E-Fam Exodus. Arno Endler
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»Ich sehe es.« Sie konzentrierte sich wieder auf Gangnes. »Kore? Was ist geschehen? Ich habe hier einen Kunden, der äußerst unangenehme Nachfragen stellt. Was haben deine Nachforschungen ergeben? Und warum sind die Resultate nicht in der Firmencloud gesichert worden?«
Der Programmierer schien unbeeindruckt. Er lehnte sich provokativ entspannt in die weiche Polsterung, faltete seine Hände im Schoß und schüttelte den Kopf. »Der Job, ach ja«, sinnierte er gedehnt. »Ich bin mir im Unklaren, ob ich die Ergebnisse teilen möchte.«
»Wie bitte?«, fragte die Chefin von Cybersearch gefährlich leise und beherrscht. »Wir werden nicht vertragsbrüchig, Kore. Das können wir uns nicht leisten. Nicht bei einem solchen Kunden.« Ein Seitenblick von ihr, der mich traf, entging mir nicht. »Es ist riskant, wie du weißt!«
»Du hast diesen Kunden akzeptiert. Nicht ich.« Gangnes wirkte wie ein Mann, der sich seiner Sache sicher war.
»Hat diese Frau etwas damit zu tun?«, herrschte Bürgerin Gundebar ihren Mitarbeiter befehlsgewohnt an.
Bei mir hätte der Tonfall gewirkt, bei Gangnes nicht. Er lächelte, offenbar war er sehr zufrieden. Für einen Menschen, der bis vor wenigen Stunden versucht hatte, zu sterben, schien ihm das Leben ungemein Spaß zu machen.
»Wie hieß sie gleich?«, ergänzte Gundebar. »Akorangi, nicht wahr? Was hat sie mit dem ganzen unsinnigen Verhalten zu tun, das du an den Tag gelegt hast? Du bist mein bestes Pferd im Stall. Ich will dich nicht feuern müssen.«
»Dann tu es nicht.«
»Wo warst du, verdammt nochmal?«
»Das geht dich nichts an. Entlasse mich ruhig. Aber meine Datensuche ist bereits gelöscht. Niemand wird die Ergebnisse wiederherstellen können. Und das ist auch besser so.«
Mir wurde klar, dass Gangnes nichts von seinen Selbstmordabsichten erzählen würde. Und es war nicht an mir, Bürgerin Gundebar darüber aufzuklären. Es wurde Zeit, zu gehen.
»Bürger Mayer!«, ließ mich Gundebars Stimme erstarren.
»Ja, bitte?«
»Danke für Ihre Tätigkeit. Der Kontrakt ist erfüllt, die Erfolgsprämie angewiesen. Sie verlassen jetzt den Raum. Der Rest fällt unter Firmengeheimnisse.«
Ich sah, dass Gangnes mir zunickte, und erhob mich.
Der Programmierer drehte seinen Sessel, saß nun frontal zu mir. »Denken Sie daran, Bürger Mayer. Wer verschwinden will, dem gelingt es in der Regel auch. Ich war nur nicht gut genug da- rin.« Er deutete eine Verbeugung an, die ich erwiderte.
Als die Wohnungstür ins Schloss geglitten war, atmete ich mehrfach tief ein und aus. Die Schallisolierung der Wohnung war gut. »Otto?«, subvokalisierte ich.
»Bürger Mayer?«
»Können wir dem Gespräch im Inneren beiwohnen?«
»Sie wollen lauschen? Heimlich?«
»Nein. Ja. Du weißt schon.«
»Das ist unethisch, Bürger Mayer.«
»Kannst du es oder kannst du es nicht?«, drängte ich.
»Nein. Es handelt sich um eine Home-Office-Workstation, gesichert durch ein VPN. Cybersearch achtet auf Datensicherheit. Mir sind die Hände gebunden.«
»Schade.«
»Die Erfolgsprämie ist eingegangen.«
»Dann sind wir ja endlich mal wieder flüssig. Gut so. Kann ich mir mal wieder einen Drink leisten.«
»So flüssig sind wir nicht, Bürger Mayer.«
»Spielverderber!«
»Stets zu Diensten.«
»Ich bin sowieso müde. Der Tag war lang. Ich mache Feierabend. Irgendwelche Auftragsanfragen?«
»Nein, derzeit nicht. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Nachtruhe.«
»Danke, Otto«, sagte ich.
Der Weg zu meinem Apartment war nicht weit. Ich musste nur rund hundert Meter weiter, kam dabei sogar an meinem Büro vorbei. Otto öffnete mir die Tür zu meinem Heim, einem Zweizimmerloft mit Ausblick auf die Zentral-Mall des Sektors drei. Ein sanftes Zischen begleitete den Vorgang. Es war spät, beinahe Mitternacht. Ich hatte nicht gelogen, als ich gesagt hatte, dass es ein langer Tag gewesen sei.
Unten im funkelnden Licht hunderter LED-Werbungen tummelten sich die Massen. Es war die Mall, die niemals schlief. Konsumiert wurde immer. Von meinem Fenster aus wirkten die Menschen wie Ameisen. »Wer verschwinden will, dem gelingt es auch«, hatte Gangnes philosophiert. Weshalb nur?
Ich gähnte. Die Matratze rief.
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