Das heitere Lexikon der Österreicher. Georg Markus
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Devrient kam angeheitert zur Aufführung von Schillers Räubern. Als er als Franz Moor auf der Bühne seinem Vater einen Brief vorlesen sollte, schwankte er dermaßen, dass er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und hinfiel. Immerhin war Devrient so schlagfertig, seinen Monolog mit den Worten zu beenden: »Mein Vater, Ihr seht ja selber, wie sehr mich diese Nachricht zu Boden schmettert.«
Seine alkoholischen Exzesse ließen Devrient früh altern, was ihm auf der Bühne weniger anzumerken war als im privaten Umgang. Am Tag nach einer Premiere klingelte eine bezaubernde junge Frau an seiner Tür, um den von ihr verehrten Schauspieler mit einem Blumenstrauß zu überraschen. Devrient öffnete persönlich, worauf die Besucherin erbarmungslos fragte: »Kann ich bitte den Herrn Hofschauspieler sprechen?«
»Ich bedaure außerordentlich«, antwortete der Verkannte schlagfertig, »aber der junge Herr ist leider fortgegangen.«
FRANZ FREIHERR VON DINGELSTEDT
Hofopern- und Hofburgtheaterdirektor
* 30. 6. 1814 Halsdorf/Deutschland † 15. 5. 1881 Wien. Gymnasiallehrer, Dramaturg, Schriftsteller. Sein Gedichtzyklus »Lieder eines kosmopolitischen Nachtwächters« wurde wegen aufrührerischer Tendenz verboten. Erstmals als Korrespondent 1842 in Wien, dann Theater- und Operndirektor in Stuttgart. Ab 1867 Hofoperndirektor, ab 1870 Hofburgtheaterdirektor in Wien. 1876 vom Kaiser geadelt.
Bei seinem Antritt als Direktor des Hauses begrüßte Dingelstedt sämtliche Burgtheatermitglieder, die er natürlich alle von der Bühne her kannte, beim Namen. Nur eine ältere Dame musste ihm aus der Verlegenheit helfen. »Ich bin die Souffleuse«, stellte sie sich vor.
Der Direktor schüttelte ihr daraufhin besonders herzlich die Hand. »Aber natürlich, von Ihnen habe ich auch schon sehr viel gehört.«
»Ich bin gerührt. Darf ich fragen, wo Sie von mir gehört haben?«
»Gestern Abend in der Vorstellung. Ich saß in der zweiten Reihe.«
Dingelstedt war als unverlässlich verschrien. Als eines Tages in einer Wiener Zeitung eine kritische Notiz über mehrere Mitglieder seines Ensembles erschien, regte er sich furchtbar auf und stellte den Redakteur des Blattes zur Rede. »Was mich am meisten trifft«, brüllte der Direktor, »ist die Tatsache, dass die Leute glauben werden, ich hätte die Meldung in die Welt gesetzt!«
»Aber Herr Baron, das ist vollkommen unmöglich«, beruhigte der Journalist, »in meinem Artikel steht doch ausdrücklich: ›Wie wir aus sicherer Quelle erfahren.‹ Wer kommt denn da auf den Gedanken, dass Sie gemeint sein könnten?«
Wer hat denn diesen Unsinn angeordnet?«, fragte Dingelstedt während einer Probe seinen Assistenten.
»Aber Herr Direktor, das haben Sie doch selbst getan!«
»So?«, meinte Dingelstedt. »Das sieht mir wieder ähnlich.«
HEIMITO VON DODERER
Schriftsteller
* 5. 9. 1896 Hadersdorf-Weidlingau bei Wien † 23. 12. 1966 Wien. Vorerst Mitglied der NSDAP, wandte er sich bald vom Nationalsozialismus ab. Feierte 1951 seinen größten Erfolg mit dem Roman »Die Strudlhofstiege«, dem Texte wie »Die Dämonen«, »Die Posaunen von Jericho« oder »Die Wasserfälle von Slunj« folgten. Seine Werke schildern das Alltagsleben.
Doderer wurde von einem jungen Schriftsteller belagert, der mit ebenso viel Ausdauer wie Talentlosigkeit an sich arbeitete. Eines Abends saß er bleich, mit rot geränderten Augen, an Doderers Stammtisch. »Was ist los?«, fragte der berühmte Romancier. »Sind Sie krank?«
»Ich habe in den letzten Wochen bis in die Nacht hinein geschrieben«, sagte der Möchtegern-Schriftsteller, »und konnte nachher nicht einschlafen.«
»Ja, aber warum«, fragte Doderer spitz, »warum haben Sie das Geschriebene nicht noch einmal durchgelesen?«
ENGELBERT DOLLFUSS
Politiker
* 4. 10. 1892 Texing/Niederösterreich † 25. 7. 1934 Wien. Bundeskanzler von 1932 bis 1934. Schaltete im März 1933 das Parlament aus und verbot die NSDAP, die Kommunistische Partei, den republikanischen Schutzbund und 1934 auch die Sozialdemokratische Partei. Errichtete den autoritären Ständestaat. Beim Juliputsch des Jahres 1934 vom Nationalsozialisten Otto Planetta ermordet.
Viele Scherze ranken sich um den ob seiner geringen Körpergröße »Millimetternich« genannten Bundeskanzler Engelbert Dollfuß. So gab es Leute, die im Kaffeehaus »einen Dollfuß« bestellten, wenn sie einen kleinen Schwarzen trinken wollten. Und als ein Postwertzeichen mit einem Bildnis des Regierungschefs herauskam, spöttelte man: »Die neue Briefmarke zeigt ihn in voller Lebensgröße.«
Es kam immer wieder vor, dass sich vor Dollfuß’ Wohnhaus in der Wiener Stallburggasse 2 spätabends Hunderte Menschen versammelten, die laut »Hoch!« schrien. Der Kanzler pflegte in solchen Fällen ans Fenster seiner Wohnung zu treten und den Fans zuzuwinken. »Es war uns peinlich, ihm dann immer durch Zeichen bedeuten zu müssen«, erzählte Marcel Prawy, »dass nicht er gemeint war, sondern die im selben Haus wohnende und von uns verehrte Maria Jeritza, der wir Stehplatzbesucher nach einer Vorstellung zujubelten.«
HEINRICH DRIMMEL
Politiker
* 16. 1. 1912 Wien † 2. 11. 1991 ebd. Studierte Jus an der Universität Wien, nach dem Krieg als Beamter im Unterrichtsministerium Sekretär des Ministers Felix Hurdes. 1954 bis 1964 Bundesminister für Unterricht, danach bis 1969 Vizebürgermeister der Stadt Wien. Autor zeitgeschichtlicher Bücher wie »Gott erhalte«, »Vom Kanzlermord zum Anschluss«, »Die Antipoden«.
1954, bei der Eröffnung der ersten Festspiele im burgenländischen Mörbisch kreierte Unterrichtsminister Heinrich Drimmel eine bis heute oft gebrauchte Wortdefinition: »Einen Namen hätte ich auch schon für die neue Seebühne: die Gelsenreitschule.«
MILAN DUBROVIC
Journalist, Schriftsteller und Diplomat
* 26. 11. 1903 Wien † 11. 9. 1994 ebd. Schrieb als junger Journalist für die »Wiener Allgemeine Zeitung«, das »Neue Wiener Tagblatt«, den »Mittag« und versuchte sich als Auslandskorrespondent v. a. für deutsche Blätter. Später Leitender Redakteur und 1953 bis 1961 Chefredakteur der »Presse«. Danach Presse- und Kulturattaché in Bonn und ab 1970 Herausgeber der »Wochenpresse«.
Dubrovic, als junger Journalist finanziell auf jede nur irgend mögliche Veröffentlichung angewiesen, verlangte eines Tages in seinem Stammcafé, dem Herrenhof, nach dem Hamburger Fremdenblatt, das zwar als führende Auslandszeitung im Herrenhof auflag, aber kaum jemals verlangt wurde.
»Was der Kellner herbeibrachte«, erzählte Friedrich Torberg, »war eine Zeitung von ungewöhnlich großem Format, größer noch als die Londoner und die New Yorker Times.« Dubrovic begann jedoch nicht etwa zu