E-Fam Exodus. Arno Endler

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E-Fam Exodus - Arno Endler heise online: Welten

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beiden Händen den Korpus. »Ah, was für ein Genuss. Entschuldigen Sie. Ich komme leicht ins Schwärmen.« Er wich einen Schritt zurück. Als er bemerkte, dass ich keine Anstalten machte, mich hinzusetzen, gönnte er sich ein kurzes Augenverdrehen. »Nun, wir sind stolz, das Endprodukt einer langen Reihe von Hybridrechnern in den Poetrees nutzen zu können. Eine organische Filamentstruktur, die eine User-Rechner-Kopplung ermöglicht.«

      »Sie koppeln ...?«

      »Ja, Bürger suchen uns auf, um diese Verbindung erleben zu dürfen.«

      Ich sah mich um. »Jeder, der hier an einem der Bäume sitzt, ist mit diesem verbunden?«

      »Korrekt. Genau gesagt, diffundieren die semiorganischen Fasern über die Nackenanschlüsse der High-Cons direkt in die verschiedenen Gehirnzentren.«

      »Wie bitte?«

      Peabloid lächelte versonnen. »Stellen Sie es sich wie eine Art Pilz vor, der sich bis in Ihren Körper erstreckt. Sie haben dann Zugriff auf Dutzende High-End-Rechner, die mit den neuronalen Netzen im Hirn interagieren.«

      »Der Rechner kontrolliert den Nutzer?«

      »Nein. Er kanalisiert nur die ungeordneten Gedanken, verstärkt konzentrierte Denkprozesse und unterdrückt ablenkende Einflüsse.«

      »Wozu?«, stellte ich die drängende Frage.

      »Es hilft Autoren bei der Schreibarbeit. Setzen Sie sich und probieren Sie es selbst aus.«

      Ich hob erneut abwehrend die Hände. »Halt, halt! Sie sagten etwas von High-Cons. Also nur Inhaber eines NFDs können darauf zugreifen, oder?« Die Nanofluidic-Devices waren nun seit rund fünfzig Jahren der letzte Schrei der Online-Süchtigen. Die NFDs wurden in der Nähe des Stammhirns implantiert und verfügten über einen Mikroreaktor sowie einen multifunktionalen Nano-Empfänger-Sender. Mit einem NFD konnte man jederzeit und überall innerhalb des Netzsendebereichs online gehen. Man »sah« die Bilder direkt im Gehirn, man »hörte« die Musik, ohne die Ohren anstrengen zu müssen.

      Landläufig bezeichnete man die NFDler auch als gechipt. Doch die herkömmlichen Nano-Chips, die den Zugang ermöglicht hatten, waren Dinosaurier auf dem Markt. Ich wollte keines von beidem in meinem Körper wissen. Das sagte ich ihm. »Ich bin kein High-Con. Also kann ich es wohl nicht testen.«

      »Kein High-Con?« Peabloid starrte mich an, als wäre ich eine Kakerlake auf seinem Mittagessen. »Wie ...?« Er verkniff sich die Frage.

      »Ich nenne einen E-Fam mein Eigen.« Zum Glück konnte mich Otto nicht hören. »Das erleichtert mir das Leben.«

      »Gut. Kommen Sie, Bürger Mayer. Ich zeige es Ihnen an einem gemieteten Platz.« Er ging einfach weiter, wartete nicht mal, ob ich ihm folgte. Sein Ziel war der Nebenbaum. Ein abgemagerter Mann lehnte an ihm mit geschlossenen Augen. Ich sah die Bewegungen hinter seinen fahlen Lidern. Die Augäpfel rotierten, zuckten.

      »Kann er uns hören?«, flüsterte ich.

      »Nein, Bürger Mayer. Nicht während einer Sitzung. Seine endet in ...« Peabloid legte den Kopf zur Seite und nickte dann. »In rund zehn Minuten. Sehen Sie nur dort oben.« Er deutete hoch zu einem Ast.

      Neben den vielen Blättern glitzerte auch ein kleiner Kristall an einem Ast. Wie eine Frucht entsprang er einer Knospung. Er drehte sich ruckartig, um im nächsten Moment wieder ruhig zu hängen.

      »Ist das ein Datenspeicher?«, fragte ich.

      »Korrekt. Er hat sich für die elektronische Ausgabe seines Werks entschieden. Manche bevorzugen den Papierausdruck.«

      »Sie meinen, auf diesen Blättern kann er sich seine Gedanken ausdrucken lassen?«

      Peabloid weidete sich sichtlich an meinem Erstaunen. »Nicht seine Gedanken. Gedanken sind konfus, wirr, ungeordnet, selten klar definiert. Unsere Kunden sind durch die Koppelung derart konzentriert, dass sie fertige Texte verfassen. Druckfertig, sozusagen, wenn man das heute auch nicht mehr sagen kann. Es geht rasant. Ein Krimi in einer Sitzung. Ein historischer Roman von epischen Ausmaßen in vielleicht vier Sitzungen. Hier wurden zahllose Drehbücher, Theaterstücke und Musiktexte verfasst. Spart Zeit und Geld und schont die Nerven, was den Abgabetermin angeht.«

      »Es entstehen hier nicht nur Bücher?«, vermutete ich und musste an die Aufteilung denken. POETEN und JOURNALE.

      »Nein. Sachbücher, journalistische Artikel, Anwenderhandbücher, Dissertationen, Hausarbeiten, was immer Sie sich vorstellen mögen. Alles kommt von hier, wenn wir jemanden als Kunden akzeptieren.«

      Ich hoffte, dass mein Pokerface intakt blieb. Doch in meinem Inneren schrie eine Stimme, dass mir die Zeit davonlief. Ich musste meinen Auftrag erledigen.

      »Okay. Danke für die Führung. Wir sollten weiter. Ich möchte mich vergewissern, dass Bürger Gangnes tatsächlich nicht hier ist.«

      »Wie Sie wünschen, Bürger Mayer.« Peabloid setzte den Rundgang schweigend mit mir fort.

      Ich brüllte subvokal. »Otto! Bitfucking! Kannst du mich hören? Otto!«

      Aber mein E-Fam schwieg.

      2

      Ich spielte auf Zeit, stellte zahlreiche Nachfragen, sah mir einige Kunden der POETS länger an, als wolle ich mich davon überzeugen, dass keine Bodysuits im Einsatz waren. Mir war klar, dass ich Kore Gangnes so nicht finden würde.

      Peabloid verkörperte Zuversicht und zugleich Verachtung meiner Person. Er lauschte immer wieder seiner Stimme im Ohr, geleitete mich von Baum zu Baum, bis er schließlich stoppte. »So, Bürger Mayer. Zufrieden?«

      Ich sah mich um. Die Landschaft wirkte endlos, bis zum Horizont erstreckten sich die regelmäßig aufragenden Poetrees, doch kein Mensch saß an den Stämmen. »Das ist die virtuelle Darstellung?«, vergewisserte ich mich.

      »Korrekt, Privatermittler Mayer«, entgegnete Peabloid unhöflich. »Es ist die Wand. Sie haben beide Bereiche gesehen und inspiziert. Hier endet die Tour. Weder im Poeten- noch im Journale-Bereich ist der Gesuchte zu finden. Kein Grund, die Capcops zu rufen, kein Grund, Ihren Aufenthalt zu verlängern. Ich muss Sie daher bitten ...«

      »Bürger Mayer?«, hörte ich eine Stimme in meinem Ohr.

      »Otto!«, antwortete ich subvokal und zutiefst erleichtert. »Das hat lange gedauert.«

      »Stets zu Diensten, Bürger Mayer. Ich würde vorschlagen, Sie begeben sich acht Schritte von Ihrer derzeitigen Position nach links, dann zu der OLED-Wand und tasten sich vor.«

      Ich fragte nicht, weshalb, war nur froh, dass ich endlich Unterstützung hatte, und folgte den Anweisungen.

      »Hey!«, rief Peabloid. »Was tun Sie da?«

      Ich ignorierte ihn, nahm Ottos Richtungskorrekturen auf und berührte die Wand mit den organischen Lichterzeugern.

      »Weiter linke Richtung. Es sind nur wenige Zentimeter«, behauptete Otto.

      Meine Hand griff plötzlich ins Leere, glitt in die Landschaft hinein und verschwand direkt vor mir. »Ist doch nicht das Ende?«, fragte ich und hoffte, dass Peabloid den Sarkasmus heraushörte.

      »Stopp!«,

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