Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Sie saß auf der Bank vor dem Haus, schaute über den Hof und suchte nach einer Entscheidung.
Manchmal muß es wohl erst zu solch einem Unglück kommen, damit sich alles wieder einrenkt, dachte sie. Nie im Leben hätte sie dran geglaubt, daß ihr Vater ihr jemals die Hand zur Versöhnung reichen würde.
Und dann dachte sie an Thomas.
Sein Leben hatte er eingesetzt, um ihr Eigentum zu retten.
Konnte es einen größeren Liebesbeweis geben?
Sie erinnert sich an die glückliche Zeit, die sie miteinander verbracht hatten. An die ständigen Kämpfe zu Hause, weil sie sich, nach Meinung der Eltern, den Falschen ausgesucht hatte. Und an die bittere Zeit der Trennung.
Viel hatte sie erlebt in ihrem jungen Leben, und diese Erfahrung hatte aus ihr eine Frau gemacht, die wußte was sie wollte.
Und sie wollte Thomas!
Der Tag verging nur langsam und die Nachtstunden schlichen dahin. Endlich war Morgen. Christel stand auf, bereitete das Frühstück und wartete darauf, daß es soweit war, daß sie zum Krankenhaus fahren konnte.
Dr. Willing kam ihr schon auf dem Flur der Station entgegen.
»Guten Morgen, Frau Enzinger«, begrüßte er sie. »Es gibt gute Neuigkeiten. Der Herr Brenner ist gestern abend aufgewacht. Er hat gegessen und scherzt schon wieder ein bissel mit den Krankenschwestern herum.«
Der Arzt zwinkerte ihr zu.
»An Ihrer Stelle würd’ ich aufpassen.«
Christel nahm die Nachricht mit Erleichterung auf.
»Darf ich zu ihm?«
»Aber natürlich. Einem Besuch steht nix im Wege. Allerdings – wundern S’ sich net, wenn der Herr Brenner vielleicht ein bissel müde erscheint. Wir mußten ihm noch etwas gegen die Schmerzen geben. Aber das ist spätestens in ein, zwei Tagen überstanden.«
Die Bäuerin öffnete die Tür zum Krankenzimmer. Thomas lag in seinem Bett und hielt die Augen geschlossen.
»Schwester, wenn S’ jetzt schon wieder kommen, um mir Blut abzunehmen, dann überleg ich mir ernsthaft, ob dies wirklich ein Krankenhaus ist, oder ein Restaurant für Vampire«, scherzte er.
»Keine Angst, ich will kein Blut von Ihnen«, antwortete Christel Enzinger.
Thomas riß die Augen auf. Natürlich hatte er ihre Stimme sofort erkannt.
»Christel!«
Christel lief zu ihm, und das Herz tat ihr weh, als sie ihn da so liegen sah.
»Ist’s sehr schlimm auszuhalten?« fragte sie.
Thomas lächelte schief.
»Jetzt net mehr…«
Sie setzte sich an das Bett und hielt seine Hand.
»Ich hatte solche Angst um dich.«
»Wirklich? Das freut mich aber.«
»Das freut dich?« fragte sie beinahe empört.
»Ja, weil das wohl gar nix and’res bedeutet, als das du mich liebst.«
Christel schluckte. Damit hatte er vollkommen recht. Nie war ihr das bewußter gewesen, als seit der vorletzten Nacht, in der das schreckliche Feuer ausbrach.
»Dann nimmst mich also wieder zurück?« fragte Thomas hoffnungsvoll und tastete nach ihrer Hand.
Sie hielt seine Finger umklammert und nickte.
»Ja, Thomas, weil ich weiß, daß du zu mir gehörst.«
Dann gab sie ihm einen liebevollen Kuß.
»Guten Morgen, herzlich willkommen in der Pension Stubler.«
Die Zimmerwirtin sah die junge Frau lächelnd an.
»Frau Holzer, net wahr? Schön, daß Sie da sind. Ich hoff’, Sie fühlen sich bei uns wohl, und wünsch’ Ihnen schöne Tage in Sankt Johann.«
Angela erwiderte den freundlichen Gruß.
»Haben S’ viel Gepäck dabei?« erkundigte sich Ria Stubler. »Ich helf’ Ihnen gern’, es hinauf zu tragen.«
»Das geht schon«, erwiderte die dunkelhaarige Frau. »Soviel ist’s net.«
»Schön, dann zeig’ ich Ihnen jetzt das Zimmer.«
Ria ging voran, Angela Holzer folgte, eine Reisetasche in der Hand.
Die Wirtin führte ihre kleine Pension seit über dreißig Jahren und in all dieser Zeit hatte sie sich eine gewisse Menschenkenntnis angeeignet.
Was hatte sie nicht alles schon erlebt!
Die merkwürdigsten Gäste waren in ihrem Haus abgestiegen. Solche, die sich für mehr ausgaben, als sie wirklich waren, Zechpreller, die heimlich abreisten, ohne die Rechnung zu bezahlen und Menschen, deren Schicksal sie anrührte. Bei Angela Holzer war der erste Eindruck, eine sympathische junge Frau vor sich zu haben. Ria schätzte sie auf fünfundzwanzig Jahre. Allerdings gab es da einen traurigen Ausdruck in den hübschen Augen, der die Wirtin nachdenklich stimmte. Ihrer Meinung nach mußte Angela einige schwere Wochen, wenn nicht gar Monate hinter sich haben. Anders war dieser schwermütige Blick nicht zu erklären.
Ria schloß die Zimmertür auf und ließ den Gast eintreten. Die junge Frau lächelte dankend, als sie den Schlüssel entgegennahm.
»Frühstück gib’s ab sieben«, erklärte die Wirtin. »Nochmals einen angenehmen Aufenthalt.«
Damit verließ die das Zimmer.
Angela Holzer hatte die Reisetasche abgestellt und schaute aus dem Fenster. Der Blick ging hinüber zu den Bergen, die zum Greifen nah schienen. Einen Moment lang schloß sie die Augen, sah die Bilder der Vergangenheit an sich vorüberziehen und riß die Augen wieder auf.
Nein, nicht schon wieder!
Sie war gekommen, um zu vergessen. Nichts sollte sie mehr an die Zeit erinnern, die hinter ihr lag. Ein paar Wochen Ruhe und Erholung, und dann wollte sie ein neues, ein anderes Leben beginnen, und nichts aus ihrer Vergangenheit sollte darin Platz haben!
Dennoch – so ganz konnte sie diese Vergangenheit nicht abschütteln, und wie sie immer ein Teil von ihr sein würde, so würde sie auch immer wieder diese Bilder sehen. Bilder von Menschen, die ihr alles bedeuteten, und die sie doch vergessen mußte.
Angela