Reise Know-How Praxis: Sicherheit in Bärengebieten: Mit vielen praxisnahen Tipps und Informationen. Rainer Höh
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Reise Know-How Praxis: Sicherheit in Bärengebieten: Mit vielen praxisnahen Tipps und Informationen - Rainer Höh страница 2
Die Braunbären in Lappland und anderen Regionen Europas sind nach meinen Informationen und Erfahrungen so scheu, dass man sie nur höchst selten zu Gesicht bekommt. Ich habe dort bei all meinen Wanderungen nie einen Bären auch nur aus der Ferne gesehen. Durch lange, intensive Bejagung haben sie gelernt, den Menschen als Bedrohung zu betrachten und ihm sehr weiträumig auszuweichen. Allerdings sind alle Bären sehr aufmerksame Tiere, die rasch lernen. So haben sie zum Beispiel in den Nationalparks der USA weit schneller als irgendeine andere Tierart viel von ihrer Scheu verloren und sogar gelernt, wo die Grenzen des schützenden Parks verlaufen. Entsprechend kann sich das Verhalten der Bären auch in europäischen Schutzgebieten innerhalb weniger Jahre verändern. Auf meinen Lappland-Wanderungen (die allerdings 20 Jahre zurückliegen) habe ich zwar viele Vorsichtsmaßnahmen nicht beachtet, die in Nordamerika ein Muss wären, doch vorsichtshalber sollte man auch den Braunbären Lapplands, der Abruzzen oder der Pyrenäen mit dem gleichen Respekt begegnen wie einem alaskanischen Grizzly. Und in jedem Fall ist es ratsam, sich vor einer Wanderung durch ein europäisches Bärengebiet bei der Parkverwaltung oder einer entsprechenden Stelle über die Bären dieser Region und das richtige Verhalten zu informieren.
Osteuropäische Braunbären
Nicht alle europäischen Bären sind über einen Kamm zu scheren: Während mir aus Nord- und Mitteleuropa keine Unfälle mit Bären bekannt sind, kommen in Osteuropa (z. B. in Rumänien) gelegentlich ganz ähnliche Unfälle vor wie mit den Grizzlys Nordamerikas!
Parkbären und Wildnisbären
Zu einer ernsten Bedrohung (verursacht durch menschliches Fehlverhalten!) wurden die Bären eine Zeit lang in einigen Nationalparks Amerikas, wie z. B. im Yellowstone, Yosemite und Glacier Nationalpark. Dort hatten sie durch häufigen Kontakt mit dem Menschen ihre natürliche Scheu verloren und waren jahrelang sogar regelrecht gefüttert worden. Also haben die gelehrigen Tiere dort den Menschen nicht mehr als Bedrohung erlebt, sondern als Futterquelle. Und sie entwickelten in kurzer Zeit ein geradezu unglaubliches Genie, wenn es darum ging, an Abfälle oder an den Proviant der Camper heranzukommen – ob er nun einfach vor dem Zelt lag, im Kofferraum eingeschlossen war oder gar vorschriftsmäßig in den Bäumen hing. Da half alles nichts. Mit Bärenkräften knackten sie Autos und Wohnmobile und als begabte Kletterer ertüftelten sie Möglichkeiten, den Proviant selbst dann aus luftiger Höhe zu angeln, wenn er zwischen zwei Bäumen aufgehängt war! Wenn sie bei ihrer Futtersuche gestört wurden und lärmende Zweibeiner ihnen „ihre“ Beute streitig machen wollten, dann konnten (und können!) diese Camp-Räuber höchst ungemütlich werden – ganz besonders die Braunbären.
Informieren Sie sich bei Touren in Amerika, ob in der jeweiligen Region nur Schwarz- oder Schwarz- und Braunbären vorkommen. In ersterem Fall haben Sie bei einer Begegnung den Vorteil, nicht lange rätseln zu müssen, um welche der beiden Spezies es sich handelt.
Inzwischen sind die Zeiten, in denen Bären in den Nationalparks offiziell gefüttert wurden, längst vorbei, Mülldeponien wurden geschlossen, Abfallbehälter bärensicher gemacht und die Parkverwaltungen bemühen sich, durch intensive Aufklärung zu erreichen, dass die Bären keine Gelegenheit bekommen, sich an Proviant oder Abfälle zu gewöhnen. Trotzdem gibt es auch heute hin und wieder „verdorbene“ Bären, die sich an menschliche Nahrung gewöhnt haben. Warum? Weil Camper trotz aller Mahnungen ihre Lebensmittel unachtsam herumliegen ließen oder weil sie leichtfertig organische Abfälle zurückgelassen haben! (Warum menschliche Nahrung und Abfälle für Bären so extrem interessant sind, wird auf S. 35, „Futter = Erfolg“ erklärt.) Zudem sind Bären von Natur aus sehr neugierig und lernen sehr schnell, wo sie Futter finden und wie sie an menschliche Nahrung herankommen. Sehr wenige positive Erfahrungen genügen, damit sie denselben Ort immer wieder aufsuchen und in ihren Methoden immer dreister werden. Solche Bären sind potentiell stets gefährlich – ganz besonders jedoch, wenn es sich dabei um Braunbären handelt (s. u. „Bären und Proviant“).
Bären in entlegenen Wildnisgebieten hingegen werden dem Menschen in den allermeisten Fällen aus dem Weg gehen (wenngleich sie nicht unbedingt Hals über Kopf davonrennen), sofern man ihnen einen Ausweg dazu lässt. Sehr oft werden sie schon verschwinden, ehe man sie überhaupt zu Gesicht bekommt. Aber manchmal lassen sie sich auch herzlich wenig durch einen Zweibeiner beeindrucken. So habe ich mich zum Beispiel (mit dem Kanu in tiefem Wasser!) einem amerikanischen Braunbären, der am Ufer Beeren fraß, schon auf etwa 15–20 m genähert, ohne dass er groß Notiz von mir genommen hätte. Er warf mir nur einen kurzen Blick zu und widmete sich dann wieder mit Hingabe seinen Beeren.
Meldepflicht!
Falls je ein Braunbär unterwegs Ihren Proviant oder Abfall erbeuten sollte (sei es in entlegener Wildnis oder in einem Park, sei es durch Ihre Nachlässigkeit oder weil der Bär bereits einschlägige Erfahrung hat), dann sollten Sie dies unbedingt so rasch als möglich den zuständigen Behörden melden. Für Sie selbst mag das keinen Unterschied machen – aber Ihren ahnungslosen Nachfolgern können Sie dadurch das Leben retten!
Auch was das Proviant räubern angeht, sind die „Wildnisbären“ in der Regel ein ganzes Stück naiver als ihre Artgenossen vom Campground. Aber alle Bären lernen sehr schnell! Schon wenige leichtsinnige Kanuten können auch einen Wildnisbären rasch verderben – und damit zu einem Risiko für ihre Nachfolger machen!
Schwarzbär oder Grizzly?
Sehr wichtig (vielleicht lebenswichtig) kann es sein, rechtzeitig zu wissen, was für eine Spezies von Bär man vor sich hat. Zwar haben akribische Zoologen allein die Braunbären Nordamerikas in mehrere Dutzend verschiedener Unterarten gegliedert, aber ihre Unterscheidungen erwiesen sich als rein akademisch und nicht haltbar als es sich zeigte, dass eine einzige Bärenfamilie (Muttertier und zwei Junge) gleich drei verschiedene Subspezies umfassen konnte – oder dass ein Bär urplötzlich seine Art änderte, wenn er einen Bergpass überschritt!
Solange man nicht sicher ist, ob man einen Schwarz- oder einen deutlich gefährlicheren Braunbären vor sich hat, sollte man sich stets so verhalten als wäre es ein Braunbär!
Für den Wanderer genügt es, wenn er weiß, ob er einen Schwarzbären (Baribal) oder einen Braunbären (Grizzly o. Kodiakbären bzw. Alaska-Braunbären) vor sich hat. Beide Arten haben zwar vieles gemeinsam, zeigen aber zugleich auch einige sehr unterschiedliche, fast gegensätzliche Verhaltensweisen, die entsprechend unterschiedliche Maßnahmen und Reaktionen verlangen.
Sprachregelung: Braunbär, Kodiak-, Grizzly-, Alaska-Braunbär
Braunbären sind eine Tierart, die sich auf der nördlichen Halbkugel rings um den gesamten Globus und nach Süden bis in subtropische Regionen (z. B. Syrien, Mexiko) verbreitet hat und dabei dank ihrer Anpassungsfähigkeit bei gleichem Genotyp äußerlich sehr unterschiedliche Phänotypen entwickelte. Die verschiedenen „Unterarten“ gehören also genetisch zur selben Spezies, auch wenn sie sich durch die Anpassung an verschiedene Biotope, Klimaverhältnisse und Nahrungsangebote äußerlich stark unterscheiden mögen – z. B. hinsichtlich Größe, Körpergewicht, Statur und Fellfarbe. Wenn in diesem Buch von Braunbären die Rede ist, so ist grundsätzlich die Tierart (Genotyp) gemeint; d. h. neben europäischen und asiatischen Braunbären (Kamtschatka-Bär) auch die amerikanischen Kodiak- und Grizzlybären. Mit Grizzly werden hier generell alle amerikanischen Braunbären bezeichnet – also auch Kodiakbären oder Alaska-Braunbären.
Schwarz-