Leni Behrendt Staffel 3 – Liebesroman. Leni Behrendt
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»Nanu, Hansinchen, du hast mir doch mehr als einmal den Schwerenöter vorgeworfen, der mit jeder Frau flirtet, und nun das …«
»Eben – flirten und den Mädchen dabei den Kopf verdrehen, das hast du erstklassig raus. Aber mal so richtig ernst machen, dafür bist du zu feige.«
»Ist es bei dem Fiasko, das ich in meiner Ehe erlebte, vielleicht ein Wunder?«
»Herrgott, Junge, wenn mal einige Apfel faul sind, braucht es doch nicht gleich der ganze Äppelkahn zu sein«, stellte sie in ihrem Eifer den komischen Vergleich, der den Bruder laut herauslachen ließ. Und da dieses Lachen so ansteckend wirkte, mußte sie wohl oder übel mithalten.
»Ist doch wahr«, griff sie dann den Faden wieder auf. »So ein Prachtkerl wie du, der muß doch zusehen, daß er Nachwuchs bekommt. Schließlich bist du Mitte Dreißig, also höchste Zeit, wenn du den Anschluß nicht ganz verpassen willst. Ob das Mädchen mit den schönen Augen dich vielleicht …«
»Halt, halt!« stoppte er ihren zunehmenden Eifer. »Ich bin mit der jungen Dame noch keine halbe Stunde zusammen gewesen, wobei sie, weil sie eben eine Dame ist, sich sehr zurückhaltend verhielt. Vielleicht treffe ich überhaupt nicht mehr mit ihr zusammen. Höchstens in der Stadt auf der Straße, aber da kann ich sie doch unmöglich ansprechen.«
Nein, das konnte er als wohlerzogener Mann nicht. Dafür tat es jedoch jemand anders, der mal so ein bißchen Vorsehung spielen wollte. Zwar soll man das nicht tun – aber vielleicht, vielleicht.
Es war einige Tage später. Hanna, die eifrig bemüht war, sich eine erstklassige Geflügelzucht zuzulegen, hatte beim Werkmeister einen Hahn erstanden, ein wahres Prachtexemplar seiner Rasse, den ein Lehrling im Korb zum Stall tragen sollte.
An seiner Seite ging Hanna, so richtig stolzgeschwellt über den bildschönen Zuwachs des Hühnerhofes. Wer sie sah, wie sie so dahinschritt, hochbeinig, vollschlank, mit dem runden Gesicht und den blühenden Farben, dem blonden, leichtgewellten Haar, hätte sie nie für die Schwester des dunklen Detlef gehalten. Das kam daher, weil sie ihrem Vater und er seiner Mutter glich.
Ausgesprochen hübsch war Hanna wohl nicht, aber alles an ihr wirkte ungemein klar und sauber. Außerdem gewann sie durch ihre natürlich aufrechte Art und ihren fröhlichen Sinn.
Also ging sie auch jetzt frohgemut dahin, frisch und äußerst gepflegt. Auf den Hahn gab sie nicht weiter acht, weil sie ihn in dem Korb sicher glaubte. Und da der Lehrling dasselbe tat, so konnte es kommen, daß der Herr Hahn aus seinem Gewahrsam entfloh und mit Geschrei Reißaus nahm.
Zuerst waren die beiden Menschen wie erstarrt, doch dann kam Leben in sie. Wie die wilde Jagd stürmten sie dem listigen Ausreißer nach, der über den Hof wetzte und dann über die Chaussee, die an der Parkmauer entlangführte. Mit Entsetzen sah Hanna, wie das verängstigte Tier in ein Auto hineinlief, das im flotten Tempo daherkam. Da sie es bereits verloren glaubte, bedeckte sie die Augen mit der Hand, um den Tod des prächtigen Zuchthahns wenigstens nicht mit ansehen zu müssen.
Was dann kam, geschah in Sekundenschnelle. Die Reifen radierten, die Bremse kreischte – und als Hanna zögernd die Hand von den Augen nahm, bemerkte sie in dem offenen Wagen zwei lachende Mädchen und zwischen ihnen den Ausreißer, der in seiner kopflosen Angst in den Wagen geflattert war.
Und wer konnten diese beiden Mädchen wohl anders sein? Keine anderen als Karola Arnhöft und Gudrun Wiederbach.
Während erstere ausstieg, hielt letztere den Herrn Hahn, der natürlich mächtig revoltierte, so lange fest, bis die nun Draußenstehende ihn in Empfang nehmen konnte. Lachend reichte sie den buntgefiederten Prachtkerl seiner Eigentümerin hin – und als diese die graugrünen Augen bemerkte, hielt sie diese gewiß nicht alltägliche Begegnung für einen Wink des Schicksals. Blitzschnell schoß es ihr durch den Sinn, daß sie es daraufhin wohl wagen dürfte, Vorsehung zu spielen.
Doch zuerst reichte sie den Hahn dem verdatterten Lehrjungen und schärfte ihm ein, das Tier nicht in den Korb zurückzutun, sondern es fest in den Arm zu nehmen und es im Geflügelhof an maßgebender Stelle abzuliefern, was der Junge eifrig versprach.
Und kaum, daß er abgetrollt war, tat Hansinchen etwas, das ihrer aufrichtigen Natur eigentlich so gar nicht lag. Sie stützte sich nämlich auf die Kühlerhaube, verzog das Gesicht und erklärte, den rechten Fuß nicht aufsetzen zu können. Wahrscheinlich hatte sie ihn bei der hitzigen Lauferei vertreten.
Schäm dich, Hanna, so unverfroren zu lügen! schalt sie sich wohl selber aus, allein von den andern beiden wurde dieses listige Manöver ohne weiteres geglaubt. Es geschah auch, was die Schwindlerin erhoffte. Man bot ihr besorgt an, im Wagen Platz zu nehmen und sie nach Hause zu fahren.
»Herzlichen Dank«, murmelte Hanna, die sich nun wirklich schämte. Aber da man, wenn man A gesagt hat, auch B sagen muß, blieb ihr nichts anderes übrig. Mit Karolas Unterstützung nahm sie neben dem Führersitz Platz und erklärte Gudrun, wie sie fahren sollte.
»Ich bin nämlich die Schwester des Besitzers der Zuckerfabrik und heiße Hanna Diersk«, stellte sie sich vor, worauf sie auch die Namen der beiden Mädchen erfuhr. Einige Minuten später hielt der Wagen vor dem Portal, und da Hansinchen ja nicht ohne Unterstützung gehen konnte, wurde sie von den Mädchen ins Haus geführt und in der elegant eingerichteten Diele in einen Sessel gesetzt.
»Man müßte einen Arzt herrufen«, meinte Karola zögernd, doch Hanna, die dieses ihrer so unwürdige Spiel nicht auf die Spitze treiben wollte, winkte hastig ab.
»Danke, Fräulein Arnhöft. Ich möchte damit doch lieber warten, bis mein Bruder kommt.«
Und siehe da, wie auf ein Stichwort trat dieser ein, stand zuerst mal beim Anblick der beiden jungen Damen wie erstarrt zwischen Tür und Angel. Wohl hatte er vor dem Portal den kostbaren Wagen bemerkt, aber nicht gewußt, zu wem er gehörte.
Nun machte sein Herz einen Freudensprung, was sich auf seinem Gesicht widerspiegelte. Es strahlte nur so, als er die beiden jungen Damen in seinem Hause willkommen hieß, sah dann jedoch recht betreten aus, als er von der »Verletzung« der Schwester hörte. Besorgt beugte er sich nieder, tastete behutsam den Knöchel ab, wobei er Hanna so nahe war, daß sie ihm zuflüstern konnte:
»Trick, um deinen Schwarm ins Haus zu bekommen.«
Er vernahm es wohl, zuckte aber dabei mit keiner Wimper. Langsam richtete er sich auf und meinte achselzuckend:
»Nicht weiter tragisch, Hanna, der Fuß ist nur ein wenig verknackst. Schmerzhaft ist so was schon, und du kannst von Glück sagen, daß du den beiden Damen begegnetest, die sich so lieb deiner annahmen.«
Wieder strahlte er die beiden Mädchen an, wobei es Karola ganz eigen ums Herz wurde.
»Ich darf doch die Damen weiterbitten, nicht wahr?« schmeichelte seine Stimme weich wie Samt. »Oder wird meine Bitte als aufdringlich empfunden?«
»Keineswegs«, entgegnete Gudrun rasch. Denn sie hätte ja kein weibliches Wesen sein müssen, wenn sie nicht die Bewunderung gespürt, die der Mann für Karola empfand. Deren ärgerlichen Blick ignorierend, lachte sie ihn freundlich an, der nun auch von dieser hellsonnigen Schönheit entzückt war, und doch gefiel ihm die dunkle Schönheit besser.
»So darf ich denn die Damen bitten«,