Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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»Weil Toby Birgit mit den Röteln angesteckt hatte, und weil du meiner Frau eingeflüstert hast, dass es alles nur Gerede sei, dass es dem Baby schaden könnte. Ich sehe jetzt alles klar. Mein Gott, was muss Birgit durchgemacht haben mit mir, einem Schwächling, der blind und taub war. Jetzt ist Schluss!«, brüllte er. »Jetzt glaube ich fast, dass wir wahnsinnig sind, du und ich. Aber mein Kind, Birgits Kind, bringe ich in Sicherheit, bevor noch mehr geschieht.«
»Ich sterbe, ich sterbe«, ächzte Adelheid Blohm. »Bert, ich bin deine Mutter.«
»Du wirst es überleben«, sagte Bert, »ich nicht, wenn Birgit den Tod gesucht hat. Aber unser Kind bekommst du nicht. Ich nehme Toby mit.«
Er nahm Toby mit, und er war seltsam ruhig, als er am Steuer seines Wagens saß.
»Du hast vielleicht geschimpft«, sagte Toby staunend. »Da wird sich die Großmama aber gewundert haben. Jetzt habe ich dich wieder lieb, Papi. Gell, wir suchen Mami und finden sie.«
»Ich hoffe es, Toby«, sagte Bert leise, aber es war nur das Kind, das ihn zur Vernunft brachte. Er wäre fähig gewesen, an den nächsten Baum zu fahren, wenn Toby nicht so zu ihm gesprochen hätte. Aber wenn Birgit noch lebte, irgendwo lebte, durfte er ihr das Kind nicht nehmen. Wenn sie auch ihn nicht mehr haben wollte, ihren Toby sollte sie behalten.
Er sah sie vor sich, wie sie voller Zärtlichkeit den Jungen in den Armen hielt, wie verklärt ihr Gesicht dabei war. Wie wenig er selbst Birgit bedeutet haben mochte oder bedeutet haben konnte, da er immer zwischen ihr und seiner Mutter stand, Toby war ihr Ein und Alles gewesen. Und jetzt zum ersten Mal begriff er seine Frau und ihre Gefühle, die von ihm nie ganz geweckt worden waren. Erst von dem Kind, das sie geboren hatte. Und er begriff auch, welch entsetzlicher Schmerz es für Birgit gewesen sein musste, das zweite Kind zu verlieren. Aber es war nicht ihre Schuld gewesen. Es war eine schicksalhafte Verkettung, über die er ihr hätte hinweghelfen müssen. Aber er hatte versagt. Restlos versagt hatte er. Immer war er ein Muttersöhnchen geblieben. Immer hatte zuerst gegolten, was seine Mutter sagte.
Wird sie Birgit mögen, hatte er damals gedacht, als ihm dieses Mädchen so gefiel. Er hatte Birgit geliebt, aber er hatte nicht gewagt, ihr seine Liebe zu erklären, bis seine Mutter sagte, dass sie doch die richtige Frau für ihn wäre. Da hatte er dann geglaubt, das alles in Ordnung wäre, dass seine Welt so bestehen würde, wie er sie gewohnt war, dass seine Mutter für immer bleiben würde. Aber er hatte insgeheim auch geglaubt, dass seine Mutter Birgit lieben würde wie eine Tochter. Bis heute hatte er es geglaubt. Bis er erfahren musste, dass nur finanzielle Erwägungen seine Mutter so zugänglich gemacht hatten. Dass sie hunderttausend, statt fünfzigtausend von Birgit genommen hatte, dass sie sich dafür bezahlen ließ, dass sie ihrem Sohn gestattete, eine Frau zu nehmen.
Birgit hatte für das bisschen Glück, das er ihr gab, teuer, zu teuer bezahlt, auch das war Bert bewusst geworden.
Aber plötzlich war er doch wieder hellwach. »Wann meinst du, dass Mami dagewesen ist, Toby?«, fragte er.
»Zweimal habe ich geschlafen, Papi«, erwiderte Toby prompt. »Nicht richtig geschlafen, weil ich immer an Mami denken musste und weil sie ja doch vielleicht wieder an der Tür läuten konnte.«
»Sag mir alles ganz genau, Toby. Woran kannst du dich erinnern?«
»Es hat geläutet. Dann kam Großmama und hat mich eingesperrt. Es wären Leute da, die sie nicht reinlassen will.«
»Und dann, Toby?«
»Dann habe ich gelauscht, weil ich wissen wollte, was das für Leute sind. Mami hat gesagt, dass ich nicht lügen darf, und ich lüge nicht.«
»Nein, du lügst nicht, du sagst die Wahrheit«, erwiderte Bert. »Was hat Großmama gesagt? Hast du es gehört?«
»Ja, ich habe es gehört.« Toby überlegte einen Augenblick. »›Was willst du hier?‹ hat sie gesagt. Und dann hat Mami gesagt: ›Ich komme heim!‹ Ich habe es mir ganz genau gemerkt, Papi.« Wieder dachte der Junge nach. »Mutter hat sie auch gesagt, das weiß ich. Und Großmama hat zu Mami gesagt, dass sie nicht Mutter sagen soll. Ich habe Mami gerufen, aber sie hat es wohl nicht gehört, weil Großmama so geschrien hat, dass das ihr Haus ist. Und sie hat auch gesagt, dass sie die Polizei holt. Dann hat sie noch was gesagt, das ich nicht behalten habe. Aber Mami hat gerufen: ›Wo ist Toby, wo ist Bert?‹ Ich lüge bestimmt nicht, Papi. Großmama war auch so schrecklich böse und hat gesagt, dass ich meine Eisenbahn und meine Tierchen nicht behalten darf, wenn ich noch was sage.«
Wie Toby dachte, wie er redete, nie zuvor war es Bert aufgefallen. Dass er ein besonders gescheites Kind sei, hatte seine Mutter zwar auch behauptet, aber darin geriete er ja ihm nach. War es nicht seltsam, dass ihm nun erst all diese Sticheleien bewusst wurden, die sie verteilt hatte? Das Unbehagen in ihm verstärkte sich. Was mochte seine Mutter wohl alles zu Birgit gesagt haben, wenn er nicht dabei war?
»Darf ich meine Eisenbahn und meine Tierchen behalten, Papi?«, fragte Toby. »Wenigstens die, die Mami mir geschenkt hat?«
»Du darfst alles behalten, mein Junge«, erwiderte Bert mit erstickter Stimme.
»Wohin fahren wir denn eigentlich?«, wollte der Kleine nun wissen.
Das hatte Bert sich noch gar nicht überlegt. Aber jetzt kam ihm blitzartig ein Gedanken. Vielleicht wusste Birgits Anwalt, Dr. Biel, etwas. Der Chefarzt des Sanatoriums hatte doch gesagt, dass sie ihn eingeschaltet hätte.
Es war nun gewiss nicht von Vorteil, dass er Toby bei sich hatte, aber er hatte Angst, den Jungen allein im Wagen zu lassen. Toby trottete neben ihm her, geduldig, widerspruchslos, während Bert schon überlegte, wo sie die Nacht verbringen könnten, denn mit seiner Mutter wollte und konnte er heute nicht mehr zusammentreffen. Es hätte eine noch schlimmere Auseinandersetzung gegeben.
Aber er hatte nichts für den Jungen mitgenommen, auch für sich selbst, nichts. Und morgen musste er an seinen Arbeitsplatz zurück.
Ob er ein paar Tage Urlaub nehmen konnte? Einverstanden damit würde der Chef wohl nicht sein, da ja gerade jetzt große Umstellungen im Gange waren. Und wohin sollte er mit Toby? Ein ganzer Packen von Problemen kam auf ihn zu.
Von Dr. Biel wurde Bert mit so eisiger Zurückhaltung empfangen, dass ihm das Herz noch tiefer sank. Toby hatte sich brav ins Wartezimmer gesetzt und schaute sich Illustrierte an.
Es dauerte einige Zeit, bis Bert den Anwalt einigermaßen überzeugt hatte, dass er auf Birgits Seite stand und nicht etwa eine Scheidung beabsichtigte, aber sagen konnte ihm Dr. Biel auch nicht, wo Birgit sich jetzt aufhielt. Er war entsetzt, als Bert ihm sagte, dass sie heimlich das Sanatorium verlassen hatte.
»Da bin ich auch vom Chefarzt falsch informiert worden«, sagte er. »Aber überlegen wir mal …« Er schlug sich an die Stirn. »Man muss in allen Krankenhäusern nachfragen«, sagte er dann hastig. »Ich will nicht sagen, dass sie sich etwas angetan hat, dazu ist sie nicht der Mensch. Sie ist sehr gläubig, allein das half ihr, den Tod ihrer Eltern zu überwinden. Sie sind sich anscheinend bisher gar nicht bewusst gewesen, welch ein wertvoller Mensch Ihre Frau ist, Herr Blohm.«
»Ich liebe meine Frau«, sagte Bert leise. »Ich gebe zu, dass ich nicht allzu viel über sie nachgedacht habe, solange sie bei mir war. Sie war einfach da, verstehen Sie, und ich liebte sie, wie sie war. Ich wusste auch nicht, wie sehr ich sie liebe.«
»Sie wissen auch nicht, wie sehr sie unter