Elfenzeit 2: Schattendrache. Verena Themsen
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Читать онлайн книгу Elfenzeit 2: Schattendrache - Verena Themsen страница 30
»Der Tod war keine angenehme Erfahrung«, fuhr er leiser fort, »aber Zorn, Hass und pure Willenskraft halfen mir, ihn vergleichsweise schnell zu überwinden, was keinem anderen aus meiner Familie gelungen ist. Und das war gut so. Ich denke, eine glückliche Familie wären wir wohl niemals mehr geworden.«
Er lachte leise, küsste erneut Rians Haar und legte dann sein Kinn auf ihrer Schulter ab. Ein Duft wie von glimmenden Tannennadeln streifte Rians Nase, und sie schmiegte mit geschlossenen Augen ihre Wange an seine.
»Die eigentliche Frage hast du aber immer noch nicht beantwortet«, sagte sie. »Warum bist du, als du wieder lebtest, hiergeblieben und nicht nach Earrach zurückgekehrt? Und warum genau hier, in Worms?«
»Ich hatte einen Schatz verloren, den ich entschlossen war, zurückzugewinnen«, antwortete Alberich. »Nach meinem Tod hatte Siegfried Schatz und Drachenkopf hierher geschleppt und sich damit genau das aufgebaut, was ich ihm prophezeit hatte. Dummerweise konnte er seine Finger nicht von den Frauen und seine neugierige Nase nicht aus den falschen Angelegenheiten lassen. Er fand etwas heraus, das ihm einen Mörder auf den Hals setzte.
Sie mögen erzählen was sie wollen in ihren Sagen und Liedern – Hagen hat ihn nicht wegen der Ehre seiner Königin getötet. Hagen war ein Wächter und tat nichts anderes als das, wofür er verpflichtet worden war. Dummerweise hat er dadurch, dass er danach alle Habseligkeiten Siegfrieds beseitigte, auch mir enorm ins Handwerk gepfuscht. Man mag mir daher verzeihen, dass ich nicht unbedingt mit Zuneigung an ihn denke.
Seit ich davon erfahren hatte, versuchte ich, herauszufinden, wo und wie er meinen Schatz verborgen hat. Darum blieb ich in Worms. Darum suche ich mit Schiffen seit Jahrhunderten den Rhein ab. Darum durchforste ich alle Archive und folge jeglichem Hinweis, den ich bekomme. Am Anfang war es wie ein Zwang. Ich hatte nicht Anteil am Tod meines Vaters und meines Bruders und dann meinen eigenen Tod durchlebt, um am Ende mit leeren Händen nach Earrach zurückzukehren. Das ließ mein Stolz nicht zu.
Inzwischen ist es schon eher Gewohnheit, das einzige, was meinem Leben eine Art Sinn gibt. Und damit sind wir in der Gegenwart. Bald wird die Sache auf die eine oder andere Weise endlich abgeschlossen, denn ich hoffe auf eine Lieferung, die mir neue Möglichkeiten der Nachforschung eröffnet. Sollte dies ebenfalls fehlschlagen, werde ich aufgeben und zurückkehren, um meine Fertigkeiten zumindest noch für den Rest meines Lebens wieder in den Dienst der Fürsten der Elfen zu stellen. – Und das ist das Ende der Geschichte.«
Alberich drehte den Kopf und biss Rian spielerisch ins Ohrläppchen. Sie quietschte protestierend, entzog ihm das Ohr und funkelte ihn strafend an. Er nutzte die Gelegenheit, um seine Lippen dicht an ihre zu führen. Kurz davor verharrte er jedoch. Sie sah nur noch seine tiefschwarzen Augen, wie endlose Schächte, in denen man sich verlieren konnte. Mit einem leisen Seufzen schloss sie die Lider und hob ihren Kopf dem seinen ein Stück entgegen, bis ihre Lippen sich berührten.
Erwartungsvoll beschleunigte sich ihr Atem, und die Härchen auf ihrer Haut stellten sich auf. Sie öffnete leicht den Mund, doch zu ihrer Überraschung zog er sich bereits wieder zurück. Zugleich löste er seinen Griff um sie. Verwirrt öffnete Rian die Augen. In diesem Moment umfasste er sie an Rücken und Oberschenkeln, stand auf und hob sie mit sich hoch. Ein überraschter Laut entfuhr der Elfe. Hastig schlang sie ihre Arme um seinen Hals.
»Nun, meine schöne Prinzessin, möchte ich dich in meinen magischen Turm entführen«, sagte Alberich. »An der Spitze ist ein Zimmer, dessen Fenster in alle Welten schauen, und darin steht mein hoffentlich auch einer Prinzessin wie dir angemessenes Bett. Dort würde ich dann gerne über dich herfallen und einige meiner Lüste und Triebe an dir ausleben. Wäre das in deinem Sinne?«
Sie lachte auf. »Solange du dabei Wert auf meine Zustimmung legst, ist das genau in meinem Sinne.«
»Das erfreut mein altes Herz. Angelina, du solltest David bei Gelegenheit unser romantisches Gästezimmer zeigen. Ihr entschuldigt uns dann?«
Ohne auf eine Antwort zu warten trug Alberich Rian aus dem Zimmer und in seinen Turm hinauf.
*
Alebin schnalzte mit der Zunge und sämtliche Fenster seines Hauses flogen auf. Trübes rotes Abendlicht ergoss sich in den großen Raum, den der Elf zu seinem Atelier gemacht hatte. Eine Handbewegung ließ die feuchten Tücher herabgleiten, mit denen er das Werk seiner Hände vor der Austrocknung geschützt hatte.
Zufrieden betrachtete der Elf die stehende, mannshohe Tonfigur eines nackten Mannes, die darunter zum Vorschein kam. Mit den Fingerspitzen fuhr er die sorgfältig aufmodellierten Gesichtszüge nach, strich den Hals entlang und über Brust und Bauch hinunter bis zum Geschlecht. Dann trat er einen Schritt zurück, legte den Kopf etwas zur Seite und verschränkte die Arme.
»Wenn man dich recht betrachtet, bist du doch ein schönes Wesen«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. Er nahm ein mit dunkelrotem Wein gefülltes Glas von dem Tischchen mit seinen Modellierwerkzeugen, stürzte einen Teil des Inhaltes hinunter, stellte es dann wieder beiseite und rieb sich die Hände.
Er spuckte auf seine Fingerspitzen, trat wieder vor und verteilte die Flüssigkeit im Gesicht der Tonfigur. Das gleiche wiederholte er noch an einigen anderen Stellen, ehe er sich eine Haarsträhne auszupfte und hinter die Statue trat. Er legte die Ansätze der Haare an den Hinterkopf der Figur, drückte sie vorsichtig hinein und verstrich dann den Ton wieder so, dass nichts mehr von dem Eingriff zu erkennen war außer den herabhängenden dünnen Härchen. Noch immer dahinter stehend trat er dicht an die Figur heran, sah ihr über die linke Schulter und drückte vorsichtig seine Wange gegen die des Tonelfen.
»Du wirst meine Stelle einnehmen, während ich Besseres zu tun habe«, flüsterte Alebin. »Du wirst mein Stellvertreter sein, mein Haus bewohnen, meine Aufgaben erledigen, meine Besucher unterhalten … du wirst ich sein, für eine Weile.« Alebin zuckte die Achseln. »Allzu viel wird es ohnehin nicht zu tun geben, denn im Schloss bin ich vorerst nicht gern gesehen, und man hat mir für eine Weile frei gegeben. Zweifellos werden mich infolgedessen auch meine wenigen sogenannten Freunde meiden. Und das ist besser so, denn dein Denken kann ich in der kurzen Zeit, die uns bleibt, leider nur mit wenigen Dingen füllen.«
Langsam ging er um die Figur herum, bis er wieder vor ihr stand. Er nahm einen spitzen Dolch vom Tischchen, stach sich damit in die Fingerkuppe des linken Zeigefingers und beobachtete, wie sich ein stetig größer werdender Blutstropfen über dem Einstich bildete. Ehe der Tropfen groß genug wurde, um abzulaufen, legte Alebin den Finger dort gegen die Figur, wo bei ihm selbst das Herz schlug, und bohrte ihn tief hinein.
»Viel von mir steckt bereits in dir, mein Freund. Nun schenke ich dir von meinem Blut. Spüre meinen Puls, damit auch du einen Herzschlag erhältst.«
Als Alebin ein schwaches Echo seines Pulses in der Figur spürte, zog er den Finger zurück und wischte ihn mit einem Tuch ab. Die Wunde hatte sich bereits verschlossen. Erneut griff er nach dem Glas, trank den Rest des Inhalts und füllte es dann wieder aus einer geschliffenen Kristallkaraffe, die unter dem Tisch stand.
Die nächste Viertelstunde verbrachte Alebin damit, das geschaffene Loch zu verschließen und die Oberfläche zu glätten. All diese Dinge musste er ohne die Unterstützung seiner Magie tun, und es hatte ihn viele Jahre gekostet, diese Kunst zu perfektionieren. Doch es war der Mühe wert,