Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt. Karl Kraus H.

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Karl Kraus: Ich bin der Vogel, den sein Nest beschmutzt - Karl Kraus H.

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die durch den Schein eines Freudenlebens über ihre heimliche Ehrbarkeit zu täuschen wissen. Sie schmarotzen an einer sozialen Verachtung, die sie sich nicht verdienen; und das ist die schlimmste Art von Streberei.

      Gretchen-Tragödie – welch ein Aufhebens! Die Welt steht stille, Himmel und Hölle öffnen sich, und in den Sphären klingt die Musik unendlichen Bedauerns: Nicht jedes Mädchen fällt so ’rein!

      Liebe soll Gedanken zeugen. In der Sprache der Gesellschaftsordnung sagt die Frau: Was werden Sie von mir denken!

      Wie eine lebensfähige Frau ihren faulen Frieden mit der Welt macht: Sie verzichtet auf die Persönlichkeit und bekommt dafür die Galanterien zugestanden.

      Was doch die soziale Sitte vermag! Nur ein Spinnweb liegt über dem Vulkan, aber er hält sich zurück.

      Im Orient haben die Frauen größere Freiheit. Sie dürfen geliebt werden.

      Die Eifersucht des Mannes ist eine soziale Einrichtung, die Prostitution der Frau ist ein Naturtrieb.

      Das Wesen der Prostitution beruht nicht darauf, dass sie sich’s gefallen lassen müssen, sondern dass sie sich’s missfallen lassen können.

      Eine sittliche Prostitution fußt auf dem Prinzip der Monogamie.

      Die sittliche Weltordnung ist den geheimnisvollen Fähigkeiten des Weibes, prostituiert zu werden und selbst zu prostituieren, in zwei monogamen Lebensformen gerecht geworden: Sie schuf die Maitresse und den Zuhälter.

      Die Unsittlichkeit der Maitresse besteht in der Treue gegen den Besitzer.

      Die Rechtsstellung des Zuhälters in der bürgerlichen Gesellschaft ist noch nicht geklärt. Er ist ihr Auswurf. Denn er achtet, wo geächtet wird; er beschützt, wo verfolgt wird. Er kann für seine Überzeugung auch Opfer bringen. Wenn er jedoch für seine Überzeugung Opfer verlangt, fügt er sich in den Rahmen einer Gesellschaftsordnung, die zwar dem Weib die Prostitution nicht verzeiht, aber die Korruption dem Manne.

      Die Unmoral des Mannes triumphiert über die Nichtmoral der Frau.

      Dass die bürgerliche Gesellschaft mit Verachtung auf den Zuhälter blickt, ist begreiflich; denn er ist der heroische Widerpart ihrer Unterhaltungen. Sie sind bloß die schlechteren Christen, er aber ist der bessere Teufel. Er ist der Antipolizist, der die Prostituierte sicherer vor dem Staat schützt als der Staat die Gesellschaft vor ihr. Er ist der letzte moralische Rückhalt eines Weibes, das an der guten Gesellschaft zuschanden geht. Von ihr kann sie nur reich werden, von ihm wird sie schön. Wenn er sie ausraubt, so hat sie mehr davon, als wenn die anderen sie beschenken. Weil er »zu ihr hält«, ist er missachteter als sie selbst; aber diese Missachtung ist nur ein Mantel des Neides: Die Gesellschaft muss ihre Lust bezahlen, sie empfängt Ware für Geld; aber das Weib empfängt das Geld und behält die Lust, um den Einen doppelt zu beschenken. Dort ist die Liebe eine ökonomische Angelegenheit; hier macht eine Naturgewalt die Rechnung.

      Ein Weib, das zur Liebe taugt, wird im Alter die Freuden einer Kupplerin genießen. Eine frigide Natur wird bloß Zimmer vermieten.

      Kupplerinnen sind die Hüterinnen der Normen.

      Der Zuhälter ist eine Stütze der Frau. Verliert sie ihn, so kann es leicht geschehen, dass sie herunterkommt.

      Die Zweiteilung des Menschengeschlechts ist von der Wissenschaft noch nicht anerkannt worden.

      Wie lernt die Menschheit schwimmen? Man sagt ihr, wo die gefährlichen Stellen sind und dass es eine Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff sei.

      Die Moral ist ein so populäres Ding, dass man sie predigen kann. Aber der Unmoralprediger vergreift sich am Idealen.

      Im Sexuellen wird die Freiheit mit ihren Feinden fertig, ohne der Gemeinheit als einer Bundesgenossin zu bedürfen.

      Hättet ihr die Rechte des Frauenkörpers anerkannt, hättet ihr die Unterleibeigenschaft aufgehoben, wie ihr den Robot aufgehoben habt, nie wären die Frauen auf den lächerlichen Einfall gekommen, sich als Männer zu verkleiden, um als Weiber im Werte zu steigen!

      Dass doch die Frauenemanzipation darauf ausginge, das Schandmal der anatomischen Ehre des Weibes zu beseitigen und männlicher Blindheit zu zeigen, dass es eine prostitutio in integrum gibt!

      »Frauenrechte« sind Männerpflichten.

      Ich hörte eine Frau von einer andern rühmend sagen: »Sie hat so etwas Weibliches an sich.«

      Griechische

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