Frankfurter Einladung 2. Группа авторов

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Frankfurter Einladung 2 - Группа авторов

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Freigelände, das keinen Namen als Park, keinen Ruhm, keinen folkloristischen Anspruch besitzt. Weggabelungen, die auf keiner Landkarte verzeichnet sind. Das Gras ist struppig, mal niedergetreten, hier und da von Schafen abgeweidet. Die Birnen-, Kirschen- und Stechapfelbäume gehorchen keinem Bepflanzungsplan. Der Pfad führt unbeirrt an Hagebuttengestrüpp, Felddisteln, wildem Hafer entlang, geradeaus über den Hügelrücken. Brombeerranken wuchern, Trampelpfade zerfächern das Gelände. Unter den Dornen Bauschuttablagerungen, zerbrochene Fliesen, zerrissene Plastiktüten, zerknüllte Servietten. Ich habe mich schon bald auf die Wildwiese driften lassen. Auf dem Pfad, er heißt Eselsweg, durchqueren Radfahrer in Trupps oder einzeln das Gelände, bald fällt es sacht in Richtung Preungesheim ab. Die Radler schau ’n geradeaus und senken ihre Körper zu den Lenkern.

      Nach Südwesten ragt der Ginnheimer Spargel fern und einsam über einem, zur Abwechslung beackerten, Feld auf. Nach Westen der Hochtaunus, Feldberg und Altkönig. Westlich ist auch der Ort von der A661 begrenzt, nicht sichtbar in einen Graben versenkt, die ihn mit immerwährendem Verkehrsrauschen überzieht. Nach Norden breiten sich sacht die Wetterau-Ebene und Bad Vilbel aus.

      Von 1926 bis 1967 war hier ein Radiosender beheimatet. Hier sendeten der Reichssender Frankfurt, das amerikanische Radio Frankfurt und ab den Fünfzigern der Hessische Rundfunk. Anfangs waren die Radiowellen so stark, dass die Kleingärtner der Nachbarschaft ihre Glühbirnen damit betrieben. Nach dem Krieg schossen die Freiheitsradionauten Jazz und politische Aufklärung per Mittelwelle in die Sowjetzone. 1967 wurde in Weiskirchen ein geeigneterer Standort gefunden. Die Bauten und Gebäude des Senders verfielen, bis heute, wo sie Kulissen für Lagerfeuer und Mountainbiketrails bilden.

      Körper geradegeatmet, Lungenflügel breiten sich aus, die Schritte beginnen zu federn. Meine Augen verwandeln sich in Wiesenorchideen, Sommerwolken verwischen Horizonte, das Windwiegen des Geiskrauts zerstreut Gewissheiten. Der Ort nimmt mich auf, orten lasse ich mich nicht mehr.

      Seit 2003 ist die Brache Heiligenstock ins Grün-Gürtel-Konzept der Stadt Frankfurt aufgenommen, als »Lernstation«. Vogelflug und Wolkenzug. Bienensummen und das Fächeln der Lüfte kann man hier studieren. Ein Ort, an dem noch nicht alles verstanden, nicht jeder Stein untersucht und jede Mauer eine definierte Geschichte hat. Hier haust das Geheimnis. Wer pflanzte die Obstbäume? Was bedeuten die Metallplatten auf dem Boden? Wer grub das Loch in die Wiese? Hier hocken sich Jugendliche ungestört ins Gras, sehen dem Sonnenuntergang zu, trinken Bier und rauchen ein Pfeifchen. Pfade enden grundlos, ein Stück Feld ist zertrampelt und man weiß nicht warum.

      Ich stolpere weiter, will nicht mehr Bescheid wissen. Möchte mich ins Ungefähre verlieren. Denn da beginnen die Träume, entstehen Ideen. Eine Bank braucht keinen Namen und ein Busch kein Umweltzertifikat, um die Seele mit süßem Nichtstun zu nähren. Die Stadtpolitik hatte noch ein Einsehen gegen den Bebauungsdruck, der geplante »Wohnpark Heiligenstock« entstand nicht. Unscheinbares Königsland des Sendens und Empfangens, der Nutzlosigkeit und des Verschwindens.

      Die Ruine der ehemaligen Sendezentrale ist heute eine dreidimensionale Graffitileinwand. Auch die mannshohen Betonrampen, an denen die Trossen zur Befestigung des Sendemasts hingen, tragen Zeichen und Aufschriften.

      1984, als wir dachten, Orwell ist nah, radelte ich quer durch die staubige Stadt, ich kam aus Hausen, zum ersten Mal empfing ich dann die exakte, ungenaue Botschaft aus Erde, Luft und Himmel, die hier ein magisches Dreieck bilden. Weder Grün-Gürtel noch A661 existierten damals, nicht jede verlassene Mauer war ein Graffiti. Auf dem abfallenden Verputz und den roten Ziegeln der verfallenden Sendezentrale prangten einzig ein paar Pfeile, ein Dreieck und die Worte: VENI CREATOR SPIRITUS. Alles in Weiß.

      Ein Mückenschwarm durchrieselt mich. Eine Lerche steht und zwitschert über der Sendezentrale. Meine Hand vor dem Himmel, nicht sichtbar, nur ein Dreieck aus Regenbogenfarben zwischen den Wolken, das sich gleich wieder auflöst. Lag da einer im Gras? Wohl die Sonne, die einen Kirschlaubschatten warf.

      Monika Carbe

      Oase

      P

      lötzlich durchbricht das Signal eines Martinshorns die Ruhe im Park. Ein Rettungswagen mit Blaulicht nähert sich dem Weiher vor dem Schlösschen. Die Gäste im Café springen auf. Wildfremde Menschen sehen sich an und reden miteinander. Was ist passiert?

      Aber lasst uns von vorne anfangen. Der Holzhausenpark ist zu jeder Jahreszeit sehens- und erlebenswert. So klein er auch ist, mit seinen Buchen, Eichen, Ahorn- und Kastanienbäumen und der Wiese bietet er Abstand und Erholung vom Verkehrsgetümmel im Nordend. Geschenkt wurde er der Stadt Frankfurt kurz vor dem Ersten Weltkrieg von Adolph von Holzhausen, daher heißt der Park heute noch mit seinem vollständigen Namen Adolph-von-Holzhausen-Park.

      Es gibt viele Zugänge zum Park, majestätisch ist die Kastanienallee, die von einem schmiedeeisernen Tor am Oeder Weg direkt zum Schlösschen führt, das heute eine Bürgerstiftung ist und in dem Vorträge, Lesungen und Konzerte dargeboten werden. Auf dem Weiher vor dem Schlösschen schießt neben schnatternden Enten eine Fontäne empor. Als Spaziergängerin atme ich tief ein und aus und beobachte das Geschehen im Park. Tauben flattern auf. Ich gehe über die Wege oder direkt über das grüne Gras, denn den »Rasen betreten verboten« – das gehört längst der Vergangenheit an. Radfahrer und Jogger flitzen an mir vorbei, aber ich gehe gemächlich weiter. Viel Raum nimmt der Spielplatz ein, auf dem immer viele Kinder vergnügt umhertollen. Neben Schaukeln für Groß und Klein, auch für die Allerkleinsten, einer Wippe und einer Rutschbahn gibt es auch Klettergerüste. Dort stehen auch zwei steinerne Tischtennisplatten, die eifrig genutzt werden. Der kleine weiße Ball springt blitzschnell von einer Seite zur anderen.

      Im Park herrscht striktes Hundeverbot, das Eltern und Kindern zu Gute kommt. Ein Verbot gilt auch für das Fußballspielen für Jugendliche und Erwachsene, nur Kinder dürfen diesem Sport auf der Wiese nachgehen. Dort wurden weiße, schalenförmige Gebilde in den Boden eingelassen, die Hindernisse für exzessiven Fußball darstellen sollen. Überall laden Bänke zum Verweilen ein, eine besondere Attraktion ist das Café. In einem Container ist der Ausschank untergebracht, oft bilden sich lange Schlangen davor. Daneben steht ein Toilettenhäuschen, spiegelverglast und so groß, dass das Diminutiv gar nicht angebracht ist. Die Anordnung von Tischen und Stühlen auf der Café-Anlage ist unkonventionell und die Gäste rücken die Möbel so zurecht, wie es ihnen gerade passt. Hier kann man auch auf Liegestühlen sitzen und seinen Kaffee mit Blick auf die Wiese und das Getümmel genießen; sehr beliebt ist Federball. Wenn es nicht in Strömen regnet oder schneit, hat das Café das ganze Jahr über geöffnet und stellt seinen Gästen warme Decken zur Verfügung.

      Der Park ist häufig das Ziel von Eltern mit kleinen Kindern, aber auch viele Joggende sind unterwegs, die ihre Runden um die Wiese drehen. Im Sommer lagern hier Sonnenhungrige. Bei Hitze bieten die vielen Bäume Schatten. So manche Besucher verbringen, wie auch ich, ihren Sonntag hier. Die Gäste im Café unterhalten sich, lesen die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die im Ausschank bereitliegt oder starren auf ihr Smartphone. Ich setze mich gemütlich an einen freien Tisch und bestelle einen Cappuccino bei der jungen Kellnerin, den sie mir nur einige Minuten später bringt.

      Doch in diesem Augenblick schallt ein Martinshorn durch die Bäume. Ein Rettungswagen nähert sich mit Blaulicht dem Weiher vor dem Schlösschen.

      »Was für ein Notfall ist das?«, fragt eine Frau in einem hellblauen Sommerkleid, während sie sich hektisch umschaut. Sie scheint etwas zu suchen.

      »Das ist bestimmt ein Bombenfund!«, ruft die junge Kellnerin, während sie einen der Tische abwischt.

      »Hoffentlich kein Grabscher oder so ein Exhibitionist!«, meint eine ältere Dame in einer dunkelgrünen Strickjacke und widmet sich wieder ihrem Kaffee.

      »Mein Kind!«, schreit die Mutter im hellblauen Kleid plötzlich. »Ich kann meinen

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