Es war ganz anders. Georg Markus
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Und ihrem Sohn Maximilian berichtet Sophie wenige Tage danach: »Von hier kann ich Dir nicht viel Interessantes melden, außer dass Sisi glücklich am Montag Abend aus Baiern zurückgekehrt, wo sie es nicht über 9 Tage aushielt, fern von ihrer Kleinen, und so weit entfernt vom Kaiser.«
In einem Brief Sophies an ihre Schwester Ludovika ist keine Rede davon
Angeblich hat die Erzherzogin ihre Schwiegertochter Elisabeth für den Tod ihrer zweijährigen Tochter Sophie am 29. Mai 1857 während einer Ungarn-Reise des Kaiserpaares verantwortlich gemacht. »Das Verhältnis zur Schwiegermutter, deren Liebling die kleine Sophie war«, schreibt Brigitte Hamann**, »wurde eisig. Denn schließlich war es die junge Kaiserin, die die Kinder gegen den ausdrücklichen Willen, ja gegen den Widerstand der Erzherzogin mit nach Ungarn genommen hatte.«
Doch in einem Brief, den Sophie in diesen dramatischen Tagen an ihre Schwester Ludovika schreibt, ist keine Rede davon: »Unsere arme Sisi vergießt sich buchstäblich in Thränenströmen, sie und mein armer Franzi sind tief gebeugt, aber höchst rührend in ihrem Schmerz, fromm und ergeben.« Und ein weiteres Schreiben Sophies, diesmal wieder an Carl Ludwig gerichtet, wenige Tage nach dem Tod der Enkelin: »Sisi hat das Bedürfnis von ihrem geliebten Kinde zu sprechen, sich mit allem, was sie an dasselbe erinnert, zu umgeben, so kann ich ihr gottlob Trost bringen, auf ihren Schmerz eingehen, den ja wenige verstehen können wie ich.«*
In Wahrheit ist Elisabeth eine liebevolle Mutter
Gabriele Praschl-Bichler folgert aus der nun vorliegenden Korrespondenz, dass Franz Joseph und Elisabeth »ihren Kindern außerordentlich liebevolle Eltern waren. Bislang wusste man zwar, dass der Kaiser ein leidenschaftlicher Vater war, man nahm aber an, dass die Kaiserin zu ihren ersten drei Kindern kaum Kontakt hatte. In Wahrheit war auch Elisabeth eine liebevolle Mutter« – wenn auch mit der Einschränkung, dass sie das nur dann sein konnte, wenn sie bei ihnen war, was aufgrund ihrer ausgedehnten Reisetätigkeit nicht allzu oft der Fall gewesen ist.
Von Kaiserin Elisabeth selbst gibt es relativ wenige Briefdokumente, da sie eher schreibfaul war und selbst ihrem Mann von Reisen oft nur durch ihre Hofdamen Nachrichten zukommen ließ. Und doch bestätigen Sophies Briefe, dass ihre Zuneigung nicht einseitig gewesen sein kann: »Sisi’s warme Herzlichkeit u. Freude, als sie mich wieder sah u. über mein baldiges Nachkommen nach Ischl, rührte u. erquickte mich. In ihrem oft leidenden Zustande** wird ihr die Alpenluft, nach welcher sie sich schon sehr sehnte, recht wohl tun.« (Sophie am 8. August 1854) Offensichtlich suchte die Kaiserin in schweren Stunden sogar die Nähe ihrer Schwiegermutter: »Sisi fand ich bei meiner Wohnung mit rasendem Zahnweh, das arme Kind, doch ist es nun vorüber«, schreibt Sophie am 30. November 1857 an ihren Sohn Maximilian.
Kaum zu glauben, wie vehement sich die Kaiserin einsetzt
In die rund zwei Jahrzehnte andauernde Korrespondenz der Erzherzogin Sophie im Zusammenhang mit ihrer Nichte und Schwiegertochter Elisabeth fallen nebst privaten Freuden und Sorgen auch historische Ereignisse wie die Geburten der Thronfolger Rudolf und Franz Ferdinand, die Katastrophen von Solferino und Königgrätz, die tiefe Trauer nach der Hinrichtung ihres Zweitältesten Sohnes, Kaiser Maximilian von Mexiko, und der auf Elisabeths Initiative zustande gekommene Ausgleich mit Ungarn. In einem ihrer eher raren handgeschriebenen Briefe bittet die Kaiserin den ungarischen Hofkanzler Georg Graf Mailáth geradezu flehentlich: »Vor allem eine Bitte, seien Sie mein Stellvertreter beim Kaiser, übernehmen Sie mein Amt, dem Kaiser die Augen zu öffnen über die Gefahr, in die er sich unwiederbringlich stürzt, wenn er noch immer keine Konzessionen an Ungarn machen will. Seien Sie unser Retter, darum beschwöre ich Sie jetzt im Namen unseres armen Vaterlandes und meines Sohnes und zähle dabei auch auf die Freundschaft, die Sie, wie ich mir vielleicht einbilde, doch ein wenig für mich fühlen.«
Kaum zu glauben, wie vehement sich die Kaiserin für die einzige politische Mission ihres Lebens einsetzt, da sie sich in dem Brief praktisch gegen ihren Mann auf die Seite Ungarns stellt. Nicht auszudenken, wäre dieses Schreiben in die Hände Franz Josephs gelangt. »Das Zugeständnis«, schreibt Elisabeth weiter, »zu dem ich den Kaiser zu bewegen trachtete, das er mir aber leider noch nicht machte, ist, die jetzigen Regierungsmänner zu entfernen und als Minister des Äußeren Gyula Andrássy* zu ernennen. Dies wäre eine Konzession an Ungarn, ohne sich durch Nachgeben jetzt zu kompromittieren. Seine Popularität im Lande würde vertrauenserweckend wirken und das Königreich ruhig halten, bis endlich die Verhältnisse erlauben, dass die inneren Zustände geregelt werden.«
Der Brief zeigt den Tagesablauf des Kaisers
Ein knappes Jahr nach der Krönung des Kaiserpaares zu Königen von Ungarn bringt Elisabeth am 22. April 1868 in Budapest ihr letztes Kind Marie Valerie zur Welt, dem sie ganz offensichtlich mehr Liebe schenkt als Gisela und Rudolf. Ihre Zuneigung zu Ungarn ist ein Grund mehr, sich dem Kaiser zu entziehen, Elisabeth lebt vorwiegend in Budapest, was Erzherzogin Sophie veranlasst, ihren Sohn zu bedauern. Gleichzeitig zeigt ihr Brief vom 7. Oktober 1869 an dessen jüngeren Bruder Carl Ludwig den Tagesablauf des Kaisers auf: »Er (Franz Joseph) lebt ganz einsam in seinem lieben Laxenburg, steht um halb 5 Uhr auf, bringt später den Morgen in der Stadt zu, schwimmt um 3 Uhr in Laxenburg, speist ganz allein um 4 Uhr, geht von 5 bis 7 Uhr spazieren, dann arbeitet er noch bis halb 9 Uhr, wo er sich in’s Bett legt.«
Obwohl Elisabeth ihrem Mann das Leben vor allem durch ihre fast permanente Abwesenheit alles andere als leicht gemacht hat, verwendet dessen Mutter in der Korrespondenz mit den so zahlreichen Mitgliedern ihrer Familie bis zu ihrem Tod im Alter von 67 Jahren kein einziges böses Wort über sie, ganz im Gegenteil, sie bedauert immer wieder ihren labilen Gesundheitszustand, befürwortet ihre Erziehungsmethoden und bewundert ihre Schönheit. Es mag schon sein, dass es zwischen Sophie und Elisabeth die eine oder andere Meinungsverschiedenheit – wie wohl in jeder familiären Beziehung – gegeben hat, aber sicher nicht in der geradezu gehässigen Art und Weise, wie es in Sisi-Biografien dargestellt wird.
Sophie nimmt in bewegten Worten Abschied von ihrer Familie
Elisabeth war auch an der Seite ihrer Schwiegermutter, als deren letzte Stunde schlug. »Die kaiserliche Familie wird am 22. Mai 1872 an das Krankenbett gerufen«, schreibt Egon Caesar Conte Corti, »und dort nimmt Sophie von allen in wenigen bewegten Worten Abschied. Zwei Tage darauf tritt Apathie und tiefe Schwäche ein, bis die Erzherzogin in volle Bewusstlosigkeit verfällt. Der Todeskampf dauert dreizehn Stunden. Am 28. drei Uhr früh haucht sie nach Empfang der letzten Ölung in Anwesenheit beider Majestäten (Franz Joseph und Elisabeth) und der Enkel Rudolf und Gisela ihre Seele aus.«
Sophie mag eine strenge und in ihren Ansichten sehr konservative Frau gewesen sein. Doch eine widerliche Person – als die sie in Biografien und in den Sissi-Filmen, sehr einprägsam dargestellt von Vilma Degischer – beschrieben wird, war sie wohl nicht.
*Gabriele Praschl-Bichler, »Unsere liebe Sisi, Die Wahrheit über Erzherzogin Sophie und Kaiserin Elisabeth. Aus bislang unveröffentlichten Briefen«, 2008.