Verborgener Ruhm. Dietmar Grieser

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Verborgener Ruhm - Dietmar Grieser страница 4

Автор:
Серия:
Издательство:
Verborgener Ruhm - Dietmar Grieser

Скачать книгу

style="font-size:15px;">      Auch in der Schlußformel des Briefes klingen Zweifel an, wenn nicht gar ein Anflug von Resignation:

      »Leben Sie nun wohl, verehrte Therese. Ich wünsche Ihnen alles, was im Leben gut und schön ist. Erinnern Sie sich meiner und gern. Seien Sie überzeugt, niemand kann Ihr Leben froher, glücklicher wissen wollen als ich – und selbst dann, wenn Sie gar keinen Anteil nehmen an Ihrem ergebensten Diener und Freunde …«

      Gleichzeitig schaltet er ein weiteres Mal Freund Gleichenstein ein; ihm schreibt er:

      »Hier die Sonate, die ich der Therese versprochen. Da ich sie heute nicht sehen kann, so übergib sie ihr. Empfehl mich ihnen allen. Mir ist so wohl bei ihnen allen; es ist, als könnten die Wunden, wodurch mir böse Menschen die Seele zerrissen haben, durch sie geheilt werden. Ich danke Dir, guter Gleichenstein, daß Du mich dorthin gebracht hast.«

      Doch der »gute Gleichenstein« scheint mit seiner Mission, in Beethovens Namen bei den Malfattis um die Hand ihrer Tochter Therese anzuhalten, zu scheitern. Beethovens nächster Brief an ihn drückt die ganze Verzweiflung aus, die die offensichtlich barsche Zurückweisung des Brautwerbers bei ihm ausgelöst hat:

      »Deine Nachricht stürzte mich aus den Regionen des Glücks wieder tief herab. Ich kann also nur wieder in meinem eigenen Busen einen Anlehnungspunkt suchen. Nein, nichts als Wunden hat die Freundschaft und ihr ähnliche Gefühle für mich. So sei es denn! Für Dich, armer Beethoven, gibt es kein Glück von außen. Du mußt Dir alles in Dir selbst erschaffen, nur in der idealen Welt findest Du Freunde.«

      Die Enttäuschung geht so tief, daß sie sogar Beethovens Beziehung zu Gleichenstein vorübergehend belastet. Und muß es ihn nicht tatsächlich doppelt schmerzen, daß das Glück, das ihm selber versagt bleibt, umso ungetrübter dem Freund zuteil wird? Zwar zieht sich auch dessen Verlobungszeit länger hin als gewünscht, aber im Jahr darauf ist es dann doch so weit, daß Baron Ignaz von Gleichenstein endlich mit Thereses Schwester Nanette vor den Traualtar treten kann. Therese selber muß noch fünf Jahre warten, bis die Eltern in eine Eheschließung ihrer Erstgeborenen einwilligen: Sie heiratet 1816 den Hofrat Baron Johann Wilhelm von Drosdick. Ihren abgewiesenen Brautwerber Beethoven überlebt sie um 24 Jahre; am 27. April 1851 stirbt sie sechzigjährig in Wien.

      Geierwally wider Willen

       Die Malerin Anna Stainer-Knittel

      Am 22. Juni 1863 erscheint in der »Tiroler Volks- und Schützenzeitung« ein Bericht »aus dem Lechthale«; sein Wortlaut:

      »Die vaterländische Künstlerin Anna Knittel von Untergiblen, deren Leistungen als Malerin bereits rühmend erwähnt worden sind, hat jüngst ein gefährliches Jagdabenteuer bestanden, ein Abenteuer, in welches sonst nur kühne Jäger sich einzulassen gewohnt sind. Am 11. Juni morgens holte nämlich dieselbe einen jungen Steinadler aus dem Horste einer wohl 90 Klafter hohen überragenden Felswand auf der Alpe Sax. Glücklich hatte sie des Adlers Nest erreicht und war schon mehrere Klafter an dem Seile, an welchem sie über die Felswand hinabgelassen worden war, in die Höhe gezogen, als sich ein ungeheures Felsstück, an das sie mit dem Fuße stieß, plötzlich ablöste und mit furchtbarem Getöse in den Abgrund stürzte. Glücklicherweise wurde die kühn in der Luft schwebende Adlerjägerin vom abgelösten Gestein nur am rechten Arme leicht verletzt und erreichte sonst wohlbehalten mit ihrer Beute den festen Boden. Jetzt ist sie wieder vollkommen hergestellt und lebt in künstlerischer Thätigkeit, von welcher wir demnächst die Vollendung eines trefflichen Stückes erwarten können.«

      Das »treffliche Stück«, das die dreiundzwanzigjährige Volksmalerin aus dem Tiroler Oberland in Arbeit hat, kann ebensogut eine ländliche Szene wie ein Familienporträt oder eine jener Berglandschaften sein, für die sie seit einiger Zeit in ihrem Heimatort Elbigenalp bekannt ist. Auch im Jahr darauf verbringt Anna Knittel so manchen Tag vor ihrer Staffelei, und diesmal ist es sie selbst, die sie mit Pinsel und Palette in einem 174 mal 123 Zentimeter großen Ölbild festhält: In Erinnerung an ihr Bravourstück vom vergangenen Sommer zaubert Nanno, wie sie von ihrer Familie gerufen wird, ihr waghalsiges Abenteuer mit dem aus seinem Nest »entführten« Adlerjungen auf die Leinwand.

      Unsere Künstlerin ist selig vor Glück, wenn sich für ihre Werke Käufer finden. Noch mehr als der Erlös freut sie nämlich die Anerkennung, die sich darin ausdrückt: Professionelles Malen ist zu dieser Zeit eine Domäne der Männer, die Frau hat ihren Platz am Küchenherd und im Kindbett. Daß Anna Knittel mit ihrer Kunst Anklang findet, ja sogar gute Geschäfte macht, erfüllt sie also mit Stolz. Dieses ihrer Ölgemälde, im Sommer 1864 entstanden, gibt sie allerdings nicht aus der Hand: Es bleibt ihr persönlichstes Eigentum. Und auch, als sie einige Jahre später, als jungverheiratete Frau nunmehr in Innsbruck ansässig, das »Adlerbild« im Schaufenster ihres Mannes, des Gipsfigurenformers und Andenkenhändlers Engelbert Stainer, ausstellt, denkt sie keinen Augenblick an Verkauf: Es soll nur als Blickfang dienen, soll Laufkunden in den Laden locken.

      Eine, die solcherart auf die Kunst der nunmehrigen Anna Stainer-Knittel aufmerksam, ja vom Anblick der dramatischen Szene des von Frauenhand aus dem Felsnest geholten Jungadlers zutiefst aufgewühlt wird, daraufhin Erkundigungen nach dem realen Hintergrund des Motivs anstellt und schließlich aus dem Munde der Heldin selber von deren lebensgefährlicher Aktion erfährt, ist die Münchner Romanautorin Wilhelmine von Hillern. Die vier Jahre Ältere, die es als Touristin häufig nach Tirol zieht, weilt wieder einmal für ein paar Tage in Innsbruck; blitzschnell erkennt sie, daß in der Geschichte der Adlerjägerin Anna Stainer-Knittel ein Romanstoff von enormer Brisanz schlummert. Schon ihre Bücher »Doppelleben«, »Ein Arzt der Seele« und »Aus eigener Kraft« haben mehrere Auflagen erlebt; um wieviel mehr noch müßte da das schaurig-schöne Drama von der Bergmaid, die mit ihrem Mut selbst die kühnsten Mannskerle aussticht, bei ihren Leserinnen einschlagen!

      Wilhelmine von Hillern, als Schriftstellerin an der Seite eines badischen Gerichtspräsidenten und Kammerherrn selber ein frühes Beispiel geglückter weiblicher Emanzipation, versteht sich auf ihr Metier: In dichterischer Freiheit macht sie aus dem Adler einen Geier und aus der Anna eine Wally, auch die näheren Lebensumstände des Prototyps verändert sie nach ihren Vorstellungen, und aus dem zu dieser Zeit noch touristisch unentdeckten Lechtal verlegt sie den Ort der Handlung ins bekanntere Ötztal. 1875 erscheint »Die Geier-Wally« erstmals als Fortsetzungsroman in der »Deutschen Rundschau«, die auch Größen wie Theodor Storm, Theodor Fontane und Gottfried Keller zu ihren Mitarbeitern zählt. Damit wird zugleich der Weg frei für die Buchfassung: Wilhelmine von Hillerns Heimatroman aus den österreichischen Bergen wird ein Langzeiterfolg, dem Übersetzungen in mehrere Fremdsprachen sowie eine von der Autorin selbst angefertigte Bühnenversion folgen, die ihrerseits bald zum Standardprogramm aller Tiroler Volksbühnen zählt.

      Spätestens im Jänner 1892, als die »Geier-Wally« unter dem Namen »La Wally« auch die Opernbühne erobert, steht fest, daß sich die Geschichte der Lechtalerin Anna Stainer-Knit-tel zur weit über den Originalschauplatz Tirol hinaus verbreiteten Legende, ja zum Mythos verselbständigt hat: Der im Sommer 1888 von der Mailänder Zeitschrift »La Perseveranza« abgedruckte Fortsetzungsroman »La Wally dell’ Avvoltoio« hat den vierunddreißigjährigen, aus dem toskanischen Lucca stammenden Komponisten Alfredo Catalani auf die Idee gebracht, den brisanten Stoff zu vertonen. Luigi Illica, bald auch einer der geschätztesten Librettisten Giacomo Puccinis, schreibt das Textbuch, Bühnenausstatter und Kostümbildner reisen, um der Inszenierung ein Höchstmaß an »verismo« zu verleihen, zu einem Lokalaugenschein in die Tiroler Berge, und kein Geringerer als Arturo Toscanini studiert die Musik ein: Die Uraufführung am Opernhaus von Turin wird ein triumphaler Erfolg. Noch 1968, sechsundsiebzig Jahre nach der Entstehung des Werkes, nehmen Renata Tebaldi und Mario del Monaco »La Wally« auf Schallplatte auf, und auch die Wiederentdeckung der im deutschen Sprachraum lange vergessenen Catalani-Oper (bei den Bregenzer Festspielen des Jahres 1990) geht dem Publikum unter die Haut. Daß sie es dabei mit einer

Скачать книгу