente noch nehmen und sich auch noch schonen müsse.
»Ich tue ja sowieso nicht viel, und lange Spaziergänge mag ich bei dem schlechten Wetter auch nicht machen«, meinte sie.
»Sie wird schon etwas von sich hören lassen«, wurde sie von Dr. Norden beruhigt.
»Wahrscheinlich genießt sie ihren Urlaub und weiß noch nichts von dem Brief aus Kanada. Wenn ich von ihr Nachricht bekomme, sage ich Ihnen Bescheid, Frau Möhl.«
»Sie sind zu gütig, Herr Doktor. Es ist so schön, wenn man einen Arzt wie Sie hat, der sich noch Zeit für gute Worte nimmt. Ich merke jetzt erst, wie sehr mir Antonia ans Herz gewachsen ist. Sie fehlt mir sehr.«
»Sie kommt ja bald wieder«, tröstete er. »Die Zeit vergeht so schnell.«
Er konnte ja auch nicht ahnen, was Antonia inzwischen erlebte, aber Lilian Möhl konnte sich an diesem Abend freuen, denn es kam ein Anruf aus Quebec.
Da Antonia und Niklas wieder munter waren und auch ein paar leckere Kleinigkeiten gegessen hatten und eine Flasche Champagner bereits zur Hälfte geleert war, kam Antonia auf den Gedanken, die liebe Frau Möhl zu benachrichtigen, wo sie jetzt gelandet war. Lilian Möhl wußte gar nicht, wie ihr geschah, als Antonia es erzählte.
»Dann war es ja eine gute Nachricht«, stammelte sie, »ich habe mir Gedanken gemacht, daß Ihnen der Urlaub verdorben werden könnte.«
»Ganz im Gegenteil. Einen Mann habe ich auch gefunden, der mir beisteht, einen sehr netten, lieben Mann, Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Das muß ich gleich morgen Dr. Norden erzählen. Ich war nämlich heute bei ihm und habe ihn gefragt, ob er was von Ihnen gehört hat. Es ist so lieb, daß Sie mich anrufen, aber wird das nicht zu teuer?«
»Machen Sie sich keine Gedanken, ich bin mit Geld versorgt. Ist sonst alles in Ordnung im Haus?«
»Und auch in der Wohnung. Ich lüfte und versorge die Pflanzen, darauf können Sie sich verlassen. Das Wetter ist gräßlich, die Grippe greift um sich. Diesbezüglich verpassen Sie wirklich nichts.«
»Sie ist eine gute Seele«, erklärte Antonia, als das Gespräch dann endlich beendet war, »da kann man nicht gleich wieder Schluß machen. Es war auch sehr entgegenkommend von ihr, daß ich in der Wohnung