Es war ganz anders. Georg Markus
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Ein geheimnisvoller Besuch John F. Kennedy am Wörthersee
Als die Bänder auftauchen, ist klar, dass sie eine Sensation enthalten
Die beiden Reden, die John F. Kennedy bei seiner Ankunft und seinem Abflug im Juni 1961 am Flughafen Wien-Schwechat hielt, waren längst in Vergessenheit geraten. Sie enthielten ja auch nur ein paar Höflichkeitsfloskeln, mit denen er sich für die Einladung der Republik Österreich zum Gipfeltreffen mit Kremlchef Nikita Chruschtschow bedankte. Doch als die Bänder mit diesen Reden ein halbes Jahrhundert später auftauchten, war klar, dass sie eine kleine Sensation enthielten. Denn Kennedy erwähnte darin, dass er Österreich schon einmal besucht hatte. Und das war bis dahin vollkommen unbekannt. In der Akustischen Chronik der Mediathek des Technischen Museums in Wien sind historische Reden abrufbar, darunter auch jene beiden, die der US-Präsident am Flughafen Schwechat hielt. John F. Kennedy, so hatte die Welt gedacht, war einmal in Österreich. Doch es war wieder einmal ganz anders. Insgesamt ist er vier Mal hier gewesen!
Bei seiner Ankunft am Morgen des 3. Juni 1961 sagte er in einem Nebensatz: »Ich war vor 20 (Kennedy korrigiert sich) vor 21 Jahren fast einen Monat in Klagenfurt am Wörthersee in Ihrem wunderschönen Land, und ich freue mich über die Gelegenheit, nun wieder hier sein zu können.«
Als Kennedy zwei Tage später von Wien-Schwechat seine Rückreise antrat, richtete er wieder ein paar Dankesworte an seinen Gastgeber, Österreichs Bundespräsident Adolf Schärf. Und er ging noch einmal auf seinen einstigen Aufenthalt ein: »21 Jahre liegen zwischen meinen beiden Besuchen in dieser Stadt, und ich hoffe, dass bis zu meiner nächsten Ankunft nicht wieder so viel Zeit vergehen wird.«
In diesen Worten liegt die ganze Tragödie seines Lebens: John F. Kennedy konnte nicht noch einmal kommen, er wurde zweieinhalb Jahre nach seinem Wien-Besuch, am 22. November 1963, in Dallas/Texas ermordet.
Es besteht kein Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen
Niemandem sind die beiden Nebensätze in Kennedys Reden in Wien-Schwechat aufgefallen – zu groß war die politische Bedeutung des Treffens der beiden mächtigsten Männer der Welt auf österreichischem Boden. Bis der ORF-Redakteur und Zeit im Bild-Moderator Eugen Freund bei Recherchen im Herbst 2010 durch Zufall auf die Bänder stieß. Da es unter den erstaunten Experten der Mediathek »keinen Zweifel an der Echtheit der Aufnahmen« gab, stellte sich die Frage: Warum war Kennedy – damals Student der Elite-Universität Harvard – in Österreich? Noch dazu, seinen eigenen Angaben zufolge, im Kriegsjahr 1940?
Kollege Eugen Freund erzählte mir von seiner Entdeckung, und ich schickte die Bänder zunächst an die John F. Kennedy Presidential Library in Boston/USA, in der Kennedys Leben minuziös, praktisch Tag für Tag, dokumentiert ist. JFK-Archivar Stephen Plotkin zeigte sich ebenfalls überaus erstaunt und antwortete mir: »Die Bänder beweisen tatsächlich einen früheren Österreich-Besuch Kennedys, der uns bisher unbekannt war. Allerdings muss er sich im Jahr irren, es kann nicht 1940 gewesen sein, sondern 1939, als er eine Europa-Reise unternahm.«
Auf der Suche nach näheren Informationen stieß ich auf das Tagebuch seiner Mutter: Rose Kennedy zitiert am 12. August 1939 einen Freund ihres Sohnes, der mit »Jack« durch Europa gereist war: »Wir flogen nach Wien, wo wir uns trennten. Ich fuhr nach Budapest, Jack in die Tschechoslowakei und nach Deutschland.« Zweifellos meinte Torbert Macdonald – das ist der Name des Freundes – nicht »Deutschland«, sondern Österreich, das seit dem »Anschluss« im März 1938 Teil des »Deutschen Reichs« war.
Nun stand also fest, dass sich Kennedy im Sommer 1939 in Österreich aufhielt, genauer: in Kärnten, wie er selbst es gesagt hat. Was aber machte der damals 22-jährige Student der Politikwissenschaften in Klagenfurt?
In Kärnten geht es eher ums Vergnügen als um die Pflicht
Sein Vater Joseph Kennedy war zu dieser Zeit Botschafter der Vereinigten Staaten in London und hielt enge Kontakte zu einer ganzen Reihe von Nazi-Größen. Tatsächlich reiste sein Sohn im Rahmen einer »Erkundungsfahrt« im Auftrag von Kennedy sen. durch Europa. Doch in Kärnten herrschte eher das Vergnügen als die Pflicht vor: »Jack« zeigte in jenen Tagen schon großes Interesse an jungen Frauen.
Für mich stellte sich die Frage, wie das Rätsel um JFKs geheimnisvollen Klagenfurt-Aufenthalt zu lösen ist. Und so bat ich im Dezember 2010 die Leser meiner Kurier-Kolumne um Hinweise, die uns nach Kärnten im Jahr 1939 führten.
Wenige Tage später war das Rätsel gelöst. Die Recherchen hatten mich vom Wörthersee bis zur John F. Kennedy Presidential Library in Boston geführt – aber die alles entscheidende Information bekam ich ein paar Meter von meinem Schreibtisch in der Redaktion entfernt. Durch meinen Freund und Kollegen Karl Hohenlohe, dessen Hinweis mich zum Ziel bringen sollte: »Ich kann dir sagen, wo Kennedy damals gewohnt hat«, erklärte Karl. »Bei meinem Onkel Maximilian Windisch-Graetz in Sekirn am Wörthersee.«
Was führte den jungen John F. Kennedy – hier auf seiner Europareise im Jahre 1939 – nach Kärnten?
Tatsächlich wusste Karl seit seiner Jugend davon. »Meine Tante Elisabeth Hohenlohe erzählte mir, dass Kennedy als junger Mann zu Gast bei der mit uns verwandten Familie Windisch-Graetz war. Meine Mutter hat mir das bestätigt, auch sie wusste von seinem Aufenthalt in Kärnten.«
Maximilian Windisch-Graetz* war ein eleganter Lebemann, der mit seiner Frau Maria Luisa in Rom residierte, die Sommersaison jedoch in seinem prachtvollen, wenige Kilometer von Klagenfurt entfernten Anwesen am Südufer des Wörthersees verbrachte. Das im Jahre 1900 auf einem 32000 m2 großen Grundstück errichtete Schloss – allein der Strand war einen Kilometer lang – wurde in den 1930er-Jahren zum Treffpunkt der High-Society, zu der Künstler, Politiker und Aristokraten wie der Herzog von Windsor mit Ehefrau Wallis Simpson und der König von Siam zählten.
Karl Hohenlohe, der in seiner Jugend selbst mehrere Urlaube auf dem Anwesen verbracht hat, beschreibt in seiner satirischen Kolumne Ges.m.b.H. die Oberen Zehntausend auf unvergleichliche Weise, doch diesmal meinte er es ernst. Kaum mit seinen Informationen versorgt, strengte ich weitere Recherchen an. Sie führten mich nach Reifnitz in Kärnten, wo das Ehepaar Gerlinde und Willibald Safran lebt. Herr Safran war in den Jahren 1963 bis 1973 Hausmeister und seine Frau Köchin der Familie Windisch-Graetz.
Kennedys Unterschrift im Gästebuch der Familie Windisch-Graetz
Und Herr Safran bestätigte: »Ja, wir wissen, dass John F. Kennedy hier gewohnt hat. Ich selbst habe das alte Gästebuch der Familie Windisch-Graetz noch gesehen und erinnere mich an Kennedys Signatur.« Auch Safrans Tochter Linda Brieger hat »das Gästebuch mit der gut lesbaren Unterschrift John F. Kennedys deutlich in Erinnerung«.
Der Harvard-Student und spätere US-Präsident logierte in einem Nebengebäude des Schlosses, der »Karinderhütte«, einem luxuriös ausgestatteten Gästehaus, das die Familie Windisch-Graetz später selbst bewohnen sollte. Wie Karl Hohenlohe