E-Fam Exodus. Arno Endler
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»Wie lange dauert die Fahrt?«, fragte ich.
»Rund acht Minuten.«
Ich seufzte. »Kannst du bitte die Musik abschalten?«
»Zu meinem Bedauern, nein. Der Trans-Segment-Lift verfügt über einen autonomen Tonerzeuger.«
»Oh, und was ist mit den Bildern?«
Auf dem 360-Grad-Bildschirm der Fahrstuhlkabine liefen normalerweise Newsfeeds, Nachrichten- und Werbeblöcke. Ich musste in diesem Moment jedoch meine Schwindelattacken bekämpfen. Ein Video wurde eingespielt. Wahrscheinlich von einem Kopter aufgenommen, der auf den Sektor drei zuflog. Die Flughöhe war immens, was mir nicht guttat, da ich an Akrophobie litt. In der Ferne sah ich den spitz zulaufenden Turm, in dem auch ich mich gerade aufhielt.
Auf drei Pfeilern gelagert, ragte er von einer kreisrunden Grundfläche aus rund neun Kilometer in die Höhe. Ein Tripod, der an eine überdimensionale Version des Eiffelturms erinnerte. Die unterste Ebene schwebte wie ein gewaltiges Ufo mit einem Radius von zweihundert Kilometern über Teilen des europäischen Festlands und der Nordsee. In den zehn Segmenten lebten mehr als einhundert Millionen Bürger, die den Sektor drei der Mega-City nur selten oder gar nicht verließen.
Das Video lief unbarmherzig weiter. Ich schloss kurz die Augen, doch der Schwindel verging nicht. Also sah ich wieder hin. Im strahlenden Licht der Sonne näherte sich der Kopter. Ich fragte mich, wann die Aufnahmen gemacht worden waren.
»Der oberste Bereich fehlt«, murmelte ich. »Die Bilder sind alt.«
»Korrekt beobachtet, Bürger Mayer. Es handelt sich um eine Promotionskampagne der LIFT-CORPORATION«, erklärte Otto. »Die Abstimmung über die Aufstockung stand kurz bevor. Der Aufzug zur Satellitenstation, dessen Kabel in der Spitze des Turmes verankert werden sollte, schürte Ängste. Die Bürger waren nicht begeistert über die Aussicht, ein tonnenschweres Seil dicht oberhalb der Köpfe installiert zu bekommen, um eine Verbindung zur Orbitalstation zu errichten. Sie starteten eine Kampagne. Dieses Video gehört dazu.«
»Warum läuft es gerade jetzt ab? Wo sind die Nachrichten?«
»Zu meinem Bedauern habe ich keinen Einfluss auf die Bildwiedergabe.«
»Der omnipotente Famulus ist nicht in der Lage, ein Video abzuschalten?«, witzelte ich. »Ich bin erstaunt.«
»Nun, so ist es leider. Kann ich Ihnen sonst zu Diensten sein?«
Ich schnüffelte laut und vernehmlich. »Riecht es leicht nach verbranntem Plastik?«
»Die Datenlage unterstützt diese Wahrnehmung nicht, Bürger Mayer.«
»Okay, dann bin ich beruhigt.« Der Bildschirm der Fahrstuhlkabine zehrte an meinen Nerven. Ganz gleich wohin ich auch schaute, sog mich die Tiefenwirkung in den Abgrund. Der Kopter umrundete den Turm in großer Höhe, ließ dabei keine Einzelheit aus.
Ich sah die drei Pfeiler, Old England auf der britischen Insel, Gamle Danmark, der zu großen Teilen in der Nordsee angebracht worden war. Nur der äußerste östliche Rand berührte die sandigen Dünenlandschaften der dänischen Nordseeküste. Im Flug ging es weiter über das europäische Festland und den letzten Pfeiler, Alt-Deutschland, dessen Grundfläche das alte Ruhrgebiet eingenommen hatte.
Ich sah auf die nahezu ausgestorbenen, ehemals bewohnten Gebiete des Sektors eins, nun Brachland und Betonwüste. Ein apokalyptischer Alptraum.
Das Video endete, als der Lift stoppte. Ich spürte den Halt überdeutlich. Irgendjemand musste den Betreiber über die Fehlfunktion informieren. Ich wollte schon Otto den Auftrag dazu geben, als sich die Lifttüren öffneten und mich ein Höllengestank mitten im Gesicht traf.
Ich atmete flach durch den Mund, um dem Übermaß an olfaktorischen Reizen zu entgehen. »Verdammt, Otto! Wo bin ich nur gelandet?«
»In Segment vier, Bürger Mayer«, dozierte der E-Fam. »Hier wird produziert, was auf allen anderen Ebenen die Mägen füllt.«
»Warum stinkt das nur so?«
»Alles eine Frage der Gewöhnung«, behauptete Otto.
»Kannst du überhaupt riechen?«, hakte ich nach.
»Sie sollten sich auf Ihren Auftrag konzentrieren, Bürger Mayer. Die fragliche Firma liegt rund vier Kilometer entfernt. Sie können es gar nicht verfehlen. Eine Sonne schwebt über dem Komplex.«
Ich verließ den Lift, schaute mich um.
Nur wenige Bürger hielten sich hier auf. Das Areal zwischen den Hallen und Gebäudekomplexen auf dieser Ebene wurde mehr von Fahrzeugen genutzt. Von E-Mobilern, das waren zumeist autonome Transporter. Große Tore in den Gebäuden spuckten sie förmlich aus. Nach einem nicht erkennbaren Plan sausten sie umher, transportierten wahrscheinlich Rohstoffe von einem Ort an den anderen. In der Mitte des Platzes ragte ein Zentralkomplex in die Höhe. Wie eine Stufenpyramide geformt, schien hier der Vergnügungsbereich zu sein. Ich sah Werbemonitore für Restaurants, Leisure-Paläste und, zu meiner Verwunderung, auch Hotels und Wohnkomplexe.
Rechts hinter diesem Bereich, deutlich abgesetzt im Hintergrund, sah ich die angekündigte Sonnennachbildung über einer schmucklosen würfeligen Anlage, in der sogar Fenster fehlten.
Ich stiefelte los, registrierte beinahe resigniert, dass ich mich bereits an den Gestank gewöhnt hatte. Otto schwieg.
Während meines Wegs zu POETS PLC rollten einige Transporter an mir vorbei. Es waren zumeist Magnetschwebemobiler, die geräuschlos beschleunigten. Im grauen Plastuntergrund bemerkte ich nun auch die vielen eingelassenen elektromagnetischen Fäden. An den Seiten der Lastenfahrzeuge sah ich nur die kleinen Hilfsräder für den Worst Case eines Energieausfalls. Das Abrollgeräusch von Gummirädern erschreckte mich daher, als zwei schwerbeladene offene Mobiler meinen Weg kreuzten. Auf den Ladeflächen stapelten sich Mini-Container mit unterschiedlichen Aufdrucken. Drei oder vier Logos kamen mir bekannt vor, aber bevor ich noch genauer hinschauen konnte, waren sie bereits verschwunden.
An dem Zentralkomplex legte ich eine kurze Pause ein. Eine transportable Café-Bar mit einer exquisiten Auswahl an sündhaft teuren Echt-Kaffees schien mir ein perfekter Standort für eine Beobachtung.
Ich lächelte dem Barista zu und entschied mich für einen Espresso mit Bohnen aus der Mega-City Drei, was Bürger Flinall ein Lächeln aufs Gesicht zauberte. Den Namen las ich auf dem kleinen Brustbutton, den er an seinem Kittel festgemacht hatte.
»Ein Genießer«, rief er aus.
»Gehen wohl nicht gut? Die Geschäfte mit echtem Kaffee?«, fragte ich.
»Nein. Hier nicht, Bürger«, gab er zu. »Es sind einfache Arbeiter, die auf dieser Ebene tätig sind. Sie wollen nur einen regulären Syntho-Kaff. Liefere ich natürlich auch. Aber es ist nur heißes Wasser auf einen Löffel des Pulvers. Dafür braucht man keinen Barista.«
Ich sah ihm zu, wie er die Maschine bediente. In die Stille zwischen dem Fauchen und Brodeln hinein stellte ich meine nächste Frage. »Warum dann diese Stelle für einen mobilen Stand? Warum verkaufen Sie nicht in der Mall?«
»Zu viel Konkurrenz, Bürger«, antwortete er. »Meine Kunden verschaffen mir hier ein stabiles Einkommen. Bitte schön.«