Butler Parker Staffel 8 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Sie bat um ein Glas Milch, das Parker ihr selbstverständlich bieten konnte. Er schätzte es, seinem jungen Herrn Milch zu servieren. In seinen Augen befand Rander sich immer noch im Stadium des Wachsens, er brauchte laut Parker die wertvollen Mineralstoffe, Spurenelemente und hochwertigen Eiweiß- und Milchfettstoffe, die Parker manchmal raffiniert mit hochprozentigen Beigaben auffrischte.
Mistreß Moberly merkte überhaupt nicht, daß ihr Milchgetränk ebenfalls etwas hochgejubelt worden war. Gierig trank sie das Glas leer, bevor sie überhaupt in der Lage war, ihre Geschichte zu erzählen.
Sie war im Grunde knapp genug.
Sie hatte im Wagen gesessen, dessen Tür plötzlich von einem jungen Mann aufgerissen worden war. Dieser junge Mann hatte kommentarlos die Wagentür geöffnet und den Aktenkoffer an sich genommen. Dann war er in Sekundenschnelle verschwunden und hatte eine völlig entnervte Frau zurückgelassen.
»Darf ich noch etwas Milch nachservieren?« erkundigte sich Parker höflich bei ihr.
»Haben Sie keine anderen Sorgen?« bellte Mister Moberly den Butler an, »rufen Sie die Polizei! Verständigen Sie einen Streifenwagen! Klarer Fall, daß das ein gezielter und geplanter Überfall gewesen ist.«
»Darin haben Sie recht«, pflichtete Rander dem Mann bei, »es ging wohl um die bewußten drei Briefe.«
»Wobei sich automatisch die Frage erhebt, Sir, woher dieser junge Mann von den drei Briefen wußte, die immerhin aus dem Sanatorium geschmuggelt wurden.« Parker hatte wieder mal den Nagel auf den Kopf getroffen.
»Haben Sie mit irgendeiner Person über die Briefe gesprochen?« erkundigte sich Rander bei Moberly.
»Nein. Das heißt – warten Sie. Ja, richtig. Mit Ihnen habe ich drüber gesprochen. Aber sonst …? Nicht, daß ich wüßte.«
»Und Sie, Mistreß Moberly?«
»Ich habe mit keinem Menschen darüber gesprochen.« Sie schüttelte langsam den Kopf und stierte wieder zu Boden. Sie befand sich hart am Rande eines Nervenzusammenbruchs, wie deutlich zu sehen war. Der Tod ihres Jungen und der Überfall, den sie gerade über sich hatte ergehen lassen, das alles war einfach zuviel für sie.«
»Wollen Sie Ihre Frau etwa mit nach Stratford nehmen?« fragte Rander leise Mister Moberly.
»Sie will mit. Um jeden Preis.«
»Versuchen Sie, es ihr auszureden, Mister Moberly.«
»Ich möchte sie bei mir haben«, sagte Moberly, »allein würde sie bestimmt durchdrehen. Wann fahren wir?«
»Wir?«
»Sie werden doch mitkommen, oder?«
»Was versprechen Sie sich davon, Mister Moberly. Die Polizei wird Ihnen besser helfen können.«
»Bitte, Sir. Bitte, kommen Sie mit! Paul, äh, mein Mann, braucht jetzt Ihre Hilfe. Wir kennen uns in Stratford nicht aus. Und dann der Umgang mit den Behörden. Sie wissen doch, daß er von Mord spricht.«
»Für wieviel Tage wünschen Sie gepackt zu sehen, Sir?« fragte Parker staubtrocken von der Tür her. »Wenn ich vorschlagen darf, so würde ich zu dem Wochen-Set raten.«
»Moment mal! Parker … Wir … Wir …« Rander war wirklich noch nicht bereit, sich in dieses neue Abenteuer zu stürzen. Gewiß, Moberly war ihm bekannt. Er hatte ihn schon verschiedentlich als Anwalt vertreten, aber er fühlte sich nicht verpflichtet, in diese privaten Dinge einzugreifen.
»Vergessen Sie mich nicht«, rief Sue Weston Parker zu, »ich nehme den kleinen Lederkoffer und die Reisetasche.«
»Sie wollen mitkommen, Sue?« Rander sah Sue Weston fast strafend an.
»Eine Sekretärin gehört in allen Lagen an die Seite ihres Chefs«, übertrieb Sue ernst, »ich werde selbstverständlich auch die Reiseschreibmaschine und das Diktiergerät mitnehmen?«
Mike Rander nickte ergeben.
Er ahnte wieder mal, was da auf ihn zukam. Erfreulich konnte es sicher nicht sein.
*
Von einem Maskenball im Sanatorium war keine Rede mehr, als Rander und Parker sich bei Dr. Waterson melden ließen. Genau das Gegenteil war der Fall. Es herrschte eine spürbar gedrückte Stimmung. Von den Patienten bekamen Rander und Parker nichts zu sehen. Man schien sie absichtlich in den Einzelhäusern und Bungalows zurückgehalten zu haben.
Waterson sah ernst, aber würdevoll aus, als er in das Besuchszimmer trat.
»Ich freue mich, daß Sie das Ehepaar Moberly begleitet haben«, sagte er, »aber bitte, nehmen Sie doch Platz. Es war schrecklich, als ich den Moberlys ihren Sohn zeigte. Mistreß Moberly erlitt einen Nervenzusammenbruch.«
»Ich weiß«, erwiderte Rander, »hat Mister Moberly mit Ihnen gesprochen!«
»Wegen dieser Briefe? Ja, wir diskutierten darüber. Ich schließe Mord selbstverständlich aus. Wer sollte Mike schon umgebracht haben?! Er war ein netter Junge, vielleicht ein wenig aufbrausend, aber sonst anpassungsfähig.«
»Mister Moberly verlangt eine Autopsie, ist Ihnen das bekannt, Doktor?«
»Auch ich bestehe darauf, um jeden Verdacht aus dem Weg zu räumen«, erklärte Waterson, »ich habe mich deswegen bereits mit dem Sheriff dieses Bezirks in Verbindung gesetzt. Und selbstverständlich kann und soll Mister Moberly noch einen Arzt oder Coroner seiner Wahl hinzuziehen.«
»Sie schließen Mord also aus?« Rander sah Dr. Waterson aufmerksam ah.
»Selbstverständlich«, erklärte der Arzt kategorisch. »Mike starb an akutem Herzversagen. Wenn Sie mich fragen, so muß der Junge es verstanden haben, sich Rauschgift zu verschaffen. Er starb mit größter Wahrscheinlichkeit an einer Überdosis.«
»Hatte er bestimmte Freunde hier im Haus?«
»Clive Muscat.«
»Was ist das für ein Patient?« wollte Rander wissen. Er hatte die Fragen übernommen, während Josuah Parker sich absichtlich zurückhielt. Er wollte den Arzt aus der Distanz studieren, wie er es immer gern tat. Es galt, die Persönlichkeit dieses Mannes auf sich wirken zu lassen.
»Clive Muscat ist Alkoholiker«, erläuterte Dr. Waterson gelassen, »ein schwieriger junge Mann, der noch unter Entziehungserscheinungen leidet.«
»Könnte man diesen Clive Muscat sprechen?«
»Natürlich, aber was versprechen Sie sich davon?«
»Vielleicht gewisse Informationen«, schaltete Josuah Parker sich jetzt höflich und gemessen ein, »grundlos dürfte Michael Moberly diese Briefe nicht geschrieben haben.«
»Wann bekomme ich diese Briefe endlich zu sehen?« fragte Waterson etwas aggressiv, »was steht in ihnen? Was hat Mike konkret behauptet?«
»Er schrieb von Mordversuchen in Ihrem Sanatorium!«
»Von